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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Diskussion

Diskussions-Forum

Die Frage, für wen eigentlich das Kapital der Öko-Bank arbeitet, im letzten WANDELSBLATT gestellt, beschäftigt offensichtlich einige Gemüter, wie die Reaktion der Leser zeigt. Wir veröffentlichen im folgenden 3 Leserbriefe und das Papier von Hellmut Zimmermann in gekürzter Form:

Auf die letzte Frage von Karl Bergmann im WANDELSBLATT Nr. 3, S. 10 möchte ich als Treugeber, der mehr als einen Anteil gezeichnet hat, eine Antwort geben.

Zum Zeitpunkt, als die Öko-Bank-Aktion anlief, bekam ich gerade zinsfrei verliehenes Geld zurück. Da ich momentan keine bessere Verwendung wußte, aber sicher war, daß ich es mal wieder benötige, habe ich es dazu benutzt, meinen Teil zur Beschleunigung der Beschaffung des Startkapitals der Öko-Bank beizutragen. Meine Anteile sollen - ohne mir Zinsen zu bringen - für den Aufbau der Öko-Bank "arbeiten". Sobald die Öko-Bank es verkraften kann, - und ich hoffe, das ist bald, - werde ich bis auf einen Anteil alle anderen in eine geeignete Guthabenform umwandeln lassen (und sei es ein Sparguthaben - zinslos oder mit Zinsen entsprechend dem Wertverfall) oder abziehen, weil ich das Geld anderweitig. brauche.

Günter Greuel

Nebelwarnung

Öko-Bank-Alpträume

Manchmal überkommen einen dumpfe Tagträume. Man rutscht unruhig auf dem Stuhl hin und her und fühlt ein Unwohlsein, welches schwer zu beruhigen ist. Dabei ist dieses Gefühl völlig unbegründet.

Da machen sich viele ernsthafte Menschen daran, an einem Werkzeug wie der Öko-Bank herumzustricken, nerven sich über ein halbes Jahr mit der demokratischen Ausgestaltung eines Fördervereines - quasi als Fingerübung für den künftigen Geschäftsbetrieb -, angetrieben vom Mißtrauen - in diesem Fall ausnahmsweise mal ein guter Ratgeber. Mißtrauen nämlich gegen alles, was nach BfG oder ordinärer Genossenschaftsbank riecht; denn das will keiner, da liegen Erfahrungen vor. Wenn etwas klar war in der Diskussion, dann dieses.

Die bisherigen Vereinbarungen können sich sehen lassen: wir haben den Förderverein regionalisiert, wählen den Vorstand aus den Landesverbänden, haben daneben eine zweite Mitwirkungsebene mit einer einzurichtenden Delegiertenversammlung geschaffen. Gewiß, diese Beschlüsse müssen alle noch mit Leben erfüllt werden, überzeugend aber sind diese Schritte zweifellos. In Gesprächen ist jedenfalls schwindendes Mißtrauen gegenüber den Öko-Bank-Plänen deutlich festzustellen, während noch vor wenigen Monaten der Argwohn gegenüber völlig losgelösten Bank-Machern das Feld beherrschte. Zufrieden und per Anzeige haben wir diese Beschlüsse der skeptischen Bewegung kundgetan.

Erfolg: die Sache kommt ins Rollen. In den Regionen regen sich Gruppen, gestalten Satzungen, sammeln Mitglieder mit dem Hinweis auf basisnahe, demokratische Mitwirkungsrechte, streiten sich über Quotierungen für selbstverwaltete Betriebe und politische Projekte, verteilen Info-Material und beackern Sympathisanten Gruppen.

Das Ding Öko-Bank ist im Laufen, kein Zweifel, gut so. Trübe Gedanken völlig überflüssig. So viel Aufwand, so viel Bemühen ist die Garantie dafür, daß hier nichts mehr aus dem Ruder läuft: der warnende Finger auf ungute BfG-Erfahrungen verdorrt dem Mahner ob solchen festen Willen und Tat. Wer wollte dabei Mißtrauen hegen, dies alles könnte nur eine gigantische Nebelwand sein und am Ende des Weges kreist der Berg und heraus kommt doch nur eine Maus: nämlich nur eine ganz ordinäre Genossenschaftsbank, wo die Struktur des Fördervereins nur eine ganz ferne, vergangene Welt ist. Das ist natürlich unvorstellbar, selbst wenn in der Vorstandsdiskussion etliche gar nicht überzeugt sind, ob man den Kapitaleinlegern nicht doch Hoffnung auf Dividenden lassen sollte. Unvorstellbar bleibt es, allein schon wegen der Unmenge an Arbeit, die überall investiert wurde und wird. Unvorstellbar auch, weil natürlich die ausgefeilte Struktur des Fördervereins völlig sinnlos wäre, wenn nicht genau diese Struktur auf die Bank selber übertragen wird und das Kapital neutralisiert wird: wenn dies nicht der Fall ist, hätten wir uns die Strukturdebatte sparen können.

Aber, wie gesagt, das ist unvorstellbar. Wer sollte denn auch argwöhnen, die langwierige Diskussion sei notwendig gewesen, weil man für eine Genossenschaftsbank, - bei der der Verein und seine wunderbaren Einrichtungen außen vor bleiben - keinen toten Hund hinterm Ofen hervorbekommen hätte. Allerdings: Wenn jemand solcherart Pläne im Sinn hat, ist der Zwang zur Nebelwand demokratischen Gepränges erst recht gegeben. Wer wäre ansonsten bereit, für diese Bank in die Bütt zu steigen, über lange Zeit unentgeltlich und Arbeitsam die Werbetrommel zu rühren. Dafür gibt es schlicht gesagt zu viele bessere und notwendigere Dinge.

