JUGEND IN SELBSTORGANISIERTEN ZUSAMMENHÄNGEN
Jugendliche in Gemeinschaften
Die Spezies Jugend soll ja hierzulande mangels
Gebärfreudigkeit bald aussterben. Zuvor haben wir von der CONTRASTE-Redaktion
beschlossen, ein Streiflicht auf Befindlichkeit und Gedankenwelt der Jugend in
selbstorganisierten Zusammenhängen zu werfen. Das war nicht ganz einfach, weil
sich Artikelzusagen zuhauf in Absagen verwandelten - und das ziemlich
plötzlich. Schlussendlich ist aber doch eine interessante Mischung eingetroffen
: Stimmen von ehemaligen Kommunekindern, solchen, die es noch sind, einer
Zurückgekehrten und einem Fortgegangenen.
Lotta, Kommune
Niederkaufungen
Quelle: 20 Jahre Kommune. Momentaufnahmen aus Niederkaufungen
von Ariane Dettloff, Redaktion Köln - Als
Gemeinsames schimmern durch die Flexibilität, Offenheit, Kommunikations-,
Konflikt- und Kritikfähigkeit der in Gemeinschaft Sozialisierten. Eine
historische Jugendkommune wird in kurzen Selbstaussagen gegenübergestellt, und
wer Näheres über Jugendszenen des beginnenden 2. Jahrtausends n.u.Z. in
Erfahrung bringen will, kann sich an das Berliner Archiv der Jugendkulturen
wenden, das wir in diesem Schwerpunkt porträtieren. Leider fehlt ein Ausblick
in andere Kulturen (soll aber nachgeliefert werden). Ein angefragter Beitrag aus
den USA kam nicht zustande, weil "das Thema bei uns zu konfliktgeladen
ist".
Als jugendlich galt uns hier das Alter zwischen 12 und 25. Inhaltlich haben
wir den Begriff nicht definiert, schon gar nicht wie in der Jugendhilfe um 1880,
wo man darunter eine männliche Person aus der Arbeiterklasse zwischen 13 und 18
Jahren verstand, "der Tendenzen zur Verwahrlosung, Kriminalität und eine
Empfänglichkeit für sozialistisches Gedankengut" unterstellt wurde. Vor
dem 19. Jahrhundert gab es den Begriff so gut wie gar nicht und wenn, dann eher
negativ besetzt: "Jugend ist Trunkenheit ohne Wein" (so nachzulesen
bei Wikipedia).
Zeitgenössische JugendforscherInnen sehen eher den "privilegierten
Schonraum" als Kennzeichen der Jugendphase: Freistellung von Arbeit,
Familie, Ehe und Verantwortlichkeit sowie eine gewisse Autonomie der
Lebensführung. Traditionelle Gesellschaften - heute vor allem in Entwicklungs-
und Schwellenländern anzutreffen - formen dagegen keine Jugendphase aus und
unterstützen deren Ausbildung häufig auch nicht. Da Schule dort vielerorts
unbekannt ist und Jung und Alt keine getrennten Lebensbereiche haben, fehlen die
Grundlagen für ein altershomogenes Jugendleben. Die Gesellschaft insgesamt
verbindet dort noch Arbeit, Leben und informelles Lernen. Wenn Kinder dann über
genügend Erfahrungen und Wissen verfügen, wechseln sie direkt in den
Erwachsenenstatus.
Der Pragmatismus, der laut Shell-Studie in der hiesigen zeitgenössischen
Jugend vorherrscht, kommt in den CONTRASTE-Beiträgen weniger zum Vorschein.
Auch die übrigen Kategorien dieser Untersuchung nicht - was uns nicht wundert.
Es ist nicht mainstream, wer in selbstorganisierten Gruppen aufwächst - noch
nicht. Auch einen Ausruf wie den der Jugendlichen in der Bausparkassen-Reklame:
"Papi, wenn ich groß bin, will ich auch Spießer werden!" (weil Papi
unkonventionell und ärmlich wohnt und Eigenheimbesitzer als Spießer bezeichnet
hat) würde man von den im Schwerpunkt vertretenen Jugendlichen kaum zu hören
bekommen.
Oder sind, wie ein "Zeit"-Artikel konstatierte, "Normalos"
heute schon eine Randerscheinung in der Jugend? Gibt es mittlerweile mit 400 bis
600 "artificial tribes" nur noch den Mainstream der Minderheiten? Und
werden die Jugendkulturen im globalisierten Kapitalismus mehrheitlich von
Marketingabteilungen erfunden? Wir würden uns freuen, wenn Ihr, liebe
LeserInnen, mit eigenen Beiträgen oder LeserInnenbriefen reagiertet!
Schwerpunktthema auf den Seiten 7 bis 10
SCHWERPUNKTTHEMA
"Nicht nur die eigenen Eltern" Stimmen von Kommune-Jugendlichen aus
Niederkaufungen - "Es ist nie langweilig" Interview Villa Locomuna
Seite 7
Das Archiv der Jugendkulturen
Autentisches Material
Interview mit Klaus Farin
Seite 8
Eine "Kommune" genannte Wohngemeinschaft
Mein Leben in der Gemeinschaft Olgashof
Seite 9
Auszug und Rückkehr: "Mein Leben ist kreativer hier"
Historisches Streiflicht: Die Kommune der deutschen Jugendbewegung
Seite 10