VERDRÄNGUNGSPOLITIK IN DÜSSELDORF
ZOFF um die Kiefernstrasse
Wer von der Kiefernstrasse in Düsseldorf
hört, denkt als erstes an die Hausbesetzerszene. Doch um die Strasse ist es ruhig
geworden. Politisch hat die Szene schon seit geraumer Zeit nicht mehr viel Schlagzeilen
gemacht.
Redaktion Heidelberg - Es hat sich hier ein multikulturelles Völkchen
angesiedelt, dessen wesentliche Gemeinsamkeit wohl darin besteht, dass es über wenig
Knete verfügt. Hier in der Kieferstrasse sind die Mieten nämlich noch sehr niedrig und
deshalb findet sich hier alles ein, was ansonsten vielleicht auf der Straße oder in
Obdachlosensiedlungen gelandet wäre: Sozialhilfeempfänger, Punks, kinderreiche
Familien...
Dem will CDU-Ratsfrau Annelies Böcker jetzt
ein Ende setzen. Unter dem Motto: "Aufwertung des Stadtteils durch soziale
Umgruppierung" wird alles, was arm ist, aus der Gegend verdrängt werden, denn die
neuen Mieten werden für diese Leute nicht mehr bezahlbar sein. Zitat Frau Böcker:
"Die Mieten werden steigen, keine Frage."
Zur Vorgeschichte: Seit 1995 tritt die
Schweizer Firma "Oronto" (Miteigner ist die Deutsche Bank) mit Ex-Innenminister
Herbert Schnoor als "geschaeftsführenden Berater" als Eignerin der Grundstücke
um die Kiefernstrasse auf. Geplant sind in der Gegend unter anderem ein
"Sega-Games-Erlebniswelt-Center", ein Wellness-Center, eine Grossraumdisco, Obi-
und Minimalmarkt und riesige Parkflächen. Dafür müssen sämtliche alten Gebäude
zwischen Kiefer- und Erkratherstrasse abgerissen werden.
Zur Zeit gehören die Haeuser der Stadt,
wobei die mit ungerader Nummer dem Sozialamt und die mit gerader Nummer der Verwaltung der
städtischen Wohnbaugesellschaft Düsseldorf (SWD) unterstehen. Der Verkauf dürfte sicher
der Stadtkasse heftig zugute kommen. Die jetzigen BewohnerInnen werden vermutlich
wegsaniert, denn ihnen fehlt wie immer die entsprechende finanzkräftige Lobby.
Die Kiefernstrasse ist tot!
Es lebe die Kiefernstrasse!?
Diese Pläne zum Platzen bringen will das
Kiefernstrassen-Plenum. Als erstes bot sich hierfür eine Sitzung der Bezirksvertretung
an. Für die Sitzung am 18. Januar erbat man sich daher auch ein Rederecht, um die Einwände
gegen das "Oronto-Projekt" und die mögliche Veräußerung der Häuser
vorzubringen und deutlich zu machen, dass die BewohnerInnen der Kiefernstrasse keineswegs
Willens sind, diese Vorhaben stillschweigend hinzunehmen.
Der Verlauf der Diskussion in der
Bezirksvertretung (BV) zeigte deutlich, dass von einer Interessenvertretung für die
betroffenen BürgerInnen nicht die Rede sein kann. Sie findet nicht statt und ist auch
nicht beabsichtigt: Einwände und Proteste gegen den Filz aus Politik, Verwaltung und
Kapital müssen wirkungslos abprallen, solange die Damen und Herren sicher auf ihren Stühlen
sitzen.
Ganz so glatt verlief die Chose dann doch
nicht. Gegen Ende der Sitzung kam es zu einem kleinen Eklat. Nachdem die alte Düsseldorfer
Koalition aus SPD und CDU das "Oronto-Projekt" schon fast abgenickt hatte,
stellte sich heraus, dass die Sitzung von Anbeginn an von Beamtinnen des polizeilichen
Staatsschutzes observiert worden war. Auf Nachfrage sagte die BV-Vorsteherin Koller (CDU),
sie wisse von nichts und dies sei ja normal, um hinterher der lokalen Presse zu
offenbaren, man habe die Polizei zu Hilfe gerufen, da auf der Kiefernstrasse Flugblätter
aufgetaucht seien. Da kommen ein paar BewohnerInnen der Kiefern zu einer Sitzung der
Bezirksversammlung, haben die versammelten Damen und Herren wohl gedacht, und beantragen
sogar Rederecht, dann müssen die doch etwas im Schilde führen. Und bevor etwas
Schlimmeres passiert, Protest vielleicht, gar Unmut ... schnell die Polizei herbeigerufen.
Diese Anekdote erinnert doch sehr an die
alten Zeiten, als die Kiefernstrasse regelmäßig von solcherlei finsterem Gesindel
behelligt wurde. Nun haben sich die Zeiten erheblich geändert, und an der Kiefernstraße
ist der Zahn der Zeit auch nicht spurlos vorbeigegangen. Und sicher hat sich die
"Straße" in den letzten Jahren nicht gerade als Fokus des sozialen Unfriedens
in den Vordergrund gedrängt. Doch wie es im Volksmund heisst: Man soll es nicht
beschreien ...
Quellen: Neusser Monat / terz, Düsseldorf
Aktuelles unter: www.kiefern.de