Der SAF wurde 1979 von Mitarbeitern der IGS und Engagierten in
den Bereichen der Erwachsenenbildung und Wissenschaft gegründet.
Nach Gesprächen mit Bundeskanzler Schmidt, an denen Vertreter
von IGS und SAF teilnahmen, wurde 1979 die "Sonderaktion zur Förderung der
Selbstverwaltung" des Bundeskanzleramtes als Förderung für
gemeinschaftliche Wirtschaftsprojekte eingerichtet.
Ebenfalls 1979 veranstaltete die IGS in verschiedenen
Großstädten eine Ausstellung mit dem Titel : „Es geht auch anders. Betriebe
gehen neue Wege und suchen neue Verbündete. Diese Ausstellung war ein großer
Erfolg und führte zum Aufbau der ersten Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft
"POVO" (Politisch-offensive-Vertriebs-Organisation).
1980 erreichte der SAF nach intensiven Verhandlungen mit dem
Bundeskanzleramt ein Forschungsprojekt "Modellversuch: Einsatz von
Regionalberatern für Selbstverwaltung", das 1981 anlief.
1982 wurden bereits 10 Regionalberater vom SAF eingesetzt und in
den länger betreuten Gebieten entstanden immer mehr wirtschaftliche Initiativen
und die Anzahl der aktiven Mitarbeiter in den Regionen nahm zu, so daß
Vertreter der Projekte und Aktivisten in sechs Regionen eigene Vereine
gründeten. Diese schlossen sich im April dieses Jahres zu einer gemeinsamen
Dachorganisation zusammen.
Entwicklungspolitische Märchenstunde im WANDELSBLATT? So muß
es für bundesdeutsche Ohren natürlich klingen. In der Tat ist dieses Scenario
aber im Wortlaut die Beschreibung der Entwicklung der ÖAR (= österreichische
Arbeitsgemeinschaft für selbstständige Regionalentwicklung).
ÖAR und ÖSB (österreichische Studien- und
Beratungsgesellschaft) sind die "unten" als sinnvoll erkannten und
"oben" (nach einem Gespräch mit Kreisky oder diesem und jenem)
abgesegneten Instrumente einer veränderten Wirtschaftspolitik in den
strukturschwachen Regionen; die beteiligten Personen werden im Rahmen eines
Forschungsauftrags voll finanziert, ebenso werden die Büro- und sonstigen
Kosten der Beratungsarbeit übernommen. Und es gibt - natürlich - den
entsprechenden "TOPF" - die "Berggebiets-Sonderaktion des
Bundeskanzleramts, ziemlich genau 7 Mio Mark schwer, mit dem die von den
Regionalbetreuern vor Ort entwickelten und betreuten Projekte nach einer
entsprechenden betriebswirtschaftlichen Beratung durch die ÖSB gefördert
werden können - mit bis zu 50% der Investitionskosten und bis zu 1. Mio
Schilling (ca. 140.000 Mark) pro Projekt.
Der Blick zurück auf die BRD ist so unsinnig nicht, wenn man
sich die in ÖAR und ÖSB tätigen Menschen ansieht: bei uns wären die
vermutlich im Netzwerk aktiv. Netzwerk- und andere Aktivisten also finanziert
über Forschungsprogramme und anerkannt als regionale Entwicklungshelfer
(Animateure) zur Selbstverwaltung?
"Bestochen!" wäre der Aufschrei der Szene. Selbst
dann, wenn es sich dabei nicht um "abgehobene" Netzwerker (im Sinne
der Huberschen "Intermediären") handelte, sondern um Leute aus den
Betrieben selbst. Selbst dann, wenn die Sache auf gesünderen Füßen stünde
als in Österreich, wo die über Forschungsauftrag Finanzierten zu wahrhaft
alternativen Löhnen arbeiten und darüber hinaus auf die jährliche (!)
Veränderung des Forschungsauftrags angewiesen sind. Und selbst dann, wenn - wie
bei uns gar nicht anders denkbar - eine solche Regelung gegen riesige
Widerstände (CDU, FDP, Handwerkskammer, Bund der Steuerzahler,
Gewerkschaften...) erkämpft werden müßte und keineswegs als Geschenk der
Sozialdemokratie vom Himmel fiele.
Mißtrauen beherrscht die bundesdeutsche Szene, die sich ja
gerade aus dem Konflikt mit der wachstums- und technologiebesessenen SPD in
deren Regierungszeit entwickelt hat, und dieses Mißtrauen hat wahrhaft gute
Gründe.
