Monatszeitung für Selbstorganisation
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Seite 9 Zum allgemeinen SelbsthilfebegriffBeim Versuch der Definition von Selbsthilfe sind wir auf die Schwierigkeit gestoßen, daß sehr unterschiedliche Ausprägungen von Selbsthilfe in der Praxis existieren: von Genossenschaften bis zu Organisationen der gegenseitigen Hilfe, von Alphabetisierungsprojekten bis zur Warenproduktion, von angepaßten bis zu Widerstandsprojekten. Dieses breite Spektrum unterschied sich in sehr vielen Merkmalen. So z.B. in ihrer Initiativentwicklung, ihren Zielsetzungen, ihrer inneren Organisation und äußeren Verflechtung mit den ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen, unter denen sie entstanden sind und weiter existieren. Generell soll unter Selbsthilfe zunächst verstanden werden, daß sich Menschen zwecks Erhalt oder Verbesserung ihrer ökonomischen und sozialen Lage unter selbstbestimmter Zielsetzung in einer selbstgewählten Form zusammenschließen. Zielsetzung ist zunächst die unmittelbare Befreiung von Not, denn die Subsistenzsicherung ist eine notwendige Voraussetzung der Selbsthilfe. Die Produktion wird im städtischen oder landwirtschaftlichen Bereich betrieben, sie orientiert sich an den eigenen Bedürfnissen und schließt sowohl Gebrauchswert wie auch Warenproduktion ein. In einem weiteren Sinne ist hierunter auch die kulturelle und politische Arbeit zu verstehen. Der innere Aufbau der Projekte zeichnet sich durch demokratische Prinzipien aus und nutzt den Gedanken der Kooperativität und Solidarität. Unsere Definition umfaßt bewußt sehr unterschiedliche Arten von Selbsthilfeprojekten, um nicht schon von vornherein per Definition bestimmte Typen auszuschließen, die eventuell ein noch nicht entdecktes dynamisches Potential bergen. Versuch der Typologisierung von Selbsthilfegruppen in ihrem Verhältnis zum Staat Selbsthilfeprojekte können wir nach den verschiedenen von uns genannten Merkmalen unterscheiden, wichtigste und hoffnungsvollste Kriterien sind dabei die Elemente des sogenannten dynamischen Potentials. Ökonomisch verankert sie zwischen den Polen kollektiver Subsistenzproduktion und kollektiver Warenproduktion. Selbsthilfeprojekte entstehen aus einer Notlage, die für die Teilnehmer die subjektiv schwerste Belastung ist, die aber in näherer Zukunft als lösbar erscheint. Bezogen auf ihre Dynamik durch ihr Verhältnis zum Staat, lassen sich folgende Typen festhalten: - Projekte im Windschatten des Staates, die noch unentdeckt sind, sich stabilisiert haben, aber mit keiner weiterreichenden Dynamik ausgestattet sind - integrierte Projekte, die vom Staat und seinem Interessenkonzept her unterstützt werden, sei es nun für ökonomische oder legitimatorische Zwecke - Widerstandsprojekte, die die Ursachen ihrer Misere angehen und sich dabei auch gegen den Staat wenden (müssen). Vom Wollen der Basis her erscheinen sie als die energiereichsten und konsequentesten. aus: Selbsthilfe - zum dynamischen Aspekt einer entwicklungspolitischen Kategorie. Studiengruppe "Selbsthilfeprojekte in der III. Welt, Univ. Bielefeld, Fakultät für Soziologie, Bielefeld, 1979 |
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