ENERGIEWENDE
Windige Zeiten?
Neue Energiegenossenschaften setzen soziale und ökonomische Maßstäbe
»Energiegenossenschaften stark im
Kommen«, »Kahlschlag bei der Photovoltaik«, »Energiewende abgewürgt«,
»Energiekommune des Monats mit Bürgerbeteiligung auf Erfolgskurs« – diese
und ähnliche Schlagzeilen prägen in den letzten Monaten die Tagespresse.
Geradezu von einer Achterbahnfahrt kann bei den Einschätzungen zur künftigen
Rolle genossenschaftlicher Bürgerbeteiligung für die Entwicklung der
Energiebranche gesprochen werden. Tatsächlich stimmen beide Tendenzen. Die
beeindruckenden Erfolge der Energiegenossenschaften für die Energiewende
führen zu erheblichem Gegenwind. In derWindbranche lassen sich dennoch, wie der
Schwerpunkt »Energiegenossenschaften« verdeutlicht, zahlreiche spannende
Perspektiven aufzeigen.
Die Friedrich-Wilhelm Raiffeisen
Windpark Streu & Saale wurde am 14. März 2012 als zukünftige
Betreibergesellschaft des größten bayerischen Windparks gegründet.
Es ist das innovativste und konsequenteste Beispiel für eine Bürgerbeteiligung
im Bereich der Windenergie in Deutschland.
Von Burghard Flieger, Red. Genossenschaften #
Im westfälischen Lichtenau können die Anwohner ihren Strom direkt vom
benachbarten Bürgerwindpark beziehen. Für ihr Engagement ist die Gemeinde als
»Energie-Kommune« des Monats Mai 2012 ausgezeichnet worden. Mit dem Titel
würdigt die Agentur für Erneuerbare Energien vorbildliche kommunale
Energieprojekte und stellt sie auf einem Infoportal (1) ausführlich vor. Um die
Anwohner auch direkt einzubinden, hat die Stadt Lichtenau schon 2010 eine
Energiegenossenschaft ins Leben gerufen. Sie betreibt Photovoltaikanlagen auf
städtischen Dächern. Hier kommen drei Themenfelder zusammen, die für die
»Energiegenossenschaftsszene« aktuell prägend sind:
• Von der Photovoltaik- zur
Windenergieproduktion;
• Zunehmende Bedeutung der Kooperation von Genossenschaften und Kommune;
• Wachsende Rolle der Bürgerbeteiligung für die Energiewende.
Dezentralität und Bürgerbeteiligung
Dass Bürgerbeteiligung noch keine
Selbstverständlichkeit ist, wird von Ursula und Michael Sladek, den
bekanntesten Gesichtern der Schönauer Stromrebellen, auf den Punkt gebracht. In
einem Interview machen sie deutlich, solange nur die Art der Stromerzeugung,
nicht aber die Strukturen verändert werden, kann nicht ernsthaft von einer
Energiewende gesprochen werden. Ihre Kritik an den aktuellen Entwicklungen:
»Das Ausstiegsmodell der Bundesregierung beschränkt sich auf den Ersatz einer
Großtechnologie, der Atomenergie, durch eine andere.« Sie sind überzeugt:
»Der Ausbau kleiner, dezentraler Strukturen muss vorangebracht werden. Und das
geht nur mit Bürgerbeteiligung.«
Schneller und effektiver als über reine
Graswurzelaktivitäten gelingt dies durch gemeinsames Handeln von Bürgern und
Politik. Am Beispiel der »Energiegemeinschaft Weissacher Tal eG« lässt sich
sehr gut veranschaulichen, welche Synergien in der Zusammenarbeit einer Kommune
mit ihren Bürgern stecken – umgesetzt durch genossenschaftliche Strukturen.
Auch wenn eine organisatorische Unterstützung, Finanzmittel sowie die
kostenlose Bereitstellung von Dächern für Photovoltaikanlagen für dieses
»Geburtshelfer- Modell« von hohem Wert sind, entscheidend ist das Heben der
Ressource »Vertrauen«. Kommt beides zusammen, sind Energiegenossenschaften in
ihrer Weiterentwicklung kaum zu stoppen. Der Einstieg in die Windenergie und
vielleicht sogar der Rückkauf der Netze sind die folgerichtigen weiteren
angedachten Schritte.
In den meisten Fällen tasten sich
Energiegenossenschaften sehr »behutsam« an das Thema Nutzung der Windenergie
heran. »Nicht kleckern, sondern klotzen«, prägt dagegen das Vorgehen bei der
Entwicklung des Windparks »Streu & Saale«. Er wird nicht nur der größte
Windpark in Bayern, auch die Zahl der involvierten Energiegenossenschaften –
sechs Ortsgenossenschaften, eine Regionalentwicklungsgenossenschaft und eine
Betreibergenossenschaft – setzt neue Maßstäbe. Das erhebliche Volumen von 18
Windkraftanlagen angegangen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit
vorbildhafter Bürgerbeteiligung verbunden mit einem Verteilungsmodell für die
Erträge, dass in der Windbranche neue »Maßstäbe« setzt. Dies zeigt: Eine
genossenschaftlich getragene Energiewende bringt soziale und ökonomische
Leuchttürme hervor.
Die Friedrich-Wilhelm Raiffeisen Windpark Streu &
Saale wurde am 14. März 2012 als zukünftige Betreibergesellschaft des
größten bayerischen Windparks gegründet. Es ist das innovativste und
konsequenteste Beispiel für eine Bürgerbeteiligung im Bereich der Windenergie
in Deutschland.
1) www.kommunal-erneuerbar.de
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10