Monatszeitung für Selbstorganisation
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STUTTGART-21: BAHN-PROJEKT VOR DEM AUSBunte Bewegung im WiderstandDer überharte Einsatz der Polizei am 30. September hatte das umstrittene Bahn-Projekt Stuttgart-21 endgültig bundesweit bekannt gemacht. Der Widerstand ist größer und bunter als zuvor. Selbst der Ausstieg der ParkschützerInnen aus den Schlichtungsverhandlungen wird als Stärke begriffen. Von Peter Streiff, Red. Stuttgart # In Stuttgart geht es längst nicht mehr nur um den Bahnhof: Das Klima in der Stadt hatte sich bereits vor dem brutalen Polizei- Einsatz deutlich verändert. Mittlerweile scheint sich das sogar bis zu Ministerpräsident Mappus rumgesprochen zu haben. Denn die wöchentlichen Montagsdemos mit fünf- bis zehntausend TeilnehmerInnen und mehrere Großdemos zeigen Wirkung. Zudem ist Mappus’ Rambo-Taktik gründlich fehlgeschlagen, denn die vielen Augenzeugen- Berichte und Videos im Netz belegen, von welcher Seite die Aggressionen am 30. September im Schlossgarten ausgingen. Ein Untersuchungsausschuss soll nun die Einzelheiten ans Licht bringen. Doch spätestens mit den öffentlichen Aussagen eines beteiligten Polizisten ist klar, dass der Einsatzbefehl »von ganz oben« kam: »Wenn selbst der Koch, der 1.700 Lunchpakete bereit stellen muss, mehr weiß als der mit Blaulicht anrückende Einsatzleiter aus Mannheim«, habe dieses Vorgehen sicher nichts mit der ansonsten gerühmten Stuttgarter Deeskalationstaktik zu tun gehabt. BeobachterInnen aus dem Rest der Republik fragen sich verwundert, warum die StuttgarterInnen derart entschieden Widerstand gegen ein Bahnprojekt leisten. – Einige, notgedrungen unvollständige Erklärungsansätze: Auslösendes Moment für viele war wohl der von Oberbürgermeister Schuster verhinderte Bürgerentscheid 2007. 67.000 BürgerInnen lehnten das Projekt nicht nur wegen zu hohen Kosten und erheblichen Risiken ab, sondern stützten sich auf ein von den Umweltverbänden BUND und VCD ausgearbeitetes Alternativkonzept »K21«, das den Ausbau des funktionierenden Kopfbahnhofs vorsieht. Dass mittlerweile drei teilweise massive Kostensteigerungen von offizieller Seite eingeräumt werden mussten – vor Baubeginn – und parallel mehrere Gegengutachten noch deutlich höhere Kosten schätzen, stärkte den Widerstand weiter. Ausgewiesene Bahnfachleute wie Professor Karl-Dieter Bodack belegen zudem detailliert, dass der geplante Tiefbahnhof schlechter sei als der bestehende Kopfbahnhof. Nachdem ein seit zwei Jahren unter Verschluss gehaltenes Gutachten der Projektbefürworter – mit vernichtendem Urteil – öffentlich gemacht werden konnte, war deren Glaubwürdigkeit endgültig weg. Auch bekennende ehemalige CDU-WählerInnen, die aktiv den Park schützen wollten, erlebten fassungslos die Arroganz der Mächtigen im Stuttgarter Schlossgarten. Trotz des aggressiven Vorgehens der Polizei blieben die GegnerInnen friedlich – die Großdemo mit 100.000 TeilnehmerInnen am Samstag danach war eine kraftvolle Antwort. Nun mussten die Befürworter einlenken: Die Schlichtung wurde eingerichtet. Nach dem Spaltungsversuch von Bahn und Land, auf den geforderten Bau- und Vergabestopp während der Schlichtung nur teilweise einzugehen, verabschiedeten sich die Parkschützer zwar aus den Verhandlungen. Dennoch wird dies im Widerstandsbündnis eher als Stärke begriffen, denn »nun können wir zweigleisig fahren« – und zwischendurch das Widerstandsbier »RESIST« genießen. Denn den ersten Schlichtungstag können die GegnerInnen schon mal als Punktsieg verbuchen. Informationen:
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