Die ufaFabrik in Berlin-Tempelhof wird 25
Die Stadt der kurzen Wege hat Geburtstag
Üben, üben, üben, - so werden Träume
wahr...
Es war so etwas wie ein Gründerzeit-Boom, was
sich in
den Jahren 1978/79 in Berlin und anderswo ereignete.
Nach dem "Deutschem Herbst" in Stammheim/
Mogadischu 1977 und dem Westberliner
Tunix-Kongress zu Anfang 1978 ging es so richtig zur
Sache. Die KritikerInnen nannten das, was sich überall
in Form der neu entstehenden "Alternativbewegung"
ausbreitete, entweder reformistische Angepasstheit
oder Kapitulation vor den herrschenden Zuständen,
Flucht aus dem nötigen Kampf gegen das kapitalistische
System. Vergessen wurde meist, dass zuvor, - im
Ghetto des revolutionär-militanten Kampfes in der BRD
gegen die Täter-Gesellschaft, die Auschwitz
hervorgebracht hatte -, viele gut gemeinte Projekte in
Mord, Knast und Verrat gescheitert waren. Es kann
dieser 1978er-Bewegung mancherlei Kritisches ins
Stammbuch geschrieben werden, eines allerdings nicht:
dass sie nicht die Ärmel hochgekrempelt und nach 1977
etwas neues geschaffen oder alt-neues wiederbelebt
hätte. Zu den vielen Jubiläen, die die Alternativen
mittlerweile begehen können, gesellt sich nun auch die
Berliner ufaFabrik.
Thomas-Dietrich Lehmann, Redaktion Selbstorganisierte
Lebensgemeinschaften - Auch wir von CONTRASTE liefern unseren Blumenstrauß
ab, sagen: Herzlichen Glückwunsch, GenossInnen! Und: Auf die nächsten 25!!
Wir haben uns auf die Socken gemacht auf diesem 18.000-qm-Gelände des
ehemaligen UFA-Filmkopierwerks, einer Stadt der kurzen Wege, haben geguckt und
gefragt, recherchiert, was ihr zu bieten habt, real und medial, und
herausgekommen ist ein hoffentlich anregender CONTRASTE-Themenschwerpunkt für
diesen Monat. Schon gedrucktes ist dabei, wie die Auszüge aus einem Gespräch
mit Juppy - der lebendigen, manchmal skurilen, aber immer unterhaltsamen und
medienwirksamen Personalityshow der ufaFabrik (Alles Liebe dir, Juppy!), aber
auch Einsichten in die etwas verborgenere Welt der Ufa-Kommune (Interview mit Bärbel
Dachtler) und natürlich Überblicke über's Gelände mit seinen derzeitigen
Betrieben und Ausblicke aufs Jubiläum rund um den 9. Juni 2004 (Artikel von
Sigrid Niemer).
Es kommen Seiten dieses alternativen Groß-Projektes zum Vorschein, die
vielleicht eher unbekannt sind, wie die Tatsache, dass hier nach wie vor eine
der ältesten bundesdeutschen Kommunen existiert (gegründet 1972), eingebunden
in ein Netzwerk der politischen Kommunen in Deutschland ("Kommuja"-Netz).
Wer weiß schon, dass ein Veteran des 20.ten Jahrhunderts hier mit 78 Jahren in
die Kommune einstieg, 16 Jahre lang hier lebte und mitarbeitete, sogar
versuchte, sie um eine lebenswerte Alterskommune zu erweitern. Walter Hinze
(Portrait von Bärbel Dachtler) hat das leider nicht erleben können, das
Projekt stagniert, - und bleibt doch ein gesellschaftspolitisch dringliches
Experiment. Walter starb mit 94 Jahren in der Ufa-Kommune.
In vielem, was heute gängige linksalternative Mainstreamkultur ausmacht,
waren die "ufas" durchaus VorreiterInnen und blicken in Sachen Ökologie
und Nachhaltigkeit auf die langjährigste Erfahrung in diesem Lande zurück. Und
wo immer ein alternativer Circus aus dem bundesdeutschen Boden sprießt und
Kinder in Berührung kommen mit der Welt der Artistik stand wahrscheinlich der
ufaCircus und seine Circusschule Pate.
Mich erinnert übrigens das Outfit des ufa-Geländes und die Offenheit vieler
seiner BewohnerInnen an ein Stück von Ton Steine Scherben, die hier regelmäßig
gastierten, der alten "fabrik" verbunden aus Kreuzberger Tagen: Wir
sind die Zukunft, / Wir sind die Antwort, / Wir sind die Helden. / Wir - die
Millionen Unbekannten! / Und was wir wollen, / wird morgen wahr! - (Ton Steine
Scherben. Wovon träumst du?)
Aber um auf die zu Beginn erwähnten KritikerInnen zurückzukommen: Politisch
wäre zu diskutieren, ob der Entwurf einer "Politik der ersten Person"
in den Entwicklungen nach "1989", nach den "Versammlungen im
lacandonischen Regenwald", nach den militanten Gesten des "Volkes von
Seattle", nach Toni Negris und Michel Hardts "Empire" und den
Versammlungen von Porto Allegre und Mumbai als "Nischenpolitk" überholt
ist, oder ob hier die vielzitierte "konkrete Utopie" im Sinne Ernst
Blochs ein Stück vorangekommen ist? Das mag jede und jeder selbst beantworten
und dann in die linken Diskurse einspeisen.
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10.