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Forschung

Frauentreff

Forschung mit oder über Frauen?

In folgendem Artikel beschreibt Wilma Mohr die Schwierigkeiten, die sie als Feministin mit dem "Objekt-Verhältnis" bei Untersuchungen hat, die die herkömmlichen Forschungsmethoden sich bringen. Neben dem Forschungsinteresse war es ihr wichtig, die Frauen nicht als "Rohmaterial" für sich zu benutzen, sondern eine Arbeitsmethode mit den Frauen zu entwickeln, von der die Gruppe auch etwas hat: es entsteht ein Buch.

Seit einem Jahr arbeite ich mit einer Gruppe von Frauen aus alternativ-selbstverwalteten Betrieben zusammen. Die Idee entstand auf der Projektmesse 1983.

Das Bedürfnis unter den Frauen, ihre Erfahrungen, die sie als FRAUEN in den Projekten machen, gemeinsam aufzuarbeiten und ihre Erfahrungen auszutauschen, war groß. Mein Interesse an ihren Erfahrungen wiederum resultierte aus meiner beruflichen und frauenpolitischen Arbeit. Als Hochschulassistentin will ich neben der Lehre auch meine Forschungsarbeiten am Interesse von Frauen ausrichten. Mein Thema ist der Zugang, den Frauen zur Arbeit haben und das Politikverständnis von Frauen. Gerade in einer Situation knapper werdender Arbeitsplätze und einer politischen Ideologie des "zurück an den Herd" interessiert mich, WIE FRAUEN damit umgehen, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitssituation von Frauen in Alternativbetrieben. Die Durchsicht der Literatur zum Thema Alternativbewegung und -ökonomie zeigte aber, daß die Frauen dort nur am Rande oder gar nicht vorkommen. Die Bücher sind fast ausschließlich von Männern gemacht. Es galt also, eigene empirische Untersuchungen zu dem Thema durchzuführen, um Genaueres zu erfahren. Es sollte ein Projekt werden, in dem die Frauen selbst zu Wort kommen.

Projekte und Betriebe, die sich der Alternativbewegung zurechnen, haben immerhin den Anspruch, ohne Hierarchien arbeiten und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aufheben zu wollen. Wie sieht die Realität aus? Können Frauen in Bereichen mit diesem emanzipatorischen Anspruch ihre Interessen besser wahrnehmen und durchsetzen als anderswo in der Gesellschaft? Gibt es diesen Anspruch eigentlich noch, oder setzen sich auch in diesen Projekten ökonomische Zwänge und patriarchalische Strukturen (blind?) durch?

Es geht mir jedoch nicht allein darum, ganz allgemein eine "Forschungslücke" zu schließen, sondern Wissenschaft im Interesse von Frauen zu betreiben, aber dies klingt einfacher, als es tatsächlich immer noch ist, und so sind zunächst zwei Probleme zu lösen:

1. Wer definiert denn, was "Fraueninteressen" sind?

Es gilt immer noch, daß frau in der traditionellen Forschungspraxis geradezu daran gehindert wird, dieser Frage genauer nachzugehen. In einem Projekt zur "Humanisierung der Arbeit" wurde mir nicht nur von den Arbeitgebern, sondern vom eigenen Projektteam verboten, über den exakt festgelegten betrieblichen Rahmen hinaus mit den Arbeiterinnen Kontakt aufzunehmen. Wissenschaftliche Neutralität sollte bewahrt werden! Eine absurde Situation, war doch das Ziel des Projekts, zu erforschen, unter welchen Bedingungen eine "Humanisierung der Arbeit" auch für Arbeitnehmer/innen möglich ist.

2. Wie kann wissenschaftlich gewonnene Erkenntnis zurückfließen an die, die ihre Erfahrung und ihr Wissen für die Forschung zur Verfügung gestellt haben?

Entscheidend für mein Vorgehen waren zum einen meine Forschungserfahrungen in eher traditionellen Projekten empirischer Sozialforschung, Erfahrungen begrenzter Möglichkeiten, über die ich hinausgehen wollte. Zum anderen habe ich auch meine eigenen Erfahrungen in der autonomen Frauenbewegung gemacht und befinde mich in der Universität mitten in der Auseinandersetzung um die Frage, ob es eine feministische Wissenschaft gibt. Das Leben der anderen ("fremden") Frauen kennen und verstehen lernen, es ernst nehmen, selbst wenn es meinen Vorstellungen von Leben und Emanzipation nicht entspricht. Betroffenheit zulassen, aber Distanz bewahren, Parteilichkeit nicht mit Identifikationen zu verwechseln, d.h. nicht blind für Frauen Partei ergreifen, sondern mir meine Kritikfähigkeit bewahren, auch kritisieren.

Ich verleugne nicht, daß es immer ein "Gefälle" zwischen Forscherin und Befragten geben wird und sehe das Subjekt-Objekt-Verhältnis im Forschungsprozeß. Dies im Auge zu behalten und nicht traditionell damit umzugehen, hat methodische Konsequenzen für die Forschungsarbeit: Die Umsetzung kann nur in einem längerfristigen ForschungsPROZESS erfolgen, in dem sich das beidseitige Interesse herauskristallisiert oder auch nicht. Das wird der Weg, der Prozeß zeigen!

