DIE BESCHÄFTIGUNGSINDUSTRIE
Die dubiose Welt derMaßnahmeträger
»Armuts-, Sozial-, Mitleidsindustrie«: In
den Medien wird immer wieder die Geschäftemacherei von Unternehmen und
Organisationen mit sozialem Anspruch kritisch thematisiert. Auch mit der
Arbeitslosigkeit lassen sich bekanntlich Profite erzielen. Der Begriff
»Beschäftigungsindustrie« bezieht sich auf Firmen, Verbände oder Vereine,
die sich auf dem Gebiet des staatlich geförderten Arbeitsmarkt bewegen, mit der
offiziellen Zielstellung, Erwerbslose (wieder) in den ersten Arbeitsmarkt
einzugliedern. Etwa 1,7 Milliarden Euro wurden im letzten Jahr insgesamt für
Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II in Deutschland ausgegeben.
Von Joachim Maiworm, Berlin # Das mit Abstand
bedeutsamste Instrument der Arbeitsmarktpolitik sind dabei die
»Ein-Euro-Jobs«. 2009 gab es davon im Jahresdurchschnitt knapp 280.000. Für
sie zahlt der Staat die »Regiekosten«. Mit ihnen verdienen die Träger richtig
Geld. Letztlich also mit der Unmenge an Schwachsinn, der im Rahmen dieser Jobs
passiert (Stichwort: »Beschäftigungstherapie «). Groß ist insgesamt das
Finanzvolumen, das in Form staatlicher Subventionen in diesen Sektor fließt,
groß ist aber auch die Intransparenz, die eine Beschäftigung mit dem Thema
erschwert und die wesentlichen Akteure weitgehend im Dunkeln agieren lässt.
Die mit immensen Summen in die Wege geleiteten Beschäftigungs- bzw.
Qualifizierungsmaßnahmen zeigen dabei die grundlegende Ambivalenz des
Sozialstaats auf: Manche der betroffenen Erwerbslosen erleben die ihnen
zugewiesenen Projekte als Hilfestellung in ihrer desaströsen Lage, viele aber
als reinen staatlichen Zwang und Entmündigung. Allein in Berlin existieren etwa
500 kleinere und größere Träger. Große überregional agierende
Sozialkonzerne mit Hunderten von Mitarbeitern arbeiten neben lokalen
Kleinunternehmen, die häufig genug selbst um ihr ökonomisches Überleben
kämpfen.
Mitleid mit diesen Trägern ist allerdings fehl am Platze: Denn auch sie sind
als Akteure der Beschäftigungsindustrie Mitproduzenten von
Beschäftigungsverhältnissen ohne Arbeitsrechte, Mitverursacher von Sanktionen
gegen die Erwerbslosen sowie Förderer von Dumpinglöhnen. Und auch sie
verdrängen mit ihren Projekten sogenannte reguläre Erwerbsarbeit. Was für den
Bereich des öffentlichen Dienstes nicht erstaunt. Die zunehmende Verschuldung
der kommunalen Haushalte – der Deutsche Städtetag erwartet für das laufende
Jahr ein Rekorddefizit von 15 Milliarden Euro – fördert den offenen
Rechtsbruch. Denn die Kommunen gieren nach kostenloser Arbeit, um ehemalige
Regelaufgaben durch gemeinnützige Arbeit Dienstverpflichteter ersetzen zu
können.
Schon 2008 stellte deshalb der Bundesrechnungshof fest, dass bei zwei Drittel
der Maßnahmen die gesetzlichen Fördervoraussetzungen nicht erfüllt würden
(öffentliches Interesse, Zusätzlichkeit). Aber wen wundert’s: Die periodisch
wiederkehrenden »Missbrauchsdebatten« zielen auf die Erwerbslosen, nicht
jedoch auf den offenkundig rechtswidrigen Einsatz der Arbeitsgelegenheiten. Im
vergangenen März schreckte vorübergehend die Praxis der Arbeiterwohlfahrt
(AWO) im schleswig- holsteinischen Neumünster die interessierte Öffentlichkeit
auf. Der Sozialverband setzte Hartz-IV-Empfänger gegen ordentlich Geld in der
Seniorenbetreuung ein, berechnete den Kunden acht Euro für die geleistete Hilfe
im Haushalt, während die Ein-Euro- Jobber nur 1,25 Euro pro Stunde erhielten.
Die Arbeitsagentur schickte daraufhin Prüfer ins Haus.
Von Kontrollen, Mahnungen, gar Sanktionen gegen Träger lässt sich ansonsten
allerdings kaum etwas vernehmen. Denn die Träger, insbesondere die großen
Wohlfahrtsverbände, und ihre Lobbyorganisationen arbeiten eng mit den
staatlichen Instanzen zusammen.
In der breiten Öffentlichkeit ist leider kaum etwas über den Komplex von
Trägern, Einsatzstellen, kommunalen Verwaltungen und Jobcentern bzw. Argen
bekannt. Auf Bitte der Berliner »AG Beschäftigungsindustrie « haben sich
deshalb für diese Ausgabe der CONTRASTE mehrere AutorInnen darangemacht, mehr
Licht ins Dunkel zu bringen und sich mit verschiedenen Aspekten und Facetten des
Themas auseinandergesetzt.
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10
SCHWERPUNKTTHEMA
| Gewinner der Armut: Die »Bechäftigungsindustrie« Seite
7 |
| Arbeitslose in SOS-Diensten Aufmarsch der Hartz IV-Truppen Seite
7 |
| SSM Köln: Die MüTZe, der Möbelverbund und die Konkurrenz-Euro-Jobs Seite
8 |
| Trias gGmbH, Treptow-Köpenick: Guckst Du hier! Seite
8 |
| Evangelische Kirche: Gute Werke, Arbeit & Nächstenliebe Seite
9 |
| Interview: »Ich hatte den Eindruck, ich bin in einem Straf- und
Erziehungslager« Seite 9 |
| Der Mae-Kiezpool: Es geht auch anders Seite 9 |
| Die Bürgerarbeit: Keine Leistung ohne Gegenleistung! Seite
10 |
| Emanzipatorische Umorientierung: Mythos Weiterbildung – eine Polemik Seite
10 |