Monatszeitung für Selbstorganisation
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REPRESSION IN GIESSEN ESKALIERT:Bouffier'scher AusnahmezustandSpannender als im Fernsehkrimi: Vom 14.-18.
Mai 2006 spitzte sich im Giessener Raum eine Auseinandersetzung um die aktuelle
Sicherheitspolitik der hessischen Landesregierung und der CDU-geführten
Heimatstadt des Innenministers Bouffier auf absurde und teilweise dramatische
Art zu. Zeitlicher Ablauf im ÜberblickIn den ersten Maitagen kam es zu zwei Attacken auf die gemeinsame
Anwaltskanzlei der Innenminister von Thüringen und Hessen in der Nordanlage 37
in Giessen. Neben der inzwischen durch einen Gerichtsbeschluss bekannt
gewordenen Verteilung stinkender Flüssigkeit im Inneren wurde bei der ersten
Attacke Farbe an der Wand verteilt und Sprüche gegen die Innenpolitik der
Innenminister und speziell Skandale in Thüringen aufgesprüht. Wenige Tage später
wurde erneut Farbe an der neu gestrichenen Wand verteilt, zudem gingen etliche
Fenster zu Bruch. Polizeieinsatz und FestnahmenAm 14.5. frühmorgens wurden vier Personen im Bereich des Ortes Reiskirchen
festgenommen. Sie waren dort mit Fahrrädern unterwegs und hatten vor allem
Lebensmittel dabei, die sie aus Lebensmittelcontainern der Umgebung geholt
hatten. Während der Festnahme kam es zweimal durch absurde Polizeihandlungen zu
Gefährdungen von Personen. Im ersten Fall drängte ein Auto einen auf dem Fußweg
fahrenden Fahrradfahrer so ab, dass dieser mit dem Auto kollidierte. Im zweiten
Fall sprang der Fahrer eines Polizeiwagens aus dem fahrenden Wagen auf einen
Fahrradfahrer. Dem nun führerlos auf die nachkommenden zwei RadlerInnen
zufahrenden Auto konnte eine der beiden Personen nur noch knapp ausweichen und stieß
mit der offenen Fahrertür zusammen, die zuschlug und so glücklicherweise keine
Verletzungen entstanden. Das führerlose Auto fuhr dann noch etliche Meter
weiter bis es auf einen parkenden anderen Polizeiwagen stieß. Polizeigewahrsam, ED-Behandlung, VerhöreAlle vier Festgenommenen blieben etliche Stunden im Gewahrsam der Giessener Polizei, wurden verhört und erkennungsdienstlich behandelt. Zu keiner Zeit wurden irgendjemandem gegenüber Angaben gemacht, welche Verdachtsmomente vorliegen, dass gerade sie für Sachbeschädigungen in Frage kämen, die zudem nur pauschal behauptet wurden. Anhörung zum UnterbindungsgewahrsamWährend drei der Festgenommenen am Nachmittag des 15.5.2006 freigelassen wurden, wurde der Polit-Aktivist Jörg B. vor den Richter am Amtsgericht, Gotthardt (vormals selbst Polizist), geführt. Die Polizei beantragte einen mehrtägigen Unterbindungsgewahrsam. Dieser wurde von Richter Gotthardt genehmigt und der Betroffene in den Giessener Knast geschafft. Doch die sogenannte "Anhörung", immerhin ein grundgesetzlich geschütztes Recht, wurde zu einer Demonstration der Strategien von Giessener Polizei und Justiz: Lügen, falsche Verdächtigungen und Rechtsbeugung. Verzögern ...Das Amtsgericht ließ sich einen bemerkenswerten Trick einfallen, um die Beschwerde nicht bearbeiten zu müssen und Jörg B. damit im Knast zu belassen. Sowohl die Erfindung eines Befangenheitsantrags, den es nie gab, weil er untersagt wurde, ist eine Rechtswidrigkeit wie auch die damit begründete Verzögerung, denn selbst wenn es diesen Antrag gegeben hätte, wäre die Beschwerde aufgrund des wichtigeren Rechtsgutes (Freiheitsentziehung) vorrangig zu behandeln gewesen. Der Trick mit dem erfundenen Befangenheitsantrag ist dem Amtsgericht nicht versehentlich passiert, denn in der Beschwerde hatte der Betroffene als einen Grund für die Rechtswidrigkeit des Gerichtsbeschlusses zum Freiheitsentzug genau die rechtswidrige Untersagung des Befangenheitsantrages als einen Punkt angegriffen. Die Rechtsbeuger aus dem Giessener Amtsgericht benutzten nun ihre erste Rechtsbeugung, um damit die zweite zu legitimieren. Der Anwalt des Betroffenen legte mehrfach Protest gegen das Vorgehen ein, ohne dass das Amtsgericht seine Strategie veränderte. Verfügung des VerfassungsgerichtsAm 17.5.2006 platzte in den Ablauf die Überraschungsnachricht hinein. Das
Bundesverfassungsgericht verfügte einen Aufschub der Strafhaft von Jörg B.
wegen des laufenden Verfahrens. Der Betroffene hatte Verfassungsbeschwerde gegen
seine Verurteilung, in der er im Hauptpunkt verurteilt wurde, eingereicht. Er
wurde verurteilt, weil er sich gegen seine Verhaftung als Redner auf einer
Demonstration (während seiner Rede!) gewehrt haben sollte. Die Verhaftung
erfolgte ohne Vorwarnung und ohne vorherige Auflösung der Demonstration, worin
der Betroffene einen Verstoß gegen das Versammlungsrecht sah. Alle
Gerichtsinstanzen und die Staatsanwaltschaften hatten das Vorgehen der Polizei für
rechtens befunden, d.h. sie fanden Angriffe auf Demonstrationen ohne Grund und
ohne Vorwarnung für legal - ein typischer Fall des "Bouffierschen
Rechts", dass in Gießen und Hessen gilt. Aufgrund dessen musste Jörg B.
wieder auf freien Fuß gesetzt werden. |
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