Monatszeitung für Selbstorganisation
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STUTTGART 21: EINGEBETTETE JOURNALISTiNNENPure MachtdemonstrationenIn den frühen Morgenstunden des 14. Januar räumten etwa 1.900 Polizisten die Blockade am Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Die Polizeiaktion sollte deeskalierend wirken. Doch äußerst zweifelhaft war die Rolle der »eingebetteten« JournalistInnen. Von Peter Streiff, Redaktion Stuttgart # Hätten die so genannten Ordnungshüter mit möglichst wenig Aufwand die Baustelle am Südflügel absichern wollen, dann wäre das einige Nächte vorher einfach möglich gewesen. Doch die Absichten waren eindeutig: Die Deutsche Bahn wollte Fakten schaffen und die Baustelle vorantreiben. Und die Polizei wollte in den Medien als besonnen und deeskalierend wahrgenommen werden, im Gegensatz zum »schwarzen Donnerstag« vor gut einem Jahr. So deutete alles auf den Freitag, den 13. Januar hin. Mehrere hunderte BesetzerInnen waren vor Ort im »Café am Solarbahnhof«, die Musikkapelle »Lokomotive Stuttgart« sorgte für gute Stimmung. Doch das zahlenmäßig riesige Aufgebot von 1.900 PolizistInnen machte den BesetzerInnen schnell klar, dass sie wohl nur verzögern konnten. Nach der Volksabstimmung vom vergangenen November gab die grüne Partei ihren Widerstand gegen das Milliarden-Projekt Stuttgart21 fast vollständig auf. Die Worthülse von »konstruktiv kritisch begleiten« mutierte alsbald in betretenes Schweigen und Inaktivität der Landesregierung. Die Wahlversprechen, für Kostentransparenz seitens der Deutschen Bahn zu sorgen – geschenkt, die rechtlich umstrittene Mischfinanzierung überprüfen zu lassen – Fehlanzeige, ja: keiner der ehemals lauten grünen Politiker fand sich bereit, dem »womöglich größten technischwissenschaftlichen Betrugsfall der deutschen Geschichte« nachzugehen, obwohl die Fakten zur Kritik am Stresstest der DB auf dem Tisch liegen (vgl. auch Seite 6). Zurück zur Besetzung und deren angekündigten Räumung: Sowohl Landesregierung als auch die örtliche Presse nahmen es hin, dass die Polizei nur sechs Journalisten »erlauben « wollte, beim absehbaren »harten Kampf um den Südflügel« ganz vorn dabei zu sein. Nur »embedded«, also eingebettete und ausgesuchte JournalistInnen wollte der Afghanistan- erfahrene Polizeichef Züfle zulassen. Reine Willkür also. Die Gewerkschaft dju und auch die freien Reporter des Fernsehkanals Cams21 protestierten zwar umgehend, es half jedoch nichts: Die Stuttgarter Stadtverwaltung erließ ein Aufenthaltsund Betretungsverbot für den Mittleren Schlossgarten und die Polizei selbst installierte »rund ein Dutzend « Überwachungskameras am Hauptbahnhof. Dennoch konnten Cams21-Reporter die Besetzung fast durchgehend dokumentieren. »Eingebettet« nahmen hingegen die RedakteurInnen der Stuttgarter Zeitung etwas zu wörtlich, denn sie betätigten sich als wahre HellseherInnen. Unter großem Gelächter erfuhren die BesetzerInnen aus der druckfrischen Zeitungsausgabe um kurz vor Mitternacht, dass die Räumung friedlich abgelaufen sei, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht begonnen hatte. Dank Bildern von Cams21 berichtete auch das NDR-Satire-Magazin »Zapp« über diese äußerst peinliche, aber für Kopfbahnhof- FreundInnen nicht unerwartete Panne der Stuttgarter Zeitung. Noch ein aktueller Nachtrag: Am Sonntag, den 22. Januar folgte die nächste Machtdemonstration, obwohl die rechtliche Lage nicht endgültig geklärt ist: Die Polizei löste eine unbewilligte Demonstration am Wagenburgtunnel auf, die sich einer drohenden Baumfällung in den Weg stellte. Doch kurz nach Mitternacht bei Sturm und Regen heulten in Stuttgart unter Polizeischutz die Motorsägen! – live verfolgt auf cams21.de von teilweise mehr als 1.000 ZuschauerInnen. |
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