"VIETNAM VETERANS AGAINST THE
WAR" VOR DEM HEIDELBERGER NATO-HAUPTQUARTIER
Wer Widerstand leistet, ist der wahre Held!
Unter dem Motto "Stoppt die
Bombardierungen! - Nein zum Krieg gegen Jugoslawien!" fand am 24. April eine
Demonstration zum Nato- und US-Hauptquartier statt, an der sich ca. 600 KriegsgegnerInnen
beteiligten. Aufgerufen hatten das Heidelberger Bündnis "Stoppt die NATO - Nein zum
Krieg!", das Friedensplenum Mannheim und das Friedensbündnis Karlsruhe. Neben
weiteren RednerInnen (siehe Kasten Seite 10) sprach auch Dave Blalock, Mitglied
der "Vietnam Against The War" vor dem Hauptquartier, dessen beeindruckende Rede
wir nachfolgend dokumentieren:
"Seit einem Monat bombardiert die NATO
Jugoslawien mit ihren Massenvernichtungsmitteln, Tag für Tag. Und Tag für Tag und Stunde
für Stunde bombardieren die NATO-gesteuerten Medien seit einem Monat die Völker der Welt
mit den Bildern der Kosovo-Flüchtlinge und den Berichten von den "Ethnischen Säuberungen",
die die Serben durchführen.
Natürlich ist das Elend der Menschen im
Kosovo entsetzlich, für jeden Betrachter. Aber wenn ich die Krokodilstränen sehe, die
Leute wie Bill Clinton, Tony Blair, Chirac, Joschka Fischer, Schröder, Scharping, General
Clark und alle anderen NATO-Imperialisten vergießen, die sich heute für die neue
"Mutter Teresas" der Welt ausgeben, dann wird mir übel. Glaubt mir, nichts ist
schlimmer als die Tränen des Krokodils, das sein Opfer herunterwürgt.
Sie sagen, sie wollen den Menschen im Kosovo
beistehen gegen die "ethnischen Säuberungen", aber das ist gelogen. Die
Menschen im Kosovo sind denen egal. Das sind nur Spielfiguren, mit denen sie momentan ihre
Verbrechen an allen Völkern des Balkan rechtfertigen wollen. Woher weiß ich das? Sind
wir doch realistisch.
Wo waren die Mutter Teresas von der NATO,
als letztes Jahr die USA Raketenangriffe auf Afghanistan und eine Pharmafabrik im Sudan
flog? Nichts hat man da gehört, gar nichts.
Was tun die Mutter Teresas von der NATO
heute gegen die gewaltige humanitäre Krise im Irak? Schaut es Euch doch an. Seit dem Ende
des Golfkriegs vor acht Jahren sind eine Million Menschen, darunter 700.000 Kinder,
gestorben. Das waren keine natürlichen Todesursachen. Die sind an den Sanktionen der USA
und der UN gestorben, weil sie keine Lebensmittel und keine Medikamente bekommen haben. Im
Mai '96 beantwortete in einer Fernsehsendung über die Sanktionen gegen den Irak die Außenministerin
Madeleine Albright folgende Frage: "Eine halbe Million Kinder sind gestorben, mehr
als in Hiroshima. Ist dieser Preis gerechtfertigt?" Mit Todeskälte in der Stimme
sagte sie: "Ja, das ist es uns wert." Heute vergießt sie verlogen ihre
Krokodilstränen über das leid im Kosovo und gelobt, Serbien auf die Knie zu bomben.
Der NATO sind "humanitäre" Krisen
so was von egal. Wenn das nicht so wäre, dann würden sie doch die Sanktionen gegen den
Irak abschaffen.
Warum verlangen die Mutter Teresas von der
NATO nicht von der türkischen Regierung, daß Schluß sein muß mit der brutalen
ethnischen Säuberung der kurdischen Minderheit, die seit Jahren dort abläuft? Da sind an
die 40.000 Menschen umgekommen, und eine Million Kurden wurden in der Türkei aus ihrer
Heimat vertrieben.
