NETZWERK-KONGRESS
IN BERLIN VOM 23. BIS 25. APRIL 1999:
"Anders arbeiten - oder gar
nicht?!"
Politische und rechtliche
Rahmenbedingungen des "Dritten Sektors"
Die
Zeit, in der Erwerbsarbeit eine allgemeingültige Lebensperspektive darstellte,
ist unwiederbringlich vorbei. Nichts spricht bisher dafür, daß die rot-grüne
Regierung die Fantasie, den Mut und die Kraft hätte zu einer Politik, die
diesem grundlegenden gesellschaftlichen Wandel in emanzipatorischem Sinne
gerecht wird.
Elisabeth Voß in Kooperation mit
der "Initiative anders arbeiten", Berlin -
Zur Einflußnahme auf die rot-grüne Politik hat sich auf Initiative von Netzwerk
Selbsthilfe Berlin nach der
Bundestagswahl eine "Initiative anders arbeiten" zusammengefunden. In
Kooperation mit CONTRASTE
und dem RefRat der
Humboldt-Universität wird
Ende April ein Kongreß in Berlin durchgeführt. Er wird von einem breiten
Spektrum von Gruppen und Einzelpersonen getragen. Die zentrale Frage des
Kongresses ist, wie ein in materieller und sozialer Hinsicht befriedigendes,
selbstbestimmtes Leben und Arbeiten für alle erreicht werden kann.
Wir haben heute die absurde
Situation, daß einerseits Millionen von Menschen verzweifelt nach Arbeit
suchen, andererseits die Arbeits- und Sozialämter Menschen gegen ihren Willen
zu entwürdigender Zwangsarbeit nötigen. Es wird Zeit, daß diese reiche
Gesellschaft sich den Abschied von der protestantischen Arbeitsmoral leistet.
Ein bedingungsloses Existenzgeld für alle könnte ein Einstieg sein in
gesellschaftliche Verhältnisse, in denen Arbeit mehr aktive, kreative Betätigung
und weniger ökonomischer Zwang wäre. Der Begriff des "Dritten
Sektors" ist ein zwiespältiger Ansatzpunkt für die Suche nach einem
anderen Verständnis und anderen Formen von Arbeit. Er steht sowohl für
neoliberale Strategien zur Aufwertung von "Ehrenamt" und "Bürgerarbeit",
als auch für selbstgewählte und gesellschaftlich nützliche Tätigkeiten. Nach
Überzeugung der "Initiative anders arbeiten" birgt dieser sogenannte
"3. Sektor" ungeahnte Potentiale kreativer Entfaltung und auch Möglichkeiten
der Existenzsicherung für Menschen, die gewollt oder ungewollt aus der
Erwerbsarbeit herausfallen.
Schon heute haben wir eine
Vielfalt von Arbeitsmöglichkeiten außerhalb traditioneller, hierarchischer
Anstellungsverhältnisse. Selbstverwaltete Betriebe im Besitz der Belegschaft
sind zwar mehr oder weniger eng am Markt tätig, aber nicht mit kapitalistischem
Profitinteresse, sondern zur Erwirtschaftung des Lebensunterhalts der
Beteiligten. Neben den teilweise schon in der links-alternativen Szene der 70er
Jahre entstandenen Kollektiven gibt es v.a. auf dem Gebiet der ehemaligen DDR
einige Produktivgenossenschaften, deren Mitglieder gemeinschaftlich, wenn auch
nicht mit so hohen politischen Selbstverwaltungsansprüchen, ihre eigenen
Arbeitsplätze bewirtschaften.
Überwiegend aus Teilen der
alternativen Szene, die trotz der Staatsknetedebatten der 80er Jahre keine Scheu
hatten, öffentliche Fördermittel anzunehmen, ist die heute unüberschaubare Fülle
von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften erwachsen. Mittlerweile
oft ohne eigene Ideen und Ideale am Tropf der verschiedenen staatlichen
Finanziers hängend, haben sie ihre selbstverwalteten Ursprünge fast vollständig
aufgegeben. Die Beschäftigten werden auf befristeten, untertariflich bezahlten
Arbeitsplätzen vor allem in sozialen und ökologischen Arbeitsfeldern
eingesetzt. Dabei verhindert die Kurzfristigkeit der Maßnahmen qualitative
fachliche Entwicklungen, während durch mehr oder weniger sinnvolle
Zwangsqualifizierungen suggeriert wird, fehlende Chancen auf dem ersten
Arbeitsmarkt wären durch individuelle Bildung abzumildern.
Eine mögliche Alternative zur
fortschreitenden Vereinzelung und Verarmung immer größerer Bevölkerungsteile
kann die kollektive Aneignung der eigenen Lebensgestaltung sein. Auf dem Kongreß
sollen konkrete Ideen und Utopien selbstorganisierter Arbeit jenseits von
marktwirtschaftlicher Profitorientierung und staatlicher Bürokratie diskutiert
werden. Dabei geht es um die Fragen: