SCHWERPUNKT ENERGIEGENOSSENSCHAFTEN
Tradition mit Fortschritt
- den Energiemarkt durch Kooperativen beleben !!!
Seit über achtzig Jahren
halten eine Reihe kleiner
Elektrizitätsgenossenschaften gegenüber den Monopolisierungsdrang des Energiemarktes
stand und versorgen weiterhin vor allem ländliche Regionen mit Strom. Gleichzeitig gründen
sich immer wieder neue Energiegemeinschaften, um Selbstversorgung mit Wärme und
Elektrizität zu betreiben oder regenerativer Energieerzeugung zum Durchbruch zu
verhelfen.
Burghard Flieger, Red. Genossenschaften - Ist die Genossenschaft ein Auslaufmodell? Seit
Jahren wird diese Frage in den verschiedensten Varianten immer wieder zurecht gestellt,
weil die Gesamtzahl der Genossenschaften vor allem durch Fusionen, aber auch durch
Liquidation kontinuierlich abnimmt. Der Energiesektor zeigt allerdings, welche besonderen
Qualitäten in dieser Organisationsform stecken. Elektrizitätsgenossenschaften können
besonders im ländlichen Raum auf eine fast hundertjährige Tradition zurückblicken. Auch
neue Energiegemeinschaften greifen teilweise auf diese nutzen- und nicht
kapitalorientierte Rechtsform zurück. Energiegenossenschaften können insofern
hervorragend als Beispiel dienen, dass Tradition und Innovation in der gleichen Branche
genossenschaftlich organisiert neben- und manchmal auch zueinander stehen.
Vorreiter bei den Neugründungen waren
mehrfach Windenergiegenossenschaften. Der Spruch: "Wer Wind mäht, wird bei Neugründungen
einen Sturm verbreiten" (oder so ähnlich) hat bisher aber keine Geltung erlangen können.
Dennoch betont Prof. Dr. Harbrecht vom genossenschaftswissenschaftlichen Institut in Nürnberg
noch Ende letzten Jahres: "Die Genossenschaft ist eine Unternehmensform mit Zukunft.
Sie erfüllt alle Bedingungen, die heute bei Aktiengesellschaften vermisst werden. Sie
stellt den Mensch in den Mittelpunkt, nicht den Unternehmenswert, den shareholder
value."
Bürokratisch überfrachtet
Gleichzeitig räumt Harbrecht den
Genossenschaften im angelaufenen 21. Jahrhundert große Chancen nur ein, wenn es gelingt,
"dass mindesten so viele neue Genossenschaften gegründet werden, wie
verschwinden." Gegenüber der regionalen Zeitung Altmühl-Bote betonte Harbrecht in
einem Interview, dass dafür möglichst schnell die entsprechenden Voraussetzungen zu
schaffen sind. Sein deutlicher Wink an die Genossenschaftsverbände und den Gesetzgeber:
"Vor allem für Existenzgründer muss diese Rechtsform von unnötigem Ballast befreit
werden, beispielsweise in Form einer "Kleinen Genossenschaft", wie das bei
Aktiengesellschaften ja auch gelungen ist."
Trotz der bürokratische Überfrachtung der
Genossenschaft sind immer wieder Neugründungen zu verzeichnen. Sie stehen aufgrund ihres
besonderen Pioniercharakters bei dem Schwerpunkt Energiegenossenschaften im Vordergrund.
Der Einstieg erfolgt allerdings über eine der größten und erfolgreichen traditionellen
Elektrizitätsgenossenschaft, dem Geislinger Stromversorger Albwerk. Immerhin gehören 34.433 Haushalte zu deren Kunden. Vielfältige
Dienstleistungen, Kooperationen und erste kleine Ansätze in Richtung regenerative
Energieerzeugung bestimmen deren aktuelle Geschäftspolitik.
Beispielhafte Modelle
Die Versorgung einer Siedlung mit Fernwärme
ist zentraler Förderauftrag der beiden anschließend dargestellten Unternehmen. Bis zur
genossenschaftlichen Rechtsform war es für das Heizwerk Siederlerstraße
in Nürnberg ein langer konfliktreicher Weg, der durch den Konkurs des Vorgängerunternehmens
dann aber plötzlich sehr schnell in die Wege geleitet werden musste. Dagegen wurde das Holzhackschnitzel-Heizkraftwerk in Lieberhausen von seinen Initiatoren sehr
systematisch vorbereitet und die Selbstversorgung von Beginn an mit ökologischen Zielen
verknüpft. Dies gilt auch für die Agrarenergie
Roding eG, in der sich aber nicht die
Energienutzer, sondern Landwirte als Energieerzeuger zusammengeschlossen haben. Die
Verwertung landwirtschaftlicher Reststoffe wie Gülle, Schlempe und Futtergetreidekörner
ist neben der Energieerzeugung ein erfreulicher Zusatznutzen, der nicht zuletzt den
besonderen Modellcharakter dieser Genossenschaft ausmacht.
Die Verbindung von Ökologie und Feminismus
spielt für die Gründung der Hamburger Energiegemeinschaft Windfang eine zentrale Bedeutung. Sie ist bundesweit die
einzige Genossenschaft im Bereich der regenerativen Energiegewinnung, die ausschließlich
von für Frauen getragen wird. Ähnlich wie bei der anschließend geschilderten Lübecker
Windkraftgenossenschaft, kurz LüWi,
ist der Name allerdings irreführend. Das Spektrum beider Unternehmen beschränkt sich
nicht auf die Errichtung von Windkraftanlagen. Beispielsweise werden von der LüWi mit
ihren 255 MitgliederInnen ebenfalls eine Photovoltaikanlage sowie ein Blockheizkraftwerk
betrieben. Abgerundet wird der Schwerpunkt mit einer kritischen Reflexion über die
Grenzen, die mit dem Engagement in Form von Genossenschaften verbunden sind. Das ausführliche
Programm einer Tagung über Energiegenossenschaften verweist auf die Chance zur Vertiefung
des Themas.
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