Warum zwingen die Mutter Teresas von der
NATO nicht die von den USA unterstützte isrälische Regierung zur Beendigung der
ethnischen Säuberung, deren Opfer seit 50 Jahren die PalästinenserInnen sind? 750.000
PalästestinenserInnen im Nahen Osten leben immer noch in Flüchtlingslagern. Da sagen die
Heuchler von der NATO nichts dazu. Warum schauen die Mutter Teresas von der NATO nicht
nach London? Die britische Regierung hält seit Jahren Nordirland besetzt und unterdrückt
die katholische Minderheit. Irland ist Englands älteste Kolonie, und noch immer ist es
teilweise besetzt. Eine der ersten ethnischen Säuberungen, einer der ersten Völkermorde
im Europa der Neuzeit war die große Hungersnot, oder besser gesagt, die Aushungerung des
irischen Volkes durch das britische Empire in den 1840er Jahren. Was sagen sie dazu?
Wo wir schon bei der britischen Regierung
sind: da haben ja gerade Gerichte verfügt, daß General Pinochet nach Spanien
ausgeliefert werden kann, um dort vor Gericht gestellt zu werden, wegen der Folter und den
Morden an seinen Gefangenen in der Zeit, als er Diktator von Chile war. Das Witzige daran
ist, daß natürlich die USA Pinochets Machtergreifung 1973 finanziert und organisiert
haben, als der die demokratisch gewählte Regierung Salvador Allendes stürzte. Da wurden
tausende eingesperrt, und zehntausende umgebracht. Und was haben die NATO-Führer damals
gesagt oder getan? Gelobt haben sie Pinochet, daß er "die Demokratie gerettet
hat"! Warum reden die Mutter Teresas von der NATO nicht von den Polizeistationen in
den Großstädten der USA? Tagtäglich mißhandeln und töten die amerikanische Polizei
und die SWAT-Einheiten Schwarze, Angehörige von Minderheiten und Arme. Ist das etwa keine
"ethnische Säuberung", wenn die Regierung Clinton in ihrem Krieg gegen die
Armen Millionen Menschen die Unterstützung streicht und vom gesparten Geld dann Gefängnisse
baut? Amnesty International hat festgestellt, daß in den USA heute doppelt so viel
Menschen im Gefängnis sitzen wie vor vier Jahren. In keinem Land der Welt sitzen relativ
zur Bevölkerung mehr Menschen im Gefängnis als in den USA. In Amerika sitzen auch mehr
Menschen in der Todeszelle als in jedem anderen Land, nämlich 3.500, darunter der
politische Gefangene Mumia Abu-Jamal. Auch das möchte ich hier ansprechen: heute ist auch
der Tag, an dem Millionen für Mumia demonstrieren, und wir wollen nicht vergessen, daß
wir auch ihn vor der Hinrichtung bewahren wollen.
Warum nehmen sich die Mutter Teresas von der
NATO nicht das Gebäude der Einwanderungsbehörde in Washington vor? Diese Behörde unterhält
nämlich eine paramilitärische Polizei, die jedes Jahr mehr als 100.000 Menschen in den
USA mißhandelt, terrorisiert und deportiert. Ist das denn keine ethnische Säuberung?
Wo waren die Mutter Teresas von der NATO
1989, als die USA mit 25.000 Mann in Panama einmarschierten und 7.000 Zivilisten mit ihren
Bomben umbrachten, um ihren eigenen Präsidenten Manuel Noriega zu entführen? Genau das:
ihren eigenen Präsidenten, denn der war ihr Mann, aber dummerweise wollte er den Befehl
zur Unterstützung der amerikanischen Invasionspläne für Nicaragua nicht befolgen, und
da haben sie ihm dann gesagt: "Das war's." Seht ihr da die Parallelen zum Diktat
von Ramboulliet und der Dämonisierung von Milosevic? Wo waren die Mutter Teresas von der
NATO in den 80er Jahren, als die von den USA unterstützten Todesschwadronen in Nicaragua,
El Salvador und Guatemala Hunderttausende umbrachten? Und was ist mit Peru, Bolivien,
Argentinien, Kolumbien, Mexiko und den ganzen anderen Ländern Südamerikas, in denen die
USA "für Ordnung sorgen"?
Wo waren die Mutter Teresas von der NATO in
den 60er und 70er Jahren? Warum haben sie nicht drei amerikanische Präsidenten und die
Militärspitze wegen ihrer Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt? Die USA veranstalteten
schließlich eine der brutalsten ethnischen Säuberungen nach 1945. In Südostasien fielen
den amerikanischen Bomben, den Gifteinsätzen und den Bodentruppen auf ihren "search
and destroy missions" zweieinhalb Millionen Menschen zum Opfer, einfach so
umgebracht. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich war dabei. Heute noch sterben da die
Menschen, wenn wieder mal ein Blindgänger hochgeht, wenn sie auf eine Mine treten, oder
an den Folgen des chemischen Krieges.
