WOHNUNGSLOSENPROJEKTE
Auf der Strasse (über)leben
Das Problem galt schon einmal als überwunden.
In einem der reichsten Staaten der Welt, der Bundesrepublik Deutschland, leben über
500.000 Menschen ohne Wohnung. Allein in Hamburg sind mindestens 1.200 Menschen obdachlos.
Sicherlich sind die Ursachen und die Erscheinungsbilder von Wohnungslosigkeit und somit
die Lösungsmöeglichkeiten unterschiedlich. Aber immer noch gilt der Grundsatz, den Carl
Zuckmayer im "Hauptmann von Köpenick" schildert: "Keine Arbeit, keine
Wohnung - keine Wohnung, keine Arbeit".
Erich Jungnickel, Redaktion Hamburg - Nach den Ursachen für Arbeits- und Obdachlosigkeit
fragt niemand. Eher herrscht eine Meinung vor, wie sie im Theaterstück "Kalte
Platte" des Obdachlosentheaters "Obdach-Fertig-Los" dargestellt wird:
"Aber die wollen das doch gar nicht andres, die Penner. Nicht arbeiten, Geld vom
Sozi. Und den ganzen Tag saufen. Waschen könnten die sich doch wenigstens mal." Als
wenn es so leicht wäre, ein bürgerliches Leben zu führen, wenn man Nachts auf
Heizungsschächten oder Parkbänken schläft. Der Absturz dahin ist schnell, wenn die
sozialen Bindungen reißen, der Weg zurück in ein normales Leben schwer wird und mit der
Dauer der Obdachlosigkeit immer schwerer. Man kann sich auch auf der Straße
"etablieren".
Der Staat denkt für die Wirtschaft, die
Innenstädte sollen sauberer werden für die, die auch kaufen wollen. Kein Hundekot mehr
auf den Wegen, keine Graffitis mehr auf den Wänden, keine Obdachlosen oder Junkies mehr
in den Einkaufsstraßen. Das "subjektive Sicherheitsgefuehl" der Bürger leide
unter "Treffpunkten von Randständigen" und unter "aggressivem"
Betteln, so der Hamburger Innensenator Wrocklage. Verbote sollen Abhilfe schaffen.
Seit einigen Jahren gibt es aber auch
Initiativen, die versuchen, den Teufelskreis zu durchbrechen. Teilweise als Erweiterung
klassischer Sozialarbeit, teilweise als Selbsthilfegruppen, wird versucht arbeiten zu
finden, die auch ohne Wohnung leistbar sind, oder andererseits Wohnungen für Menschen zu
finden, die wieder lernen müssen in "normalen" Wohnungen zu leben. Weit
verbreitet sind dabei die Straßenzeitungsprojekte, in denen Obdachlose etwas Geld
verdienen können, indem sie zu diesem Zweck produzierte Zeitungen verkaufen. Andere
versuchen wenigstens, das Leben auf der Strasse erträglicher zu machen. Eine warme
Mahlzeit, Duschmöglichkeit oder Kleidertausch können da schon viel beitragen, aber die
am weitesten abgestiegenen können nur an ihren Schlafplaetzen (den Platten) erreicht
werden. Und nur dort ist auch eine gesundheitliche Grundversorgung möglich. Dafür fährt
in Hamburg ein "Mitternachtsbus".
Aber auch die Mittagstische müssen gefüllt
werden, gerade, wenn der Staat im sozialen Bereich immer mehr einspart. Dabei gibt es
genug Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können, dürfen oder sollen. Sei es,
weil das Verkaufsdatum gerade abgelaufen ist, oder Frischware nicht mehr ganz frisch ist.
Die "Tafelbewegung" versucht, diese Lebensmittel zu sammeln und an die sozialen
Institutionen zu verteilen.
Schwerpunktthema auf den Seiten 6 bis 9