UNSER TÄGLICH BROT VERKAUFE UNS HEUTE...
Nahrung ist (k)eine Ware
Unter dem Aspekt der Gesundheit, seltener
unter dem des Genusses, umwirbt uns das Lebensmittelbusiness. Dass wir es in der
Branche mittlerweile auch mit großen Konzernen und global Playern zu tun haben,
ist vielen nicht bewusst. Die meisten Firmen sind kaum bekannt. Das Schlagwort
des rebellischen Galliers Bové vom Kampf gegen la malbouffe, den schlechten
Fraß, hat in Frankreich breite Sympathien geweckt.Womit könnte mensch die
Leute hierzulande auf den Trug einer Vielfalt, die längst ihren guten Geschmack
eingebüßt hat und erhebliche Probleme verursacht, aufmerksam machen?
von Werner Ruhoff # In
Deutschland werden fast 20 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich in den Abfall
geworfen. Umso skandalöser wirken die zahlreichen Hungerkatastrophen und die
Tatsache, dass täglich 100.000 Menschen an Hunger und seinen Folgen sterben.
Laut Focus money online wurden 20% der us-amerikanischen Maisernte 2006 in 4,9
Mrd. Gallonen Bioethanol verwandelt, und die US-Regierung verfolge das Ziel, die
Produktion bis 2017 auf 35 Mrd. Gallonen zu erhöhen. Eine Überschrift lautet:
»Agrarrohstoffe stehen nach Einschätzung der Deutschen Bank vor der längsten
Rallye der Geschichte «. Der Preisauftrieb für Weizen hat sich seit der
Jahrtausendwende zur Freude der SpekulantInnen vervierfacht. In den arabischen
Ländern werden Rebellionen durch Brotpreiserhöhungen ausgelöst. »Für
Börsianer eröffnen sich exzellente Gewinnchancen. « Die Boerse-express.com
weist darauf hin, dass »Goldman Sachs« Mais als Investment empfiehlt. Und dann
wird für eine Empfehlung das schlechte Gewissen beruhigt: »Obwohl
Lebensmittelspekulationen ethisch eine sensible Sache sind, sollte man zumindest
eine kleine Portion Agrarrohstoffe ins Depot legen.« Der oder die »Expertin«
weiß auch warum: »damit der Weltmarkt für die Versorgung der Weltbevölkerung
funktioniert!« Chapeau! Damit das anlegende Publikum sein Gewissen total
besänftigen kann, fehlt neben den Überschriften nicht der Hinweis auf die
Welthungerhilfe – »hier Online- Spenden und helfen!«
Die vorliegenden Beiträge befassen sich weder mit
solchen Unappetitlichkeiten kapitalistischer Reichtums- und Notvermehrung, noch
mit den Auswirkungen des Klimawandels oder der Ausbeutung von LohnarbeiterInnen,
die beispielsweise als MigrantInnen in Andalusien unter sklavenähnlichen
Bedingungen für das Geld der PlantagenbesitzerInnen, für Konzerne und
KonsumentInnen schuften.
Unter dem Aspekt der Selbstorganisation kommen
widerständige Eigeninitiativen zum Ausdruck, die sich gegen das aggressive
Agrarbusiness Freiräume schaffen und sich zu behaupten suchen. Dazu gehören
die Proteste und Zusammenschlüsse gegen die anstehende Saatgutgesetzgebung der
EU, die Organisierung einer weltweiten Bewegung für die
Ernährungssouveränität oder beispielhaft die Gründung einer Initiative, die
im ehemaligen Industrievorort Köln-Kalk zwischen alten Fabrikhallen ein
Freigelände nutzt und dort Gemüse anbaut.
Eine deutliche Betonung des Schwerpunktes liegt auf der
Herstellung von Milchprodukten, die selten in den öffentlichen Focus gerät.
Milch wird als Rohstoff gehandelt und die Molkereien sind mit 20 Mrd. EUR
Jahresumsatz und ca. 35.000 Beschäftigten der größte Zweig der
Lebensmittelindustrie in Deutschland. Der Maschinenbau hat einen gewaltigen
Einfluss auf ihre Entwicklung und kalkuliert mit Zuwächsen, vor allen Dingen in
Asien und Afrika. »Tetra Pak« und »GEA« gehören zu den weltweit agierenden
Technologiekonzernen, welche die Branche technologisch und damit auch
ökonomisch wie »ökologisch« entscheidend strukturieren. Die regionale
Bindung der Milchversorgung ist längst passé. Was steckt nun hinter all dem,
womit wir vor dem Kühlregal konfrontiert sind?
Als die Molkerei im Sauerländischen Willingen- Usseln
Anfang der neunziger Jahre von den damaligen Milchwerken Köln-Wuppertal
aufgekauft und anschließend geschlossen wurde, ergriff Bauer Jacobi mit zwei
Kollegen die Initiative, eine Biomolkerei zu gründen, in der die Bauern selbst
bestimmen. Dazu gibt es mit ihm im vorliegenden Schwerpunkt ebenfalls ein
Interview. Für alle diejenigen, die mal selbst ausprobieren wollen, wie sie
Frischkäse machen können, gibt es zum Schluss noch ein Rezept.
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10