PHOTOVOLTAIKGENOSSENSCHAFTEN
Energiewende mit Bürger-Energie
Gerhard Mester
Seit zwei Jahren lässt sich in der
Bundesrepublik ein kleiner Gründungsboom bei den Energiegenossenschaften
beobachten. Schwerpunkte liegen eindeutig im Bereich Photovoltaik und an zweiter
Stelle folgen Genossenschaften im Bereich der Nahwärmelieferung, teilweise
verbunden mit deren Erzeugung. Hintergründe sind das Energie-Einspeise-Gesetz
(EEG) und die Freistellung der Genossenschaft von der Prospektpflicht. Der
vorliegende Schwerpunkt Energiegenossenschaften konzentriert sich auf Ansätze
im Bereich Photovoltaik. Hier zeichnet sich eine Bürgerbewegung ab, bei der die
spannende Mischung von ökonomischen, ökologischen, und sozialen Motiven
erfolgversprechende Grundlagen für eine dezentrale Energieversorgung schafft (www.energiegenossenschaften-gruenden.de).
Burghard Flieger, Red. Genossenschaften # Die in
den letzten Jahren entstandenen Photovoltaikgenossenschaften, rund 150 in
Deutschland, unterscheiden sich durch ihre grundsätzliche Ausrichtung und die
eingebundenen Akteure. Auffällig sind drei Grundtypen, die bei der Umsetzung
viele Überschneidungen aufweisen: die bürgerschaftlichen, die
sozialökologischen und die organisatorisch-institutionellen
Photovoltaikgenossenschaften. Der Einstieg in den Überblick erfolgt über einen
sozialökologischen Vorreiter. Innerhalb der Solarszene sind diese eher Exoten.
Durch ihre solidarökonomische Ausrichtung erhalten sie aber zu Recht mehr
Aufmerksamkeit als andere Solargenossenschaften.
Global-gemeinschaftliches Konzept
Die Münsteraner fairPla.net eG verknüpft seit Anfang 2007 den Bau von
Stromproduktionsanlagen mit einem genossenschaftlichen Organisationsrahmen. Ihre
GründerInnen und Mitglieder sehen Energieerzeugung, wechselseitige Solidarität
und Klimaschutz im globalen Zusammenhang. Das drückt sich unmittelbar in den
Projekten aus, die sie finanzieren: neben Photovoltaikanlagen in Deutschland
beispielsweise ein Biomasse-Dorfkraftwerk in Bihar, einer der ärmsten Regionen
Indiens. Bei der Umsetzung lässt sich fairPla.net von einer durchdachten
Investitionsstrategie leiten: 75% der Genossenschaftsanteile werden in
Erneuerbare-Energieanlagen und potentiell auch in Energieeffizienzprojekte in
Deutschland investiert, 15% in nachhaltige Energieund Entwicklungsprojekte in
Armutsregionen.
Gegenstück dieser sozialökologisch motivierten Globalisierung ist der
Slogan: »Odenwälder investieren in den Odenwald.« Mit dieser Philosophie
macht gegenwärtig die Energiegenossenschaft Odenwald bundesweit auf sich
aufmerksam. Von ihrer dynamischen Entwicklung kann viel gelernt werden. Sie
verfolgt eine regionale Energieversorgung durch regionale, rückgebundene und
vernetzte Strukturen. Im Mittelpunkt des Erfolgskonzepts steht die Einbindung
sehr unterschiedlicher Zielgruppen – Bürger, Städte, Gemeinden und
Unternehmen. Die Energiegenossenschaft Odenwald präsentiert in idealer Weise
die Bündelung eines regionalen bürgerschaftlichen Engagements.
Kirchturmprinzip neu gedacht
Nach dem Motto »Jedem Dorf seine Energie eG« verfolgt die Friedrich-Wilhelm
Raiffeisen Energie eG noch wesentlich ausgeprägter ein kleinteiliges Konzept.
Vorbild sind die Aktivitäten von Friedrich-Wilhelm Raiffeisen. Zu seiner Zeit
befand sich der ländliche Raum in einer schier ausweglosen Situation. Die Not
machte Raiffeisen erfinderisch. Als beispielhaft erwies sich seine Entwicklung
und Verbreitung des genossenschaftlichen Systems nach dem Kirchturmprinzip.
Genossenschaften funktionieren nach seinem Selbstverständnis nur in
überschaubaren lokalen Strukturen. Entsprechend stellen die Initiatoren dieser
Energiegenossenschaft ihren sehr ausgefeilten Ansatz – Zuordnung der
Verzinsungen zu jeder einzelnen Anlage – preisgünstig zur Verfügung. Ziel
ist die massenhafte Vervielfältigung.
Eine Weiterentwicklung bisheriger energiegenossenschaftlicher Ansätze stellt
die erste Wärme- Strom-Gemeinschaft eG dar als zukunftsträchtiger Baustein –
neben den bereits existierenden und im Einsatz befindlichen
Bürger-Solar-Anlagen. Sie verfolgt das Ziel, Haushalten und Betrieben eine
umweltverträgliche und effiziente Energieversorgung möglichst kostengünstig
zu verschaffen. Ökonomie und Ökologie sollen sich zum Klimaschutz verbinden.
Umgesetzt wird dies durch Beratung, Contracting und eigenständige Installation
von Miniblockheizkraftwerken. Gegenwärtig noch ein schwieriger, aber schon bald
ein unverzichtbarer Ansatz, um Energieversorgung dezentral und im Idealfall
sogar autark zu gestalten.
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10