Monatszeitung für Selbstorganisation
|
AUF DER SUCHE NACH EINEM NEUEN STANDORT: DAS DRESDNER SOZIALE ZENTRUMVom Arbeitshaus zum Sozialen ZentrumDie Räumung zweier besetzter Häuser am Dresdner Martin-Luther-Platz war Anlass für die Gründung der Initiative für ein Soziales Zentrum (siehe CONTRASTE Nr. 244). Diese will nun das ehemalige Arbeitshaus auf der Königsbrücker Straße als Soziales Zentrum nutzen. von Paul Hering, indymedia - Nach der Räumung der besetzten Häuser war es still um das Bemühen um ein Soziales Zentrum geworden. Die Arbeit der letzten Monate fand im Stillen statt: Gespräche mit VertreterInnen der Stadtratsfraktionen, dem Ortsamt, sowie dem Liegenschaftsamt wurden geführt, verschiedene Immobilien wurden besichtigt, Rechtsformen- und Finanzierungsmodelle wurden erarbeitet, neue Initiativen und Vereine stießen zur Kerngruppe hinzu. Paul Hering, von der Initiative: "Seit der Räumung sind wir immer mehr geworden: der Internationale Garten, KünstlerInnen, die Radioinitiative, - gemeinsam werden wir das Soziale Zentrum verwirklichen." Nun ist es soweit: pünktlich zum Bieterschluss hat die Initiative für ein Soziales Zentrum am 19. April ein 35-seitiges Nutzungskonzept für das Gelände Königsbrücker Straße 117a/119 beim städtischen Liegenschaftsamt eingereicht. Im Konzept wird detailliert dargestellt, wie sich die Wandlung vom früheren Arbeitshaus zum Sozialen Zentrum vollziehen kann. Im Konzept gibt es Details zu den Beteiligten, zu der geplanten Nutzung, zu Rechtsform und Finanzierung, und zu den geplanten Sanierungsabschnitten. Gebotener Kaufpreis: ein symbolischer Euro. Das Gelände ist mit dem Hauptgebäude und den zahlreichen Nebengebäuden geradezu ideal für die angestrebten unterschiedlichen Nutzungsformen wie Bildhauerwerkstätten über Radiostudios bis hin zum Wohnbereich. Die Anlage des Geländes ermöglicht verschiedenste Nutzungsformen, und eine schrittweise Sanierung. Es bringt mit seiner Größe, seiner guten Anbindung an den ÖPNV und seiner fußläufigen Erreichbarkeit aus Hechtviertel und Äußerer Neustadt die richtigen Voraussetzungen für ein Soziales Zentrum mit sich. Selma Lindhorst von der Initiative: "Mit dem Nutzungskonzept sind wir der Verwirklichung des Sozialen Zentrums einen guten Schritt näher gekommen. Nun ist es an der Stadt, das ihrige zu tun." Paul ergänzt: "Wir freuen uns auf das Soziale Zentrum. So oder so." Neben der späteren Nutzung als Wehrkreiskommando, Bußgeldstelle und Vermögensamt, diente das Objekt Königsbrücker Straße 117a/119 ursprünglich als Arbeitshaus. Als es 1878 seinen Betrieb aufnahm, sollte es zunächst 190 männliche und 72 weibliche "Detinirte" (*) dazu anhalten, sich "sittlich zu bessern und thunlichst an eine Lebensweise zu gewöhnen, welche sie fähig und geneigt macht, sich und die Ihrigen durch Arbeit selbständig zu ernähren." Durch das Armenamt Dresden wurden hier "auf freiwilliges Ansuchen oder polizeiliche Empfehlung arbeitsscheue, arbeitsfähige, erwachsene Personen beiderlei Geschlechts, die durch Müßiggang, Liederlichkeit, Trunk- und Händelsucht hilfsbedürftig (arbeits- oder obdachlos) geworden sind und öffentliche Unterstützung in Anspruch nehmen, oder die Pflichten als Ernährer der Ihrigen vernachlässigen oder böswillig diese Pflichten nicht erfüllen", wie es noch in einem Adressbuch aus dem Jahre 1920 heißt. Mit unserem Projekt greifen wir die ganz spezifische Geschichte des Hauses auf. Gegen das Modell des Arbeitshaus des späten 19. Jahrhunderts, in dem sozial schwache Bürger gemaßregelt und weggeschlossen werden sollten, setzen wir unsere Vision eines Hauses, das Arbeiten und Leben verbindet, das Freiräume schaffen und so offen wie nur irgend möglich sein soll. Unser Ziel ist es, neue Wege in der Verknüpfung von sozialen, politischen und kulturellen Aktivitäten zu beschreiten. Die Häuser denen, die sie brauchen! (*) von detinere = auf-, zurück-, festhalten, abhalten, beschäftigen, fesseln, eine Zeit ausfüllen, vorenthalten, sein Leben fristen. Das Nutzungskonzept und eine Kurzversion davon sind auf der Website zu finden: www.soziales-zentrum-dd.de.vu |
Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser
Website an: CONTRASTE
|