Monatszeitung für Selbstorganisation
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HEBAMMENTAG 2012Aktionen und HintergründeDer Beruf der Hebamme ist gesellschaftlich hoch angesehen. Nur wenige wissen, wie sehr sich die Arbeitsbedingungen für Hebammen über die Jahre verschlechtert haben. Von Christine Bruhn, Berlin # Die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und das Drängen auf Wirtschaftlichkeit und Kostensenkung sind natürlich auch an den Hebammen nicht vorüber gegangen. Nur 7,50 Euro pro Stunde verdient eine Hebamme netto – so rechnete 2007 der Hebammenverband aus. Und um nur 1,5% wurde die Vergütung von Hebammen in 2010 angehoben – das ist ein weit unterdurchschnittliches Einkommen gegenüber vergleichbaren Berufen. Hinzu kommen die extrem stark gestiegenen Prämien für die Berufshaftpflicht: zum 1. Juli 2012 steht die nächste Steigerung an und Hebammen müssen dann mit einer Versicherungsprämie von rund 4.300 Euro jährlich rechnen. Immer mehr Hebammen sind aufgrund dieser Lage gezwungen, ihren Beruf aufzugeben. Der rapide Anstieg von mehr Technik und Medizin in der Geburtshilfe, die Entwicklung vom »gebären« zum »entbinden« ist die zweite schlechte Nachricht für alle, die die Geburt als natürliches Geschehen begreifen: die Kaiserschnittrate hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt und liegt momentan bei 32% und nur noch 7% aller Geburten verlaufen ohne technische oder medizinische Eingriffe! Bezogen auf die geburtshilfliche Arbeit und den Einsatz von Hebammen steht im Zuge dieser Entwicklungen etwas Gewichtiges auf dem Spiel: die Möglichkeit für Frauen und Paare, eine selbstbestimmte, natürliche Geburt ohne unnötige technische oder medizinische Eingriffe wählen zu können. Eine solche Geburt kostet Zeit und erfordert die kontinuierliche Begleitung durch eine vertraute Hebamme in sicherer Umgebung und solange, wie die Geburt dauert. Diese eins-zu-eins- Betreuung und Begleitung ist natürlich kostenintensiver, als in Klinik- Kreißsälen, wo eine Hebamme stets mehrere Frauen gleichzeitig betreut. Es gibt genügend Hinweise darauf, wie wichtig die Geburt samt ihrer Rahmenbedingungen für den frühen Beziehungsaufbau ist, die Familienfindung und einen gelungenen Start fürs Stillen. Und wie belastend demgegenüber negative Geburtserlebnisse v.a. für die Frauen sind – und dies noch über Jahrzehnte hinweg. Die Geburt ist ein natürlicher Vorgang und insofern ist es sehr wichtig, Frauen darin zu bestärken, diesen Vorgang aus eigener Kraft, mit den eigenen Ressourcen auch zu bewältigen – ein wichtiges Anliegen jeder Hebamme. Das hört sich gut und richtig an – und bewegt sich doch entlang der Frage, was sich eine Gesellschaft leisten will und kann und wer für die Kosten aufkommen soll. Die Gesetzeslage in Deutschland besagt, dass jede Geburt, auch im Krankenhaus, durch eine Hebamme begleitet werden muss. Eine ärztliche Begleitung ist erforderlich, wenn es Probleme gibt, nicht aber bei einem normalen Geburtsverlauf. Dass die Zunft der Hebammen so eine kleine Lobby hat, ist auf diesem Hintergrund besonders erstaunlich. Geburtshilfe in Deutschland ist jedenfalls mit einer Reihe berufs- und verbandspolitischer Fragen und Auseinandersetzungen verknüpft. Die Proteste der Hebammen, die seit Jahren am 5. Mai, dem Internationalen Hebammentag, stattfinden, drehen sich um die finanzielle und inhaltliche Anerkennung der Hebammenarbeit. In diesem Jahr sind die vielfältigen Protestaktionen verstärkt in die öffentliche Aufmerksamkeit gelangt: zu Recht und hoffentlich mit mehr Aussicht auf Erfolg! Mehr Informationen: www.evidero.de/artikel/mehr-geld-furgeburtshelferinnendie- hebammen-sterben-aus |
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