GEWERKSCHAFTEN
UND »DRITTER SEKTOR«
Solidarität statt Standortlogik
Die Krise der Erwerbsarbeit
ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Krise. Eine wirtschaftliche Krise kann
nicht konstatiert werden, da es den Unternehmen weder an Geld noch an
Machtstrukturen mangelt, ihre Interessen offensiv zu vertreten. Die
gesellschaftliche Krise macht sich daran fest, daß Erwerbstätigkeit, bisher
als der Schlüssel menschlicher Existenz, sowohl was Selbstbewußtsein als auch
Reproduktionsfähigkeit anging, nicht mehr garantiert ist.
von dilli Dillmann, Lüneburg -
Abgesehen vom Zynismus der herrschenden Meinung (wer wolle, der könne u.ä.),
setzt auch die Politik der neuen Regierung bezüglich Arbeitsloser und
SozialhilfeempfängerInnen auf Kontinuität. Nirgendwo ist beispielsweise die
Rede davon, die Durchlöcherung des Qualifikationsschutzes zurückzunehmen: Wer
sogenannte staatliche Gelder erhält, soll zu immer niedrigeren Bedingungen
arbeiten. Damit wird im Sozialbereich Lohndumping betrieben und der bis dato
eingezahlte eigene Betrag in die Versicherung als Druckmittel mißbraucht. Jüngste
Äußerungen des Arbeitsministers (»Wer von den Jugendlichen Jobs ablehnt, dem
muß die Sozialhilfe gekürzt werden«) lassen Verschärfungen befürchten. Die
meisten Gewerkschaften orientieren sich nach wie vor an einem klassischen
Arbeitsbegriff: Arbeit ist für sie Lohnarbeit. Perspektivisch muß es aber um
eine Neubewertung von gesellschaftlich anerkannter Arbeit gehen. Die
Infragestellung der diskriminierenden Rollenverteilung zwischen den
Geschlechtern, zwischen Familienarbeit und Wahrnehmung gesellschaftlicher
Aufgaben, zwischen Erwerbstätigkeit und Ehrenamt, muß in die Debatte um die
Neudefinition der Arbeit getragen werden.
Unerläßlich ist dabei der Faktor
Arbeitszeitverkürzung (lohnabhängiger Erwerbsarbeit), nicht nur als
gewerkschaftliche, sondern als gesellschaftliche Aufgabe. Die so gewonnene freie
Zeit kann sowohl zur Umverteilung beispielsweise von Hausarbeit, als auch für
kreative Arbeit genutzt werden.
Für Gewerkschaften gilt natürlich
nicht nur der Bereich tariflicher Verträge, genauso wichtig, vielleicht bald
noch wichtiger, sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die erkämpft
werden müssen, ausgehend von Tarifverträgen für immer mehr Prekäre: »Freigesetzte«
Scheinselbständige, ob im Heimoder Telefonbereich, ob als JournalistInnen,
SchriftstellerInnen oder bildende KünstlerInnen. Statt Konkurrenz untereinander
und Standortdenken brauchen wir Solidarität aller Beschäftigten und
Nicht-Beschäftigten. In der IG Medien haben wir die Arbeitslosen als
Personengruppe integriert und entsprechende Forderungen an ein »Bündnis für
Arbeit« gestellt, nämlich alle gesellschaftlichen Gruppen, Erwerbstätige,
Nichterwerbstätige, Kirchen, soziale Verbände, Umweltverbände, Parteien,
einzubeziehen.
Welche Formen der Arbeit wollen
wir - und wie erreichen wir endlich in der Wirtschaft demokratische Verhältnisse?
Um diesem Ziel näher zu kommen, müssen
die Gewerkschaften im weltweit operierenden Kapitalismus anfangen, global zu
denken. Selbstbestimmte kreative Arbeit kann nicht ohne entsprechende
Mobilisierung von allen Betroffenen, und nur international durchgesetzt werden.
Beim nationalen »Bündnis für Arbeit« lacht sich das Kapital, das sich jetzt
nur beteiligt, um »Schlimmeres« zu verhüten, ins Fäustchen.
Vielleicht kann die geplante
Konferenz auch zur Annäherung von AkteurInnen aus dem »Non-Profit-Sektor« und
GewerkschaftsaktivistInnen beitragen.
dilli Dillmann
ist Landesbezirksvorsitzender Nord der Fachgruppe »Bildende Kunst« in der IG
Medien.