MITGLIEDERFÖRDERUNG STATT KOMMERZIALISIERUNG
Kulturgenossenschaften
Leuchttürme zukunftsfähiger Kultur
Der singende Mann (1928), Ernst Barlach,
Kunsthalle zu Kiel – wurde mit der Software der
Kulturgenossenschaft »digiCULT« erfasst. Die Bilder werden im Internet u.a.
auf www.museen-nord.de publiziert.
Die Kultur in Deutschland befindet sich im
Umbruch. Das ist immer der Fall, bedingt durch den ständigen kulturellen Wandel
aller modernen Gesellschaften. Zusätzlich wird der gegenwärtige Umbruch aber
massiv verschärft durch anstehende erhebliche Kürzungen in weiten Teilen der
Kultureinrichtungen. Privatisierungen, Sponsorensuche und unterschiedliche
Formen der Kommerzialisierung sind die Folge. Lassen sich dafür nicht andere
Formen finden? Könnte in vielen Fällen nicht auch bürgerschaftliches
Engagement eine Alternative zum (Aus-)Verkauf kultureller Einrichtungen sein?
Kulturgenossenschaften wären eine solche denkbare, in Deutschland bisher stark
vernachlässigte Perspektive. Der vorliegende Schwerpunkt ist eine erste
Annäherung an dieses Thema.
Burghard Flieger, Red. Genossenschaften # Dem
Begriff Kulturgenossenschaften kann ein breites Spektrum in sehr
unterschiedlichen Bereichen wirtschaftlich tätiger Genossenschaften zugeordnet
werden, deren Mitglieder oder Beschäftigte dem kulturellen Sektor zuzurechnen
sind. Insofern beinhaltet die Bezeichnung Kulturgenossenschaften eine Zuordnung
zum Kultursektor, in dem diese Genossenschaften wirtschaftlich agieren.
Unterscheiden lassen sich u.a.:
1. Kulturgenossenschaften bürgerschaftlichen Engagements,
2. Professionelle Kulturgenossenschaften sowie
3. Genossenschaftliche Unterstützungseinrichtungen für Kultur.
Nur die professionellen Kulturgenossenschaften können
produktivgenossenschaftlichen Charakter aufweisen, während der stärker
verbreitete hilfsgenossenschaftliche Charakter für alle drei Ansätze in Frage
kommt.
Produktivgenossenschaften sind es, wenn zumindest ein nennenswerter Teil der
Mitglieder auch Beschäftigte der Genossenschaft sind oder über diese
regelmäßig bezahlte Arbeit erhalten, die nicht in irgendeiner Form der
Selbständigkeit oder Subunternehmerschaft ausgeführt wird. Der hilfs- oder
fördergenossenschaftliche Charakter ist gegeben, wenn die Mitglieder über
diese Genossenschaften Leistungen beziehen oder einbringen, die der ergänzenden
Unterstützung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit oder ihrer Reproduktion bzw.
ihres Kulturkonsums im weitesten Sinne dienen.
Beispiele mit Tradition
Der Schwerpunkt Kulturgenossenschaften startet mit einem Hintergrundsaufsatz.
Dieser geht auf mögliche Hintergründe für das erwachende Interesse an dem
Thema Kulturgenossenschaften ein. Gleichzeitig werden erste sich abzeichnende
Schwerpunkte bei den bisher vorhandenen Kulturgenossenschaften aufgezeigt.
Naheliegenderweise hängt die Zuordnung auch von dem jeweiligen
Kulturverständnis ab: Wie weit oder wie eng wird der Kulturbegriff gezogen?
Sind Bildung und Qualifizierung oder Printmedien und Verlage dem Kultursektor
zuzurechnen?
Im weiteren Teil des Schwerpunkts geht es um die Darstellung praktischer
Beispiele. Der Einstieg erfolgt anhand einer Genossenschaft mit Tradition, der
Künstlergenossenschaft »Kunst + Bau« in Dresden. Immerhin hat sie bereits ihr
50jähriges Bestehen gefeiert. Gegründet wurde sie im Sommer 1958 von einer
handvoll Künstler, die gerade ihr Studium beendet hatten. Sie suchten
zielstrebig nach Arbeitsorten und -möglichkeiten, um ihr Können anzuwenden und
um sich an den großen Veränderungen und dem Aufbau der Kultur im Lande zu
beteiligen. Ergänzt wird dieses Beispiel durch die gegenwärtig älteste noch
bestehende Kulturgenossenschaft in Deutschland, dem »Theater Ansbach – Kultur
am Schloss eG«. Sie blickt auf das stolze Gründungsdatum 1919 zurück.
Unterstützungsstrukturen
Nach der Tradition stehen aktuelle Gründungen im Mittelpunkt. Unter den
Ansätzen mit bürgerschaftlichem Engagement kommt dem gemeinnützigen
Programmkino Aalen eG, einer ehrenamtlichen Kinogenossenschaft, die
Vorreiterrolle zu. Sie »reizt« bereits in mehreren Städten zur Nachahmung.
Von den genossenschaftlichen Unterstützungseinrichtungen für Kultur werden die
Genossenschaften »Berlin Music Commission« und »digiCULT-Verbund«
dargestellt. Erstere versteht sich als übergreifendes Netzwerk der Musik- und
Veranstaltungsbranche Berlins. Die »digi- CULT« entwickelt für Museen in
Schleswig-Holstein ein digitales Gesamtkonzept zur Dokumentation der
Museumsbestände. Kultur wird so für jedermann zugänglich, eine
Zukunftsaufgabe von Kulturpolitik.
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10