Und doch: die konkreten Personen aus ÖAR und ÖSB, die ich -
wie flüchtig auch immer - kennengelernt habe, sind natürlich nicht bestochen.
Es sind im Gegenteil sehr aufrichtige und ernsthafte Menschen, die sich ihre
Ideale bewahrt und einen Weg gefunden haben, sie in praktische Ansätze
umzusetzen. Die - so könnte man auch sagen - es verstehen, die Krise des
Kapitalismus in Richtung der eigenen Ziele zu nutzen und produktiv zu wen- den.
In dieser ganzen Entwicklungsgesellschaft für Selbstverwaltung, diesem
"Netzwerk der Köpfe" steckt sehr viel mehr Engagement, als bezahlbar
wäre.
Und es ist ja auch in der Tat eine reizvolle Vorstellung, Ideen
zu einer positiven, Entwicklung der Gesellschaft zu entwickeln und vorzustellen
und dafür nicht die gewohnten Reaktionen von Hohn, Ablehnung und Prügel zu
ernten, sondern Zustimmung und breiten gesellschaftlichen Konsens zumindest zu
Experimenten.
Das geht allemal in Österreich. Im
"PROVINZ-RUNDBRIEF" der AG SPAK schreibt Albert Herrenknecht: "In
Österreich gibt es also schon Ansätze zu einer alternativen Regionalplanung
von unten (und oben), was für BRD-Verhältnisse noch traumhaft erscheinen mag.
Der österreichische Vorsprung auf diesem Gebiet hängt allerdings mit der
ursächlich anders strukturierten Gesellschaftsform in Österreich, ihrem
allgesellschaftlichen Konsens (d.h. jeder wird gefördert, wenn er
gesellschaftlich-nützliche Arbeit leistet, ob links oder rechts) zusammen, was
Alternativen immer auch zur gesellschaftlichen Integration zwingt bzw. sie
daraus überhaupt nicht entläßt."
Unabhängig davon, ob Planung in irgendeiner Form, auch der der
"alternativen Regionalplanung" den WANDELSBLATT-Lesern in den
Projekten und Betrieben so traumhaft erscheint, wie dem Albert Herrenknecht,
(was ich bezweifeln möchte), dürfte sich die Frage auch bei uns in den
nächsten Jahren stellen. Es gibt eine Menge Leute "von unten", die
sich mit solchen Gedanken beschäftigen und es gibt ähnliche Vorstellungen bei
Grünen und Sozialdemokraten (zum Vergleich: der Artikel über das SPD-Forum in
Bonn, Seite 1/2). Bei Entwicklungen aber, die man nicht verhindern kann,
empfiehlt es sich, frühzeitig zu intervenieren und die Sache in Bahnen zu
lenken, die nicht das wieder zerstören, was autonom schon aufgebaut worden ist.
Das gilt bei der ÖKO-Bank und den sonstigen Finanzierungszusammenhängen ebenso
wie im Bereich des wachsenden Beratungswesens.
Wir dokumentieren im Folgenden den gedanklichen Ansatz der
Regionalentwicklung in Österreich. Dazu muß noch auf einen grundlegenden
Unterschied hingewiesen werden: es handelt sich bei den in Österreich „Betreuten"
nicht um Scene-Projekte, sondern um Initiativen der Normalbevölkerung, die
(deshalb) einerseits ganz anders gesellschaftlich verankert sind, andererseits
die für unsere Betriebe selbstverständlichen kulturkritischen Ansätze
vermissen lassen. "In Österreich hingegen - und dies ist ein Produkt der
"Aus-dem-Stand-Initiativen", die nicht selten nach der fiskalischen
Schöpfungsgeschichte entstanden sind ("Am Anfang war das Geld ...")
nach dem Motto: "gibts Geld, machen wir was. .." - fehlt eine
selbstkritische Diskussion über Macher und Machertum, Professionalisierung und
Nicht-Professionalisierung, „Kulturelle und Ökonomische Veränderung,
Bewußtsein und Lebensalternativen, Erziehung der Erzieher und notwendige
Selbstkontrolle. Einzelkämpfertum, Multi-Funktionärstum, Identifikation von
Amt und Person, ständiger Termindruck ohne Ruhephase, innere Streitereien und
Antipathien, Machtkämpfe und Positionsdrückerei etc. werden noch nicht
systematisch aufgearbeitet, sondern oft einem Alltagspragmatismus und
Durchhalte-Parolen geopfert." (Provinz-Rundbrief der AG SPAK)