Wie kann man diese Ansprüche umsetzen? - Anhand, des Verlaufs der Gruppenarbeit vom letzten Jahr will ich einige Probleme skizzieren.

Ich berichtete den Frauen auf der Projektmesse 1983 von meinem Plan und schlug vor, an ihren Gruppengesprächen teilzunehmen, und diese zu dokumentieren. Ich wollte sehen, ob sich mein Untersuchungsinteresse mit ihrem Bedürfnis nach Erfahrungsaustausch verbinden ließ. In einer längeren Phase für sich, klärten die Frauen, wie sie sich eine Gruppenarbeit vorstellen, und ich hatte Rede und Antwort zu stehen, bezüglich meiner Interessen. So wurde die Befürchtung geäußert, daß ich die Gruppe mit meinem Forschungsinteresse dominieren könnte, oder daß nur Ergebnisse für "Schublade und Papierkorb" produziert werden könnten. Wir verabredeten: "Gruppenprozesse sind immer wichtiger als Forschung" und "Die Forschungsergebnisse werden der Gruppe vorgelegt".

Im Interesse der Gruppe und meiner Forschungsfragestellung (die Situation der Frauen in den Projekten so genau wie möglich zu erfassen), bin ich mit dieser Vorgehensweise einverstanden. Nur: Was geschieht, wenn es gruppendynamische Prozesse gibt, die es angemessen erscheinen lassen, mich aufgrund meines Forscherinnenstatus nicht mehr zur Gruppe zuzulassen? Oder: Wenn ich zwar forschen darf, aber die Resultate als so brisant angesehen werden, daß sie in KEINER Form veröffentlicht werden sollen? Kann ich damit rechnen, daß die Frauengruppe auch meine Interessen an Veröffentlichung - eine wichtige Voraussetzung für meine Qualifikation als Wissenschaftlerin - akzeptiert und unterstützt? Können wir, sobald es darüber Konflikte gibt, diese so austragen oder bedeutet das den Abbruch des Projekts?

Die Möglichkeiten des Scheiterns sind vielfältig. Zunächst aber ließen sich unsere Interessen vereinbaren, denn das wichtigste Ergebnis der ersten Phase war wohl, daß beschlossen wurde, nicht in der "Selbsterfahrungsrunde" stehen zu bleiben, sondern die Erfahrungen systematisch auszuwerten, und auch weiterzugeben. Eine politische Aktion zur "Vernetzung" von Fraueninteressen ist also das längerfristige Ziel der Gruppe. Der Plan entstand: Wir machen ein Frauenbuch! Und eine Materialgrundlage (neben vielen anderen) sollten die Interviews mit Frauen aus alternativen Projekten sein. Auch in technischer Hinsicht soll das Buch von Frauen hergestellt werden. Schließlich können Frauen aus der Gruppe und ihrem Umkreis: setzen, drucken, verkaufen... Wir begannen mit einer Stichwortsammlung für einen Fragebogen, ich systematisierte und formulierte die Fragen, die dann in der Gruppe diskutiert wurden und zwar anhand des jeweiligen in den Projekten und an der Universität. Ein Prozeß, in dem ihre Erfahrungen aus den Projekten und meine wissenschaftliche Kompetenz zusammenfließen konnten.

Über unsere Arbeitsweise wurde nicht weiter diskutiert, wir trafen uns 14-tägig und es war einfach, dass wir z.B. essen gingen, wenn wir von unserer alltäglichen Arbeit im Projekt oder der Universität zu erschöpft waren, um uns noch zu konzentrieren. Nichts also von einem stringenten, an "Sachnotwendigkeiten" orientierten Forschungsprozeß, aber wichtiger für mich: "DIE ZEITEN DER FRAUEN SIND DIE ZEITEN, DIE DIE FRAUEN SICH GEBEN" (eine Parole aus der italienischen Frauenbewegung).

Durch die Planung für die Projektemesse 1984 entstand ein Handlungsdruck. Die Gruppe wollte handeln, politisch was in Bewegung setzen mit Hilfe unseres gemeinsamen Produkts "Fragebogen". Ich hatte ziemlich Skrupel, schon mit dem Fragebogen zu arbeiten: fand das Konzept noch nicht ausgereift, die Fragen noch nicht präzise, usw. ...

Wir entschlossen uns zu einer Kurzfassung, die eine wichtige Voraussetzung erfüllte: sie mußte sich während der Projektemesse schon auswerten lassen, damit die Forschungsergebnisse schnell "zurück fließen" können. Die Auswertung übernahmen zwei Studentinnen, und anhand der Fragebogenergebnisse wurde in der Gruppe eine gemeinsame Interpretation erarbeitet.

Auf diese Weise konnte das zeitliche Auseinander fallen von Befragung und Ergebnispräsentation, was vor allem für die Befragten wissenschaftliche Untersuchungen oft sinnlos erscheinen läßt, auf ein Minimum begrenzt werden. Und die Forscherin konnte in einem "Pretest" den Fragebogen testen und Erfahrungen damit sammeln, wie es ist, wenn die "Betroffenen" selbst am Forschungsprozeß teilnehmen.

 

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Stand: 07. August 2008