LES COMPAGNONS DU TOUR D'EUROPE
Eurodysee
In Heft 174 wurde die Idee einer "Europäischen
Wanderlehre" vorgestellt. Einige Menschen aus verschiedenen Gemeinschaftszusammenhängen
in Frankreich, Österreich, der Schweiz und Deutschland wollten ihre 1998 begonnene Reise
fortsetzen, die in der Tradition der Wandergesellen steht. Mit Traktor und Bauwagen haben
sie sich im Frühjahr wieder auf den Weg gemacht, um in der Form der Wanderlehre das Land
zu erkunden. Nachfolgend eine Darstellung der Entstehungsgeschichte, neuere Berichte von
der Tour und einer Teilnehmerin. (Siehe
auch S. 3)
Der Urknall
1992 haben wir im französischen
Zentralmassiv in einem verlassenen Weiler ein europäisches Jugendlager organisiert, um
die Idee einer neuen Wanderschaft quer durch Europa (mit Menschen aus Ost und West) zu
entwickeln. In Folge hat es jedoch an einer praktischen Umsetzung außerhalb der Longo mai
Kooperativen gemangelt.
1996 haben wir reisende HandwerksgesellInnen
aus Deutschland kennengelernt. Nachdem einige von uns im Sommer 1996 an einem
Freireisendentreffen in der thüringischen Kooperative Haina
teilgenommen haben, wollten diese mit auf die Walz gehen. Diese traditionelle Art zu
reisen, andere Kulturen zu entdecken, sich weiterzubilden, ... hat uns stark beeindruckt.
Doch es war nicht möglich, mit ihnen als Wanderlehrling mitzureisen. Ausserdem haben wir
die Bräuche und Gewohnheiten, die mit einer traditionellen Handwerkerwanderschaft
verbunden sind, als zu einengend gefunden. Die Begegnung hatte dazu geführt, ein eigenes
Projekt mit ähnlichen Grundmotivationen zu entwickeln.
Bei einem Treffen in Haina im Februar 1998
sind wir auf einen ehemaligen Wandergesellen gestossen, der vorhatte, mit Bauwägen eine
Handwerkerkolonne zu bilden. Durch seine Idee hatten wir auch für uns eine realisierbare
Lösung gefunden, unser Projekt ohne großen finanziellen Aufwand zu starten. Der bereits
1981 von Longo-mai gegründete Verein "Les
Compagnons du tour d'Europe" wurde
von uns übernommen, um unseren Plänen eine juristische Struktur zu geben.
Unsere Geschichte
Drei von uns - Olga, Per und Vera sind in
eine post 68 Lebensgemeinschaft - Longo-mai genannt - hineingeboren und dort aufgewachsen.
Jean-Claude lebt seit 8 Jahren bei dieser europäischen Genossenschaft. 150 Personen (mit
mittlerweile ca. 100 Nachkommen) leben aus einer gemeinsamen Kasse und ohne Lohnarbeit,
auf zehn in ganz Europa verteilten Höfen.
Der Hintergrund dieser Bewegung ist: so
selbständig wie möglich, ohne Chef und möglichst unabhängig von dieser Gesellschaft zu
leben. Kurz gesagt, eine alternative Lebensform zum Acht-Stunden-Arbeitstag zu finden und
sich dabei den Freiraum zu schaffen, um neben den praktischen Tätigkeiten (Schafzucht,
Gemueseanbau, Weinproduktion, Holzbearbeitung, ...) auch politisch aktiv zu sein.
So wurde z.B. nach dem Fall des eisernen
Vorhangs das Europäische Bürgerforum (EBF) gegründet. Durch den intensiven Austausch
zwischen Menschen aus Ost- und Westeuropa sind neben anderen Projekten zwei neue
Kooperativen in Mecklenburg und im ukrainischen Transkarpatien entstanden.
Das gemeinsame Aufwachsen in diesem Umfeld
hat uns ermöglicht, schon in jungen Jahren eine Vielzahl von Tätigkeiten auszuüben.
Durch verschiedene Solidaritätserklärungen haben wir auch die Gelegenheit gehabt,
Menschen aus aller Welt kennenzulernen.
Die Werte, die uns vermittelt wurden, waren
nicht wie in der kapitalistischen Gesellschaft üblich auf materieller Basis, sondern auf
der Ebene von Freundschaft, zwischenmenschlichen Beziehungen, Musik - all das, was es
ausmacht, dass der Mensch ein Mensch ist und keine Maschine.
Die ersten Forderungen unserer Eltern (vor
25 Jahren) waren bessere Bedingungen für ihre Ausbildung und Lehre zu erhalten - diesen
Forderungen schließen wir uns heute mit unserem Projekt an.
Wir haben nicht vor, die Geschichte unserer
Eltern zu wiederholen, sondern werden sie als Grundlage ansehen, von der aus wir unsere
eigenen Projekte starten wollen.
Vera
Aus "Reisezeitung" (7/98)