Wo eine Villa ist, ist auch ein Weg:
Das Mietshäuser Syndikat
Die letzte Dekade war nicht gerade Hochzeit für
Baulöwen. Pleiten pflasterten ihren Weg: Die Holzmänner und Schneiders
scheiterten an Spekulationsblasen, kriminellen Machenschaften und dem langen Tal
der Baurezession. Übrig blieben Investitionsruinen und verzweifelte Anleger. Da
überrascht es, dass ausgerechnet für Selbstorganisation im gemeinsamen Wohnen
und politischen Leben zur selben Zeit Erfolgsstorys die Runde machen. Seit 10
Jahren blicken VeteranInnen der Hausbesetzungen und die einschlägige Szene
zunehmend ins Südbadische, wo ein Modell erst Häusle um Häusle und danach
Bundesland um Bundesland eroberte. Wir besuchten das Mietshäuser Syndikat in
Freiburg.
Von Kurt Regenauer und Dieter Poschen aus Staufen -
Was ist das denn wohl, ein Syndikat? Klingt so nach Mafia und Glücksspiel.
Diese Frage stand am Anfang eines Hintergrundgesprächs, das wir mit Doris,
Jochen und Stefan in Freiburg führten. Immerhin gingen die Weltkongresse
"des Syndikats" von 1945 und 1946 in die Geschichte ein, als die Cosa
Nostra in Havanna tagte. Aber unsere GesprächspartnerInnen winkten ab. Nix
Mafia - stinknormaler Kapitalismus ist angesagt und das Mietshäuser Syndikat
bedient sich einfach marktgängiger Bewegungs- und Organisationsformen, um
eigene politische Inhalte zu verfolgen - "neuer Wein in alten Schläuchen"
gewissermaßen.
Rein ökonomisch definiert sich ein Syndikat als eine Art Normen- und
Typenkartell, also ein Zusammenschluss selbstständiger Unternehmen zur
Verfolgung gemeinsamer Ziele. Im europäischen Ausland ist der Begriff gang und
gäbe, bezeichnet er schließlich auch das, auf was anarchistische Klassiker dem
Französischen entlehnt als Ordnungsweise des Wirtschaftslebens anzielten: eine
Art Gewerkschaft der Arbeiterräte in ihrer Urform - sowohl kämpferisch, als
auch antiautoritär.
Solche theoretischen Vorüberlegungen fechten die FreiburgerInnen indes nicht
an. Ein bisschen von all dem mag wohl auch dabei sein. Ihr Syndikat sehen sie
hingegen in unserem Gespräch in seiner rein formalen Wirkungsweise eigentlich
als nichts anderes als eine "erzkapitalistische Holding". Und das mit
beachtlichem Erfolg: der Verein "Mietshäuser Syndikat" hält
mittlerweile gemeinsam mit bald 19 anderen Hausvereinen ganz großen oder auch
kleineren Kalibers Anteile an ebenso vielen GmbHs, die die entsprechenden Haus-
oder gar Fabrikobjekte besitzen und diese Idee mit tatkräftiger Unterstützung
sowie mittels eines Solidarfonds nach dem Prinzip der konzentrischen Kreise
inzwischen immerhin bis nach Berlin und Norddeutschland ausgebreitet haben.
Auch Fachleute des Genossenschaftsbereichs wie etwa unser Freiburger
Redakteur Burghard Flieger sehen im Syndikat ein beachtliches Modell, weil es
sich "kreativ wie eine dezentrale Genossenschaft nach dem ursprünglichen
Genossenschaftsgedanken organisiert" (so in einem Interview mit der
Syndikatszeitung "Synapse") und im Gegensatz zu so manch anderen
Wohngenossenschaften, die sich aus besetzten Häusern entwickelt hatten, eine Außenwirkung
zur Entwicklung neuer Projekte entfaltet.
Da muss es denn mal eben nicht mehr unbedingt in einer relativ unbeweglichen
Genossenschaftssatzung stehen, dass (Teil)privatisierungen unmöglich sind, wo
einfach die Eigentumsverhältnisse dem Syndikatsverein ein "Wächteramt"
übertragen.
Spargelder in die Bewegung
Das Freiburger Modell wurde erst so richtig bekannt, als das damalige
Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen den wichtigsten Finanzierungsarm der
Syndikatsprojekte, sogenannte "Direktkredite", vor drei Jahren
kritisch unter die Lupe nahm. Die Häuser werben in ihrem unmittelbaren Umfeld
um Sparstrümpfe und u.U. auch einmal größere Projektreserven, die eben nicht
auf irgendwelchen anonymen Konten versauern sollen, sondern direkt in Bewegung
und in die Bewegung eingebracht werden können: solidarische und direkte
Geldbeziehungen, die durch eine treuhänderische Sammelgrundschuld abgesichert
sind.
Das Fernsehmagazin "Monitor" schaltete sich mit einem Beitrag ein
und brachte enorme Publicity: die Bedenken der Kreditwächter konnten zerstreut
werden. Und so kam also eher noch mehr Bewegung in die Bewegung...
Bewegung brauchen derzeit auch die drei Häuser, 4 Bauwägen, 13
Wohngemeinschaften und 110 BewohnerInnen der Schellingstrasse in Tübingen. Das
Syndikatsprojekt kümmert sich seit Jahren um Instandhaltung und Bewirtschaftung
der Objekte, die der Besitzer (das Studentenwerk) verfallen ließ.
Vollständige Selbstverwaltung durch Kauf nach dem Syndikatsmodell wird
angestrebt - das Studentenwerk verlangt jedoch einen unangemessenen
"Apothekerpreis". Also wurde demonstriert: am 8. November in Tübingen.