"kein mensch ist illegal"
Selbstbestimmt
gegen Abschiebungswahn
Sand im Getriebe. Aktionen gegen das Anlegen
des Lagerschiffes für Flüchtlinge.
Köln, Dezember 2002 Foto:
arbeiterfotografie.com
Wer sich die Landschaften des Widerstands und
die
darin im öffentlichen Interesse stehenden Zentren
politischer Bewegung anschaut, stößt hinter den
Fassaden auffallend oft auf einen Abklatsch dessen,
was herrschaftsförmige Gesellschaftsformen schon
immer auszeichnet: verfestigte Hierarchie und
Absicherung der Führenden u.a. durch Taktieren und
Manipulation. Die Folgen: "Monokultur" und schließlich
Aufweichung emanzipatorischer Ziele. Der Verlust an
Radikalität und Vielfalt wird wohl gerne hingenommen,
wenn die scheinbar große wärmende Decke einer
sogenannten Massenorganisation winkt. In dieser
Ausgabe stellt CONTRASTE eine gelebte Alternative
vor. Das antirassistische Netzwerk "Kein Mensch ist
illegal!" ist ein Beispiel für eine emanzipatorisch
organisierte Form der Widerständigkeit.
von Michel Deutschewitz, Redaktion Köln - Dies
wird schon mit Blick auf die Öffentlichkeitsarbeit des Projekts direkt
deutlich: Ewig gleiche SprecherInnen sucht mensch ebenso vergeblich wie auf Führungsstruktur
ausgerichtete Gremien und Instanzen. Die "Leitmotive" der politischen
Arbeit entspringen so auch nicht übergeordneten VordenkerInnen, sondern dem
gemeinsamen Bedürfnis, Rassismus und Aussortierung von Menschen nicht länger
widerstandslos hinzunehmen. Um selbstbestimmte und unabhängige Politik
praktisch werden zu lassen, hat sich das Netzwerk "immun gemacht"
gegen "realpolitisch" agierende Lobbyvereinigungen und "süße"
Gelder von der öffentlichen Hand.
Dass es auch ohne festangestellte Funktionäre und staatliche Fördermittel möglich
ist, dem rassistischen Normalzustand eine gehörige Portion Sand ins Getriebe zu
schmeißen, zeigt die Kampagne mit beachtlicher Kontinuität schon seit geraumer
Zeit. So vielfältig wie der Widerstand sind auch die Menschen der
antirassistischen Gruppe. Einig sind sie sich in der unbedingten Notwendigkeit
zum Widerstand gegen eine sich immer mehr offen nationalrassistisch und
antisemitisch gebärdende Gesellschaft. Dabei stellt die Zusammenarbeit und der
Dialog mit von der rassistischen Praxis direkt Betroffenen einen Schwerpunkt
dar. In Analyse wie in der Praxis geht "kein mensch ist illegal"
erheblich weiter als das Gros der antirassistischer Organisationen. Während
sich viele Gruppen dieses Spektrums auf Rückzugsgefechte begeben haben, nur
noch dass vielleicht erreichbare Minimalziel anvisieren, haben viele Aktionen
des "kein mensch ist illegal"-Netzwerks ebenso eine widerständige
Vision und Utopie von Gesellschaft zum Ziel. Klüngelei mit Politikern gibt es
hier ebenso wenig wie den Missbrauch des Netzwerks für die Ziele politischer
Profilierung von parteiähnlichen Organisationen und NGO's. Auch diesbezüglich
ist "Immunität" eine wichtiges Werkzeug für kreativen und
emanzipatorischen Widerstand!
Also Hände weg von der "Realpolitik"?! - Ja!, denn gerade das
zeichnet eine selbstorganisierte, nichthierarchische politische
Organisationsform aus, sonst droht die systemkonforme Übernahme!
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10