Monatszeitung für Selbstorganisation
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ERFURT: KAMPF UM BESETZTES HAUS GEHT WEITER»Das Zentrum soll Freiraum sein...«In den Morgenstunden des 16. April, vier Tage nach dem 8. Geburtstag des besetzten Hauses auf dem ehemaligen »Topf&Söhne-Gelände« in Erfurt, wurde das selbstverwaltete Zentrum »Topf-Squat« von der Polizei geräumt. diego # Die Räumung begann gegen sechs Uhr relativ überraschend mit dem Abseilen von Einsatzkräften auf Dächer des besetzten Geländes. Gleichzeitig wurde sich mit einem Räumpanzer und Abrissbaggern Zugang zum hinteren Teil des besetzten Geländes verschafft. Die Räumung wurde vom SEK unter Einsatz von Tränengas durchgeführt. In der obersten Etage des besetzten Hauses konnten jedoch einige Personen, die an einen Betonklotz angekettet waren, die Räumung für einige Zeit behindern. Gegen 9.30 Uhr waren dann endgültig alle Personen auf dem besetzten Gelände geräumt. Das besetzte Haus Erfurt war ein seit acht Jahren bestehendes sozial-politisch- kulturelles Zentrum. Auf dem Areal der ehemaligen Krematorienbauer von Auschwitz wurde sich aktiv mit der Geschichte der Firma »Topf & Söhne« auseinandergesetzt. Es fanden regelmäßig Vorträge, Kundgebungen und Infoveranstaltungen zu geschichtspolitischen Themen statt. Darüber hinaus mischte sich das Projekt aktiv mit gesellschaftskritischer Intention in öffentliche Auseinandersetzungen ein und engagierte sich gegen strukturelle Missstände, wie Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und Kapitalismus. Auch zeigte das besetzte Haus immer wieder sein Engagement und beteiligte sich an Aktionen gegen Neonazis und deren faschistische Umtriebe. Nicht zuletzt befand sich auf dem Projekt Wohnraum, ein Wagenplatz, eine Lesecafe und ein Umsonstladen. Regelmäßig fanden Parties und Konzerte statt, die von vielen Menschen besucht wurden. Da es trotz längerer Suche kein Alternativobjekt gibt, wird eine Lücke entstehen. Dennoch wird die Forderung nach einem selbstverwalteten Projekt durch diese Räumung nicht verschwinden. GESCHICHTE Bereits 1989 kam es in Erfurt zur ersten offenen Hausbesetzung. Damals – mit dem Zusammenbruch der DDR und dem Entstehen der neuen Bundesländer – gab es einen Freiraum, der in vielen Städten ähnlich genutzt wurde. Häuser wurden besetzt, bewohnt und bezogen. Wie üblich, gingen manche Projekte wieder ein, andere gründeten sich usw. Usf.. 1998 waren davon in Erfurt noch zwei Projekte übrig. Das autonome Jugendzentrum, in dem momentan politisch nichts mehr möglich ist und das eher einen (linken) Jugendclub darstellt und das »Korax" – ein Jugendzentrum in Selbstverwaltung, das aber 1998 geschlossen wurde. Auf der Fläche des abgerissenen Hauses entstand ein Parkplatz. Seitdem kam es immer wieder zu Hausbesetzungen, um ein autonomes Zentrum durchzusetzen. Erklärtes Ziel der BesetzerInnen war ein Zentrum ohne SozialarbeiterInnen, städtische Einmischung und mit einem emanzipativen Anspruch – ein Zentrum, das Freiraum sein soll ohne rassistische und sexistische Anmachen, das unkommerziell arbeitet und Ausgangspunkt linksradikaler Politik ist. Durch den erzeugten Druck kam es zu Verhandlungen zwischen dem Verein »Allerlei e.V.« und der Stadt. 1999 beschloss die Stadt, ein Haus zur Verfügung zu stellen. Danach geschah nichts und die Verhandlungen wurden schließlich als gescheitert angesehen. Die BesetzerInnen entschlossen sich, das Problem selbst in die Hand zu nehmen und besetzten am 12. April 2001 ein Haus auf dem ehemaligen Gelände der Firma »Topf & Söhne«. Die Räumung in Erfurt reiht sich in eine völlig ausufernde, repressive Stadtumstrukturierungspolitik ein, wie sie kürzlich auch in Münster, Köln und Berlin bei den Angriffen und Räumungen in der Grevenerstraße, in der Neuerburgstraße und in der Liebigstraße zum Ausdruck kam. Nach wie vor gibt es kaum Akzeptanz für linke Freiräume. Solidaritätsaktionen mit der Forderung: »Für mehr linke Häuser und Plätze in Erfurt und anderswo! «, gab es in der Folge in vielen Städten der Republik. Info: www.topf.squat.net CONTRASTE Nr. 200, Mai 2001, Seite 5 |
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