THEORIE & PRAXIS
Globales Lernen und Solidarische Ökonomie
Solidarisch gehandelter
Kaffee aus Guatemala
Foto: FairBindung
»Wenn du lernen willst, bist du
willkommen, wenn du helfen willst, dann bleib zuhause« (Ghandi)
Die Solidarische Ökonomie ist in den
vergangenen Jahren in der Zeitschrift CONTRASTE immer wieder ein Schwerpunkt
gewesen. Trotz einer zunehmenden Auseinandersetzung mit dem Thema stecken die
Ansätze solidarischer Formen des Wirtschaftens in Deutschland nach wie vor in
den Kinderschuhen. Gerne richtet sich unser Blick nach Afrika, Asien und
Lateinamerika; wir fragen uns, wie wir diesen Kontinenten am besten in ihrer
»Entwicklung helfen« können.
Nina Herz/Robin Stock # Dieser Schwerpunkt
jedoch beschäftigt sich mit dem Gegenverkehr auf dieser entwicklungspolitischen
Einbahnstraße und stellt die Frage: Was können wir für das
»Entwicklungsland« Deutschland in Sachen Solidarischer Ökonomie vom Globalen
Süden lernen? Zudem setzen wir uns mit verschiedenen Ansätzen der
Bildungsarbeit zu einer Solidarischen Ökonomie auseinander.
In diesem Rahmen stellen verschiedene Akteure und Individuen, die sich sowohl
praktisch als auch in Form von Bildungsarbeit mit Solidarischer Ökonomie
auseinandersetzen, ihre Erfahrungen vor.
Zum einen das Berliner Kollektiv »FairBindung«, welches den Wert der
Solidarität lebt, lernt und vermittelt, indem es gemeinschaftlich arbeitet,
solidarischen Handel auf partnerschaftlicher Augenhöhe mit der
Kaffeekooperative »AMNSI« in Guatemala betreibt und Bildungsarbeit zu
solidarischem Wirtschaften und globalen Zusammenhängen mit SchülerInnen und
anderen Zielgruppen durchführt.
Zum anderen das »ASA Programm«, welches unter dem Leitsatz »Lernen +
Erfahren + Bewegen« MultiplikatorInnen für Globales Lernen ausbildet. In
dieser Ausgabe berichten ehemalige TeilnehmerInnen über ihre Lernerfahrungen
mit und über Solidarische Ökonomie im Nord-Süd Austausch. Diesen
Erfahrungshintergrund teilen auch die Mitglieder der Arbeitsgruppe Solidarische
Ökonomie, die von »ASA-Alumni« ins Leben gerufen wurde und sich zum Ziel
gesetzt hat, diese Thematik verstärkt in die Seminare, die dem
Auslandsaufenthalt vorausgehen, zu integrieren und zu diesem Zweck
Bildungsbausteine zu Solidarischer Ökonomie zu entwickeln.
Für beide Organisationen gilt die Frage: Ist es im Kontext
gesellschaftlicher Prozesse von Individualisierung und Globalisierung möglich,
ein Minimum an Solidarität und Gemeinsinn an (themenferne) Zielgruppen zu
vermitteln, und so Mitverantwortung für das soziale Zusammenleben und das
politische und globale Ganze zu fördern? Natürlich kann eine theoretische
Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt der Solidarität, die sich auf rein
kognitiver Ebene vollzieht, nicht genügen. Das »Erlernen« von Solidarität
– ob im eigenen Arbeitsumfeld oder transnational – kann sich nicht durch
Indoktrination vollziehen, sondern muss praxisnah und in reflexiven Vorgängen
erfolgen.
So arbeiten sowohl »FairBindung« als auch das »ASA-Programm«
handlungsorientiert. Der Ansatz von »FairBindung« ist durch die Bildungsarbeit
über das eigene Beispiel des Imports von solidarisch gehandeltem Kaffee aus
Guatemala in besonderem Maße authentisch und praxisnah.
Im Rahmen des »ASA Programms« lernen die Teilnehmenden in einer Kombination
aus Theorie und Praxis. Eine pädagogische Begleitung vor und nach dem
Aufenthalt in einem Land des Globalen Südens ermöglicht eine Reflexion, die
die Einstellungen, das Wissen, die Fähigkeiten und die bestehenden Wertesysteme
des Lernenden herausfordern und dazu anregen, neue Blickwinkel einzunehmen. So
werden die praktischen Erfahrungen, die die Teilnehmenden im globalen Süden
sammeln, indem sie sich unter anderem mit. Fragen globaler Gerechtigkeit und
Solidarischer Ökonomie beschäftigen, zu bedeutenden Lernfeldern für ihre
Lebensrealität im Norden – Solidarität als interkultureller Lernprozess.
Aber nicht nur über die Solidarische Ökonomie an sich, sondern auch
darüber, was die Bildungsarbeit zu dieser Thematik betrifft, können wir vom
Globalen Süden lernen. Insbesondere von den Hochschulen in Brasilien, in denen
so genannte Incubadoras – neben ihrer logistischen und finanziellen
Unterstützung für kooperative Existenzgründungen – ihre Praxiserfahrung aus
der Solidarischen Ökonomie in alternative Weiterbildungsangebote und
Bildungsarbeit einfließen lassen.
In diesem Sinne: Man lernt nie aus.
Die AutorInnen dieses Schwerpunkts leben und arbeiten in Berlin und sind bei
FairBindung e.V./AG Solidarische Ökonomie ASA Programm engagiert
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10