Und Afrika? Laßt uns von Afrika reden. Von
der Unterstützung der NATO für die Apartheid von Südafrika, fünfzig Jahre lang. Von
Somalia, Nigeria, Ruanda, dem Kongo. Von der Sklaverei und den ethnischen Säuberungen.
Vom Völkermord an einem ganzen Kontinent, an einer ganzen Rasse, 500 Jahre lang, auf den
die Staaten, die heute in der NATO sind, ihren Wohlstand aufgebaut haben. Wenn wir davon
anfangen wollten, tagelang würden wir reden.
Tage würde es dauern, Wochen und Monate,
wenn man von all den Verbrechen und Greuel reden wollte, die die USA und ihre NATO-Verbündeten
begangen haben. Aber ich will mich kurz fassen. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs haben
allein die USA 200 offene und 6.000 geheime Militärinterventionen durchgeführt. Das hat
zum Tod von zig-millionen Menschen geführt. Ganze Länder, Familien und Kulturen wurden
vernichtet. Was sagen die Mutter Teresas von der NATO dazu? Nichts sagen sie dazu.
Heute geht es bei den US-geführten
NATO-Operationen in Jugoslawien nicht darum, Menschenleben zu retten. Es geht nicht um das
Recht der unterdrückten Menschen im Kosovo auf Selbstbestimmung. Es geht um das, wo es
immer drum geht. Großmächte wollen beherrschen: militärisch, wirtschaftlich und
politisch. Wenn sie Kosovo und Jugoslawien besetzen, dann wird das auch eine Gegend, in
der die Finanzbosse, für die die NATO eigentlich kämpft, eine Ausbeuterproduktion
aufziehen, große Plantagen im Besitz der Multis und hoch rentable Zinkbergwerke. Alles
mit dem Schweiß der Menschen des Balkan, und schwitzen werden sie, schwitzen bis auf die
Knochen, damit ein Milliardär in New York oder Paris oder Frankfurt oder London oder
Tokio ein paar Millionen Dollar oder Franc oder Mark oder Pfund oder Yen in seinen Geschäftsbericht
schreiben kann. Das ist das wahre Interesse und die wahre Investition in diesem Krieg.
Abschließend möchte ich mich an die
Menschen im Kosovo und an die Soldaten der NATO wenden:
An die Menschen im Kosovo: Überlegt Euch
folgendes: wenn die Regierung von Jugoslawien das Abkommen von Rambouillet unterschrieben
hätte und die albanische Bevölkerung des Kosovo nicht, und lieber selbst für ihre
Befreiung gekämpft hätte, was wäre dann passiert? Das kann ich Euch sagen: dann wäret
ihr jetzt das Ziel der NATO-Bomben. Ihr würdet die gleiche Counter-Insurgency zu spüren
bekommen, die die USA und ihre Verbündeten seit 50 Jahren in aller Welt anwenden. Euer Flüchtlingselend
wäre CNN genauso egal wie der übrigen Presse mit ihren Göbbels-Methoden. Wenn sie über
Euch berichten würden, dann nur, um zu schreien, wie recht die NATO hat, daß sie Euch
bombardiert, Eure Dörfer abbrennt, das Land von Euch säubert, denn für die wäret Ihr
Unterstützer des Terrorismus. Das sind Tatsachen. Millionen von Menschen auf dieser Welt
ist es so ergangen, seit unser furchtbares Geburtstagskind auf die Welt kam. Ich rufe Euch
zu, Menschen des Kosovo und Menschen der ganzen Welt: vergeßt das nie!
