PRODUKTIVGENOSSENSCHAFTEN
Perspektiven für mehr Beschäftigung
Unter
Produktivgenossenschaften im engeren Sinn werden produktive Unternehmungen
gewerblicher oder landwirtschaftlicher Art verstanden, bei denen die
ArbeiterInnen zugleich UnternehmerInnen sind, also die Geschäftsführung selbst
ausüben, den Geschäftsgewinn teilen und gemeinsam das betriebliche Risiko
tragen. Im weiteren Sinn versteht man darunter alle Vereinigungen
Gleichberechtigter zu gemeinsamer Produktion unter gleicher Teilung des Gewinns.
von Michael Bock, Berlin -
Insbesondere durch Lasalle und Schulze-Delitzsch wurde seit 1848 (Märzrevolution)
eine erste Gründungswelle von Produktivgenossenschaften in Deutschland
eingeleitet. Die Höchstzahl von ca. 1.200 Produktivgenossenschaften gab es in
den 20er Jahren dieses Jahrhunderts. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in
Westdeutschland sogenannte Versehrten- und Aussiedlergenossenschaften gegründet.
In der ehemaligen DDR kam es bereits ab 1946 zur Gründungen von Einkaufs- und
Liefergenossenschaften des Handwerks auf breiter Basis. Ab 1953 wurden verstärkt
Produktionsgenossenschaften in Handwerk, Landwirtschaft und Fischerei gegründet.
Genossenschaften werden durch die
drei »S« bestimmt: Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. Im
Gegensatz zu anderen Unternehmensformen verfolgen sie den Zweck der Förderung
ihrer Mitglieder. In einer Produktivgenossenschaft kann dies z.B. durch die
Bereitstellung von Arbeitsplätzen erfolgen.
Qualifizierungs- bzw. Beschäftigungsgesellschaften
sind seit der Wende v.a. in den neuen Bundesländern überwiegend in der Form
der GmbH oder gGmbH gegründet worden, d.h. als Kapitalgesellschaften, bei denen
einige wenige Kapitaleigner diese Betriebe besitzen. Die Beschäftigten sind
i.d.R. als abhängig Beschäftigte ohne Kapitalanteile hinzugekommen.
Im Unterschied dazu sind in einer
Produktivgenossenschaft die Beschäftigten am Kapital und damit auch am Erfolg
des Betriebes beteiligt. Das erhöht die Arbeitsmotivation und die Leistung und
verbessert das Betriebsklima.
Anstatt Arbeitslosigkeit zu
finanzieren, wäre es sinnvoll, durch geeignete Förderung von
Produktivgenossenschaften (was mit den vorhandenen Instrumentarien bereits jetzt
möglich ist) Arbeitslose in Selbstverantwortung sich zusammenfinden und am
Markt Leistungen anbieten zu lassen.
In den Wirtschaftsministerien der
neuen Bundesländer wird die MitarbeiterInnenbeteiligung in der sozialen
Marktwirtschaft als wichtiger Baustein für die Herausbildung eines starken
Mittelstandes, für die Stärkung der Motivation und Leistungsbereitschaft der
MitarbeiterInnen sowie die Beteiligung der ArbeitnehmerInnen am Produktivvermögen
und Kapital zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen gewertet.
In den fünf neuen Bundesländern
geht es mittlerweile nicht mehr nur darum, die zusammengebrochenen Strukturen
der DDR-Industrie u.a. durch klein- und mittelständische Unternehmen nach und
nach zu ersetzen, auch die nach der Wende neu aufgebauten Strukturen beginnen
u.a. wegen Kapitalmangel wieder zusammenzubrechen. Die Selbständigen dieser
Betriebe sind vielfach nicht sozial abgesichert. Durch Produktivgenossenschaften
wäre die Möglichkeit gegeben, z.B. in Konkurs gegangene MeisterInnen
aufzunehmen, eventuell mehrere Kleinbetriebe zusammenzufassen und die
aufgebauten Strukturen zu erhalten.
Es gibt bereits jetzt einige
genossenschaftliche Unternehmen, die zur Abwendung drohender Arbeitslosigkeit
gegründet wurde. Auf dem Kongreß in Berlin sollen Modelle vorgestellt werden,
z.B. eine Bau- und Möbeltischlerei aus Anklam.
Michael Bock
ist Vorstandsmitglied im Prüfungsverband
der klein- u. mittelständischen Genossenschaften e.V.
mit Sitz in Berlin: pkmg@vossnet.de