Monatszeitung für Selbstorganisation
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SOZIALFORUMBunter Event oder politischer Prozess?
Das 3. Sozialforum in Deutschland (SFiD) fand vom 15. bis 18. Oktober im Wendland statt. Leider kamen weniger Menschen als erhofft nach Hitzacker. Und es war nicht das große Forum, das die Linken so dringend bräuchten, um gemeinsam Politikwirksamkeit zu mehren – so jedenfalls das Ergebnis der Auswertungsgruppe. Fünf AutorInnen blicken zurück, erinnern sich an spannende und interessante Veranstaltungen, die gute Stimmung und das feine Kulturprogramm und beurteilen Ansprüche und Ergebnisse des Treffens sozialer Bewegungen. Von Peter Streiff, Redaktion Stuttgart # Eine andere, eine solidarische Welt ist möglich! – diese Atmosphäre war spürbar in Hitzacker, wie mehrere AutorInnen unseres Schwerpunkts beschreiben: In einem »angenehmen Ambiente«, das vor allem »engagierten WendländerInnen zu verdanken war«, »wurden wir erstmals von einer Volxküche versorgt«. Dieses »besondere Flair« veranlasste beim Abschlussplenum selbst den inzwischen hemdsärmeligen Berufsgewerkschaftsfunktionär zur Aussage, es sei notwendig, »den eigenen Schrebergarten zu verlassen«. Der stimmungsmäßige Erfolg wurde jedoch durch die relativ geringe Zahl von 500 TeilnehmerInnen deutlich gedämpft. Die SoZ-Redakteurin Angela Klein stellte eine »beschämend geringe Beteiligung« fest – und dies vor allem aus bestimmten Gruppierungen: »Das globalisierungskritische Spektrum war, mit wenigen Ausnahmen von Attac, so gut wie nicht vertreten, von der Umweltbewegung nur die Anti-Atombewegung, Gewerkschafter in geringerer Zahl und auch das Spektrum der solidarischen Ökonomie, sonst eine Säule der Sozialforen, war zusammengeschmolzen.« Werfen wir daher einen Blick zurück zur Entstehung des Sozialforums in Deutschland (SFiD) im Jahre 2005. Nach dem Erfolg und der Ausstrahlung des Weltsozialforums startete die Sozialforums-Bewegung in Deutschland mit dem Anspruch, offene Räume zu schaffen, in denen all jene willkommen sind, die sich zur Analyse gesellschaftlicher Zustände, zu Visionen und gesellschaftspolitischen Alternativen sowie zu Wegen ihrer Realisierung austauschen möchten und dabei der Idee »alle Menschenrechte für jede und jeden« anhängen. Am ersten Sozialforum in Erfurt nahmen etwa 1.500 Menschen aus einem breiten inhaltlichen Spektrum teil. Zwei Jahre später in Cottbus reduzierte sich die Zahl bereits deutlich. Traditionellerweise verabschiedet das Sozialforum, gestützt auf die Charta von Pôrto Alegre, keine politischen Stellungnahmen – so auch in Hitzacker nicht. Dennoch kann die »Erklärung der Versammlung sozialer Bewegungen«, die im direkten Anschluss an das Sozialforum stattfand, einen Einblick geben in die diskutierten Themen. Hier einige Auszüge (1): »Unter dem Motto ‘Für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Natur’ sind wir 2005 erstmalig zu einem Sozialforum in Deutschland zusammengekommen. Seitdem haben sich die Welt, Europa und unser Land weiterhin so verändert, dass für die meisten Menschen die Lebensbedingungen insgesamt schlechter geworden sind. (...) Die Richtung und die Art und Weise gesellschaftlicher Entwicklung müssen also endlich verändert werden und daran wollen wir intensiv arbeiten: gegen Armut, soziale Ausgrenzung, Prekarisierung und soziale Spaltungen – für sofortige Hilfen für die Ärmsten und Schritte hin zu sozialer Gerechtigkeit; gegen die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen (...). Darum geht es lokal und regional, bundes- und EU-weit, in Europa und global – gleichzeitig und solidarisch, in ständiger Suche nach den Gemeinsamkeiten in inhaltlichen Positionen, die wir gemeinsam politikwirksam machen wollen. Deshalb ringen wir um gemeinsame Projekte demokratischer Gesellschaftsveränderung, setzen auf kollektives Lernen und wissen, dass wir uns selbst verändern müssen. (...)« Für unseren CONTRASTE-Schwerpunkt beurteilen fünf AutorInnen das 3. Sozialforum nach ihren Ansprüchen und nach den erzielten Ergebnissen. Dabei ist ein buntes Kaleidoskop an Eindrücken zusammengekommen: Monika Bischoff resümiert aus der Sicht einer teilweise stark belasteten Mit-Organisatorin ihre kräftezehrende Vorbereitung und die dennoch bereichernden Begegnungen. Für Angela Klein ist das Sozialforum eigentlich nicht zu ersetzen, dennoch bemängelt sie, dass es auf nationaler Ebene kaum als Ort der Vernetzung wahrgenommen werde. Judith Dellheim diskutiert die These, sich vor allem auf kontinuierliche politische Sozialforumsprozesse zu fokussieren, statt auf die eher organisatorische Vorbereitung von Sozialforen als Events. Martin Beckmann von ver.di fragt, ob das Sozialforum einen Beitrag leisten kann für die Entstehung einer »Mosaik-Linken« und formuliert das Ziel, neue Kooperationsstrukturen aufzubauen. Für Solveig Feldmeier waren die »kleinen aber feinen« Tage in Hitzacker ein Erfolg, sie erachtet es dennoch als erforderlich, dass sich in Zukunft vermehrt junge Menschen aktiv in die Diskussionen einbringen. Als inhaltliche Ergänzung zu den Diskussionen im Wendland letzten Oktober soll der Bezug zum Weltsozialforum (WSF) nicht fehlen: Im CONTRASTE-Interview erläutert der zuversichtliche WSF-Mitbegründer Chico Whitaker, weshalb er den Verlauf und die Entwicklung der Sozialforums-Diskussionen als politischen Prozess für relevant hält und welche Bedeutung darin die oft diskutierten »offenen Räume« haben. Ergänzend dazu ein Ausblick auf ein lokales Sozialforum im Rahmen des »Global Action Day«: das 5. Stuttgart Open Fair (SOFa) Ende Januar. 1) im Wortlaut nachzulesen auf www.sfid2009.info |
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