An die Soldaten: Wenn Ihr glaubt, daß die
NATO da draussen den Menschen auf dem Balkan helfen will, dann werdet Ihr Euch noch ganz
gewaltig wundern. Ich war selber im Vietnamkrieg, ich weiß, wie sie mich und Millionen
andere junge amerikanische Männer und Frauen benutzt haben, die Völker Indochinas zu
unterdrücken. Ich weiß, wie sie das Leid des vietnamesischen Volkes im Vietnamkrieg
benutzt haben, einer menschlichen Katastrophe, die sie selbst verursacht hatten, und heute
in Jugoslawien machen sie es genauso. Dieses Leid haben sie benutzt, damit wir es für
unsere Pflicht hielten, nach Vietnam zu gehen. Ich selbst habe ihrer Propaganda geglaubt,
und ich habe mich freiwillig gemeldet. Auch der derzeitige Oberbefehlshaber der NATO,
General Clark weiß das, denn seine Karriere fing in Vietnam an. Und dennoch wird er Euch
ohne jedes Zögern losschicken, damit Ihr für die Interessen der NATO tötet und für die
Interessen der NATO sterbt, die ganz bestimmt nicht unsere Interessen sind.
Viele von Euch werden im Krieg sterben, und
ich kann Euch versichern: es wird nicht schön und nicht ruhmreich sein. Wer von Euch überlebt,
der wird sich vielleicht wünschen, er sei gefallen. Dann bliebe ihm nämlich die
Erinnerung an das erspart, was er getan hat und was er gesehen hat. Ich träume immer noch
jede Nacht von den schrecklichen Dingen, die ich in Vietnam erlebt habe. Mehr als 75.000
Vietnam-Veteranen haben sich nach dem Krieg umgebracht, und ich kann sie verstehen. Ich
kann nur deshalb überleben, weil ich aus meinen Erfahrungen im Vietnamkrieg gelernt habe,
und das verdanke ich der damaligen und der heutigen Antikriegsbewegung, weil ich gelernt
habe, die Gehirnwäsche zu überwinden. Ich lebe heute dafür, daß ich meine
schrecklichen Erfahrungen berichte, um eine neue Generation von jungen Gehirnwäscheopfern
vor dem Glauben an die Lügen der Propaganda zu bewahren; sie sollen nicht für die Sache
des Imperialismus kämpfen. Friedrich der Große hat einmal gesagt: "Wenn meine
Soldaten das Denken anfingen, so würde mir nicht einer verbleiben."
Schließt Euch uns - der Antikriegsbewegung
- an! Schließt Euch uns - den Menschen der ganzen Welt - an, um für wahre Menschlichkeit
zu kämpfen! Wer Widerstand leistet, der ist der wahre Held!
Übersetzung: Mathias Kohler
Kontaktadresse: Stop The War Brigade,
Gaulstr. 36, D-67547 Worms, Tel. (01 77) 481 61 28, Fax über STWB (0 62 21) 16 44 89
Dave Blalock:
1968-71 in der US-Army, 1969-70 in der
Luftwaffe (First Aviation Brigade) in Vietnam, Mitglied der Vietnam Veterans Against The
War, von A.I. und der Stop The War Brigade.
RednerInnen vor dem NATO-Hauptquartier:
Die sofortige Einstellung aller
Kampfhandlungen wurde u.a. von Redner/innen der Vereinigung der Verfolgten des
Nazi-Regimes (VVN/BdA), des DGB-Arbeitskreises für Frieden und Entwicklung und des
Freidenkerverbandes gefordert.
Der Bundestagsabgeordnete der PDS Winfried
Wolf kritisierte die völlig einseitige und überzogene Propaganda im Bundestag wie in den
Medien und verurteilte die inakzeptablen Vergleiche der Ereignisse im Kosovo mit den
Greuel des Nationalsozialismus durch die Minister Scharping und Fischer, mit denen die
Verbrechen des deutschen Faschismus relativiert und verharmlost werden.
Die Sprecherin der "Serbischen Frauen für
den Frieden" berichtete über die drohenden langfristigen katastrophalen Schäden im
Kosovo wie im übrigen Land durch den Einsatz uranhaltiger Munition. Vietnam Veteranen
richteten sich auf englisch direkt an die dort stationierten Soldaten und erinnerten u.a.
an die verheerenden Folgen des Krieges und Embargo gegen den Irak für die Zivilbevölkerung,
wo seither nach UNO-Angaben mehr als 600.000 Kinder an den Kriegsfolgen starben.
Zum Schluß mahnte der Vertreter des AKAS
die Teilnehmer/innen, sich auf einen längeren Krieg einzustellen, da die NATO-Staaten zu
keinem Kompromiß bereit scheinen und sich offensichtlich auf einen allmählichen Übergang
zum Bodenkrieg rüsten.