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Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Projekten
Einige grundsätzliche Anschauungen
ABM als ein spitzes und zweischneidiges Unterfangen!
Von Jürgen Sosna, Redaktion Bremen - Projekte
und Initiativen haben sich auf ABM eingelassen, weil damit
a) die Arbeit in den Projekten überhaupt geleistet und finanziert werden
kann, die sonst gar nicht oder bestenfalls ehrenamtlich erfolgen müßte. Oft
wird über die AB-Maßnahme unzureichende Leistung des Staates kompensiert bzw.
in Selbsthilfe Arbeit geleistet, die der Sozialstaat nicht mehr bereit ist zu
regeln.
b) individuell für einen begrenzten Zeitraum von 1-2 Jahren ein
regelmäßiges Einkommen ermöglicht wird und anschließend Ansprüche auf
Arbeitslosengeld bzw. -hilfe entstehen.
Die individuelle Situation und das Projektinteresse lassen nur zu leicht
vergessen, auf welch tönernen Füßen das Arbeitsbeschaffungsprogramm gebaut
ist.
Das arbeitsmarktpolitische Instrument ABM hat sich im Laufe der Jahre anders
entwickelt als es gedacht war. Das Gesetz (AFG) stammt aus dem Jahre 1969. Zur
Entwicklung einige Zahlen:
Das Ziel von AB-Maßnahmen sollte sein, schnell und flexibel auf
wirtschaftliche Schwankungen zu reagieren, indem in Zeiten des konjunkturellen
Tiefs - der Arbeits(losen)markt vorübergehend entlastet wird und
- über staatlich finanzierte Beschäftigung Nachfrage nach Waren und
Dienstleistungen intensiviert wird, damit über Kaufkraft (Konsum) die
wirtschaftliche Konjunktur wieder angekurbelt wird.
Damit die Unternehmen, einschließlich des Staates, nicht zu billigen
Arbeitskräften kommen, die durch die Allgemeinheit finanziert werden, gab und
gibt es Kriterien für die Bewilligung von AB-Maßnahmen. Die wichtigsten sind:
- Es muß öffentliches Interesse an der Tätigkeit bestehen. (Was immer das
sein mag.)
- Es muß sich um zusätzliche Aufgaben handeln, also um Tätigkeiten, die
nicht zu den bekannten Verpflichtungen des Trägers gehören.
- Die Zweckmäßigkeit der Maßnahme wird geprüft, da ABM je nach Lage und
Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden sollen. Zielgruppen wie
Jugendliche, Behinderte, Frauen etc., die besonders von Arbeitslosigkeit
betroffen sind, sollen schwerpunktmäßig bedacht werden.
- Maßnahmen, die zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur beitragen,
sollen vorrangig gefördert werden.
- Ziel von AB-Maßnahmen soll es sein, zur dauerhaften und
qualifikationsgerechten Wiedereingliederung im Rahmen von Dauerarbeitsplätzen
zu führen.
In den 70er Jahren war es in der Tat so, daß AB-Maßnahmen oft zur
Festeinstellung führten. Heute dagegen geht man in Bremen zum Beispiel davon
aus, daß max. 3% der AB-Maßnahmen zu einem Dauerarbeitsplatz führen. Von dem
Instrument, kurzfristig und kontrolliert auf wirtschaftliche Schwankungen zu
reagieren, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die AB-Politik folgt in der
Zwischenzeit eigenen Gesetzen und ist zum Zankapfel von vor allem staatlichen
Interessen geworden. Mit Wissen und Billigung von Politik und Arbeitsverwaltung
ist ein sogenannter 2. Arbeitsmarkt entstanden. AB-Maßnahmen sind ein
Instrument geworden, auf dem viele spielen - wir übrigens auch!
Längst haben wir uns daran gewöhnt, daß AB-Maßnahmen:
- Dauerarbeitsplätze vernichten,
- dazu dienen, Arbeiten zu finanzieren, die ohnehin ausgeführt worden wären
(Mitnahmeeffekt),
- dazu mißbraucht werden, gesellschaftliche Aufgaben nicht durch die
zuständigen Institutionen zu finanzieren, sondern auf die Bundesanstalt für
Arbeit abzuschieben,
- in der Zwischenzeit bis zu 80% beim Staat angesiedelt sind und sich die
freien Träger um den Rest zu streiten haben,
- billige Arbeitskräfte finanzieren und als Durchlauferhitzer funktionieren,
indem die Stelle bleibt, lediglich die Personen wechseln,
- nicht zur Weiterqualifizierung eingesetzt werden.
Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte haben sich anfangs geweigert,
AB-Maßnahmen zuzustimmen. Heute sind sie sehr viel verhaltener, weil sie
offenbar ohnmächtig sind, wirksam gegen die Politik des 2. Arbeitsmarktes
aufzutreten und andererseits, im "Interesse" der Betroffenen, JA
sagen, damit diese überhaupt eine Chance haben, für eine kurze Zeit
erwerbstätig zu sein.
Ähnlich haben auch wir reagiert, ganz nach der Devise: ,,Du hast keine
Chance, nutze sie!" Um Projekte aufzubauen, sie am Leben zu halten und,
weil staatliche Finanzierung abgelehnt wurde oder unzureichend ist, um etwas
Neues auszuprobieren, aber auch, um Leute für eine Weile abzusichern und nicht
immer auf unbezahlte Arbeit zurückgreifen zu müssen, haben wir ABM akzeptiert.
Dabei sind wir davon ausgegangen, daß die Stellen/Personen auf zwei Jahre
abgesichert sind. Liefen Stellen aus, waren wir einfallsreich und erstritten
neue Stellen, oft für dieselben Personen, weil Person und Projektarbeit nicht
voneinander zu trennen waren.
Die aktuelle Situation hat uns aufgeschreckt, weil das bisherige,
projektindividuelle Verhandlungsgeschick gegenüber dem Arbeitssenator und dem
Arbeitsamt offenbar nicht mehr greift. Die fast schon routinemäßige
Verlängerung von Stellen durch die Arbeitsverwaltung ist gestoppt worden, weil
offenbar in den Verwaltungen neue Prioritäten gesetzt werden sollen.
Selbstkritisch müssen wir eingestehen, daß wir zu wenig gemeinsam über die
,,Droge ABM" nachgedacht haben. Erste Versuche, in Bremen eine gemeinsame
Problemsammlung zu organisieren, blieb ohne Erfolg. Wir sollten die aktuelle
Situation nutzen und Versäumtes nachholen und projektübergreifend handeln.
Unserer Meinung nach schließt das neben einer Bestandsaufnahme von dem was
aktuell Stand ist ein, kurzfristig weiter für die Verlängerung bzw. für die
Genehmigung von Neuanträgen zu streiten.
Darüber hinaus ist es aber auch notwendig, über den weiteren Umgang mit dem
Finanzierungsinstrument ABM nachzudenken. Auf Dauer dürfen wir uns nicht auf
ABM verlassen!
Das bedeutet auch, über Alternativen zu diskutieren, die uns unabhängig
machen vom Wohlwollen staatlicher Bürokratie. Die Betonung liegt wohlgemerkt
auf ,,Wohlwollen", denn der Staat sollte nicht aus Pflichten entlassen
werden, die er nur zu gern abgeben würde. Ideen dazu, wir sind uns da ganz
sicher, gibt es in unseren Köpfen. Heraus damit!