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Schwerpunktthema November 1984:
Frauen in selbstverwalteten Betrieben
Emanzipation oder
Doppelrolle?
Das Interesse an der diesjährigen Projektmesse auf dem Gelände der ASH
Krebsmühle (Arbeiterselbsthilfe) in Oberursel war enorm. Vielfältige
Alternativen" im Bereich der Produktion und Dienstleistungen, die sich in den
letzten Jahren entwickelt haben, stellten sich der Öffentlichkeit vor. Jenseits von
Maschinen- und Müsli-Trubel setzten sich erstmals die Frauen aus den angereisten
Alternativbetrieben täglich einmal zum Erfahrungsaustausch zusammen. Außerdem hatten
einige Frauen zu diesem Treffen einen Fragebogen speziell zur Arbeitssituation von Frauen
ausgearbeitet, der dort die Runde machte. auf dem Gelände der ASH
Krebsmühle (Arbeiterselbsthilfe) in Oberursel war enorm. Vielfältige
Alternativen" im Bereich der Produktion und Dienstleistungen, die sich in den
letzten Jahren entwickelt haben, stellten sich der Öffentlichkeit vor. Jenseits von
Maschinen- und Müsli-Trubel setzten sich erstmals die Frauen aus den angereisten
Alternativbetrieben täglich einmal zum Erfahrungsaustausch zusammen. Außerdem hatten
einige Frauen zu diesem Treffen einen Fragebogen speziell zur Arbeitssituation von Frauen
ausgearbeitet, der dort die Runde machte.
Die Antworten der Frauen
sind nicht zuletzt deswegen spannend, weil man bisher nur vage über die
Arbeitsplatzsituation in Alternativbetrieben Bescheid weiß. Allgemein wird angenommen,
daß die meisten von ihnen dort arbeiten, weil sie aus der Enge typischer Frauenberufe
raus wollen bzw. erst gar nicht hinein. Ein Sekretärinnenlächeln wird mit Sicherheit
nicht den ganzen Tag erwartet. Wie aber sind die Arbeiten in diesen Betrieben tatsächlich
verteilt? Die kleine Umfrage ergab z.B., daß in der Schlosserei deutlich die Männer
überwiegen und im sozial-pflegerischen Bereich die Frauen. Dazwischen sind die
Grauzonen": in den Druckereien, bei einigen Schreinereien und der
Fahrradwerkstatt ist das Verhältnis ausgewogener.
Empfinden die Frauen in den
Alternativbetrieben ihre Situation als gleichberechtigter als in normalen Betrieben? Diese
Frage ist noch nicht abschließend beantwortet. Die Gruppe der Frankfurterinnen aber, die
den Fragebogen vorbereitet hatte, trifft sich sowieso schon seit über einem Jahr, um
ihren Alltag zu besprechen, die Rollen zu reflektieren. Diese Frauen aus der ASH-Krebsmühle", dem Kulturzentrum Batschkapp", dem Club Voltaire" und der Druckerei Blätterwald" sind sich natürlich darin einig, durch Arbeit keine
Profite zu machen, sondern einer befriedigenden Arbeit nachgehen zu wollen. Der Konsum
wird klein geschrieben, die kollektive Arbeit groß.
Die Erschöpfungszustände
der Frauen ähneln sich allerdings auch; über mangelnde Arbeit beklagt sich keine. Die
Diskussionen im Kollektiv kosten" Zeit und Nerven, eine Verständigung aller
als angestrebtes Ziel ist schwer. Sachzwänge und die Anstrengung, keine hierarchischen
Strukturen im Projekt aufkommen zu lassen, machen es den Frauen nicht leicht, den
Frauentermin immer einzuhalten. Allerdings beschränken sich die Frauenverabredungen
längst nicht mehr nur darauf, sich zweimal im Monat von Frau zu Frau auszuweinen, um dann
doch wieder isoliert ins alternative Leben zurückzukehren. Die Frauen sind längst
über die Phase reiner Selbsterfahrung" hinaus gewachsen. So arbeiten sie jetzt
an einem Buch. Die Weitergabe ihrer Erfahrungen als Frauen in
Alternativbetrieben" ist ihnen wichtig. Hier muß Wilma Mohr erwähnt werden. Die promovierte Sozialwissenschaftlerin, die nicht in der
alternativen Geschäftswelt lebt und arbeitet, ist Hochschulassistentin an der Frankfurter
Universität. Sie ist der akademische Teil" der Gruppe. Ihre Forschungsarbeit
konzentriert sich auf den Teil der Bevölkerung, der bis dato nicht erforscht, nicht als
gesellschaftlich relevante Gruppe statistisch erfaßt" wurde: die Frauen in den
Alternativbetrieben, ein wirtschaftlicher Sektor, der stetig wächst. Eine Prognose, die
angesichts des offiziellen" Arbeitsmarkts niemanden überraschen wird.
Auch deshalb genießen
Alternativbetriebe inzwischen gesellschaftliche Anerkennung. Eigeninitiative wird
gefördert. Nicht nur in Hessen und Berlin werden Staatsgelder zur Arbeitsplatzsicherung
bei den Alternativen locker gemacht. Die wissenschaftliche Bestandsaufnahme zum
Frauenanteil" in den Alternativbetrieben, zur geschlechtsspezifischen
Arbeitsteilung", zu den Kindern im Projekt" und den Wünschen für
die Zukunft" hat auch in dem Zusammenhang ihre Bedeutung.
Auf Seite 6 beschreibt Wilma Mohr die Schwierigkeiten, die sie als Feministin mit dem
Objekt-Verhältnis" bei Untersuchungen hat, die die herkömmlichen
Forschungsmethoden mit sich bringen. Neben dem Forschungsinteresse war es ihr wichtig, die
Frauen nicht als Rohmaterial" für sich zu benutzen, sondern eine
Arbeitsmethode mit den Frauen zu entwickeln, von der die Gruppe auch etwas hat: es
entsteht ein Buch. (Foto:
Fragebogenbesprechung) |