50 Berater folgten der Einladung des ZERP
Beraterfortbildung
Das „Projekt Selbstverwaltung und
Recht“ am Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) hatte am vorletztem
Oktoberwochenende nach Göttingen zu einer Tagung für alternative
Betriebsberater und solche, die so etwas vorhaben, eingeladen. Obwohl nicht öffentlich
ausgeschrieben, sondern nur in einem Rundbrief an Netzwerke, Berater usw. in
geringer Auflage verschickt, war das Echo umwerfend: nach kurzer Zeit mußte die
Teilnehmerliste geschlossen werden, da der Andrang zu groß war.
Von
Arno Huber
Qualifizierung
Es ging natürlich nicht nur um Wissensvermittlung, obwohl der Titel
,,Beraterfortbildung" schon sehr danach klingt. Im Bereich
,,Handwerksordnung" allerdings
gibt’s wenig zu diskutieren; hier muß jeder Berater gewisse Grundlagen
einfach parat haben, sonst scheitern Projekte an einfachsten Problemen. Eine
andere Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit den Möglichkeiten der
Direktkreditvermittlung; hier muß man/frau schon wissen, was das
Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen von derartigen Aktivitäten hält. Ein paar
technische Qualifikationen, wie das Abwickeln von Beratungszuschüssen sind für
die Praxis schon hilfreich. Je eine Arbeitsgruppe beschäftigte sich dazu in
Bezug auf Hessen- und Bundeszuschüsse.
Obwohl nicht ganz das Thema, kam bei der AG
,,Wirtschaftlichkeitskonzepte" auch die Frage nach der Gruppendynamik als
Arbeitsgebiet für Berater auf. Ausgehend von der Erfahrung, daß viele Projekte
nicht wegen ökonomischer Probleme kaputt gehen, sondern weil sie ,,nicht mehr
miteinander können" ist die Forderung nach Supervision als Tätigkeitsfeld
für Berater durchaus legitim. Allerdings geht das auch daneben, wenn das
„nicht mehr miteinander können'' aus anderen Grundlagen herrührt, wie z.B.
verschiedene lebenshistorische Entwürfe oder andere politische Zielsetzung.
Damit ist ein zentraler Punkt unseres Beraterselbstverständnisses angesprochen,
was auch laufend auf der Tagung thematisiert worden ist.
Politisches Selbstverständnis
Daß alternative Berater nicht die Funktion haben, „lokale Beschäftigungsinitiativen"
zu sponsern - (so was versteht die SPD gerne unter ,,alternativ"),
sondern die Ziele Selbstverwaltung, naturverträgliche Produktion und
Sinngehalt bei der Arbeit zu verfolgen, war jedem klar. Fraglich war lediglich,
ob die Gefahr, zum Dienstleister für die ,,neuen Selbständigen" zu
verkommen als eigenes Arbeitsgruppenthema zu behandeln sei, oder ob diese
schleichende Tendenz letztlich bei jedem Thema mit einzubeziehen sei. Neben der
politischen Grundsatzfrage, für wen wir unsere Arbeit zur Verfügung stellen,
ist natürlich zu hinterfragen, für was wir überhaupt tätig sind. Geht es um
die Aufrechterhaltung des Lebens- und Arbeitsraumes für eine
,,Minderheitenkultur", für Absicherung von Existenzen der sog. Szene, soll
lediglich der Verelendung einiger Gesellschaftsbereiche entgegengearbeitet
werden oder sollen modellhaft neue Formen von Arbeit und Leben entwickelt
werden, die geeignet sind eine Transformation des kapitalistischen
Industriesystems in die Wege zu leiten. Daß durch Ausweitung der ,,Szene"
der Kapitalismus nicht usurpiert werden kann, ist jedem klar, aber trotzdem ist
das Verhältnis zwischen Lobbyarbeit und ,,politischem Kampf" nicht
eindeutig.
Es gibt noch eine Position dazwischen, die die Lobbyarbeit unter dem
Gesichtspunkt der Absicherung politischer Arbeit durch Gewährleistung der ökonomischen
Basis von Aktivisten sieht. Dabei ist das Kriterium, möglichst viel Kohle aus
einem Projekt mit möglichst wenig Zeit- und Arbeitsaufwand zu erzielen, um
einerseits genug Zeit für Politik zu haben und auch für Repressalien weniger
anfällig zu sein, als beispielsweise ein Lehrer im öffentlichen Dienst.
Daß letztlich allen Beratern vorgeworfen werden kann, sie würden
durch ihre Arbeit den Ablauf von Randbereichen in der Gesellschaft organisieren,
die ansonsten ihren kapitalistischen Gang geht, kann nicht bestritten werden. Es
ist nur einzuwenden, daß es zum einen schon immer leicht war, das Fernziel
(Sozialismus) gegen das Nahziel (sinnvolle Arbeit, menschlich befriedigende
Strukturen) auszuspielen. Zum anderen läßt sich hinter derartigen Vorwürfen
auch leicht die ,,hilflose Kapitalismuskritik" (Wagner) der
Verelendungstheorie erblicken, nach dem Motto: jetzt hätten wir endlich mal
bald genug Leute, denen es so dreckig geht, daß sie eine Revolte vom Zaun
brechen und ihr schickt sie in Projekte... ich denke, mit „Kaputtheit“ ist
keine Politik zu machen. Daß die bürgerliche Gesellschaft Ort von beidem,
Emanzipation und Entzweiung ist, hat schon J. Ritter in seiner Interpretation
von Hegels politischen Schriften bemerkt. Andererseits ist in der
Selbstverwaltungswirtschaft der Mensch nicht auf den Status der Produktion und
Konsumption beschränkt, wie in der modernen Wirtschaftsgesellschaft. Das war
mehr tragender Konsens als expliziter Punkt der Diskussion auf der Tagung. Es
geht auch nicht darum, diese Dinge in schlauen Papieren abzuhandeln, oder gar
auf einer Tagung ,,auszudiskutieren". Wichtig ist vielmehr, daß Fragen der
politischen Orientierung vorrangig bei Qualifizierungs-, Vernetzungs- und
Alltagsprozessen der Beratungstätigkeit mit behandelt werden.
Der Rahmen von Fortbildungstagungen für Berater, wie ihn ZERP
organisiert hat, ist dafür sicher geeignet und es ist erfreulich zu hören, daß
für die Vorbereitung einer weiteren Tagung im Frühjahr bereits jetzt Konzepte
und Vorbereitungspapiere gesammelt werden.
Ebenso erfreulich ist, daß die Frage nach Beratungsstrukturen für
Alternativ-Projekte auch von halb-staatlichen Trägern wie dem Institut für
Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) Am Stockborn 5-7 in 6000 Frankfurt 50
aufgegriffen wird. Das Referat Fortbildung veranstaltet dort vom 3.3 .-5.3.86
eine Tagung dazu, die auch auf Anregungen der Netzwerker (Bremen, Franken, Bonn
u.a.) zurückgeht, als dort mit Behördenvertretern über Finanzierung
selbstverwalteter Betriebe diskutiert wurde (CONTRASTE berichtete).