Zugestanden – es ist schlechterdings unvorstellbar, daß es Vorstandsmitglieder gibt, die solche Zukunftspläne haben. Schlechte Träume sind's, die einen manchmal ankommen. Jedoch: die Sache wäre es wert, solche Alpträume alsbald auszuräumen.

Gerd Nowakowski

Profitgier?

Wer bremst die Profitgier der Öko-Bankiers?

Karl Bergmann fragt im letzten WANDELSBLATT, ob sich die Entnahme von Gewinnen bei der Ökobank durch die Satzung ausschließen läßt. Dahinter steckt, könnte ich mir denken, die durchaus berechtigte Angst von Karl, die Öko-Bank könnte sich verselbständigen, von den Zielen ihrer Gründer entfernen und zu einer Bank jenen Typs degenerieren, mit dem er und seine Kollegen/Kolleginnen reichlich Erfahrung gemacht haben. Nun, die Frage ist schnell beantwortet, im Genossenschaftsgesetz heißt es in § 20: "Durch das Statut kann festgesetzt werden, daß der Gewinn nicht verteilt, sondern dem Reservefonds zu geschrieben wird".

Eine weitere Frage wäre dann, wie schwer oder einfach sich eine Satzung ändern läßt. Bevor wir darüber zu philosophieren beginnen, zitieren wir § 16 GenG: „Eine Änderung des Statuts kann nur durch die Generalversammlung beschlossen werden". Und: "Zu sonstigen Änderungen des Statuts bedarf es einer Mehrheit von drei Vierteln der erschienenen Genossen, sofern nicht das Statut andere Erfordernisse aufstellt".

(Vorsicht: der mittelalterliche Sprachgebrauch des Genossenschaftsgesetzes bedeutet nicht, daß sich jeder Genosse vor der Abstimmung über eine Satzungsänderung Vierteilen lassen muß, um mit drei seiner Vier Körperteile für die Änderung zu stimmen).

Tja, da kann man doch wirklich froh sein, daß es Gesetze gibt, und zumal solche wie das Genossenschaftsgesetz, denn heutzutage kann man ja keinem mehr trauen, wußte schon der alte Sokrates. Wenn also irgendeine Gruppe "Adel und Banken", die die Öko-Bank nicht mag, selbige usurpieren will, dann muß sie einige tausend Genossen auf die Generalversammlung schleppen, um eine so beachtliche Mehrheit erlangen zu können. Das so etwas gelänge, halte ich für ausgeschlossen.

Karl fragt weiter, ob auch diejenigen, die DM 5000,- oder mehr an Anteilen bei der Öko-Bank gezeichnet haben, es sich leisten können, auf Dividende zu verzichten.

Grundsätzlich meine ich, daß einer, der nicht mehr als diese TDM 5 auf der Kante hat, nicht auf Dauer auf deren Verzinsung verzichten kann, schließlich sind diese 5 TDM Bezugsscheine für Kohle, Butter, Wollsocken und einen Volksbenz und wenn einer diese Bezugsscheine erst morgen braucht, weil er z.Zt. satt ist, nicht friert und zu Hause sitzen bleibt, dann hat eine Verzinsung seiner 5 TDM den Sinn, daß er morgen sich die Butter immer noch in der warmen Stube 1 cm dick aufs Brot schmieren kann, denn aus irgendwelchen Gründen kostet die Butter morgen etwas mehr als heute.

Deshalb: wer nur 5 TDM an Erspartem hat, lege nur einen Teil, sagen wir DM 300,- oder DM 500,- als Geschäftsanteil bei der Öko- Bank an, und den Rest als Spareinlage zum normalen Zinssatz von bspw. 3 %. Wenn er dementsprechend seine 5 TDM so aufteilt, daß er DM 500,- als "zinsloses" Geschäftsguthaben und DM 4500,- als Spareinlage zu 3 % anlegt, dann hat er auf seine gesammelten Werke von 5 TDM eine Verzinsung von 2,7 %, womit ihm bei der derzeitigen Entwicklung der Wollsockenpreise nicht die Butter vom Brot genommen würde.

Einlagen der genannten Größenordnung von 5 TDM und mehr sollten, wenn die Öko-Bank einmal gegründet ist, dem Kreis derjenigen vorbehalten bleiben, die über entsprechend hohe Sparguthaben verfügen und auf eine Verzinsung der fünf Mille nicht angewiesen sind.

Allein, es sei mir erlaubt, die Flamme, auf der Karl das Problem kocht, etwas kleiner zu drehen. Dem gewöhnlichen Bankmanager ist es außerordentlich lästig, die Gewinne, die er unter harten Entbehrungen der werktätigen Bevölkerung vom Munde abgespart hat, auch noch an die schwachköpfigen Aktionäre als Dividende auszuschütten. Nehmen wir als Beispiel irgendeine Volksbank Durchschnitt eG mit einer, wegen des leichteren Rechnens, Bilanzsumme von genau 100 Mio. DM. Davon sind, wenn's hoch kommt, 4 % oder 4 Mio. DM Eigenkapital, wobei der größere Teil dieses Eigenkapitals auf offenen Rücklagen besteht, auf die per se keine Dividende gezahlt werden kann. Die Volksbank Durchschnitt eG zahlt für ihre hereingenommenen Spargelder und sonstige Gelder runde 4 Mio. DM Zinsen, Gewinn macht sie vor Steuern 1 Mio. DM, davon kriegt Finanzminister Graf Brokdorf runde 700 TDM, bleiben 100 TDM für die Gewinnverteilung und mehr als 100 TDM rücken die Bankmanager an ihre Anteileigner nicht raus. Jetzt kocht das Problem auf der richtigen Flamme: unsere Volksbank Durchschnitt eG zahlt 4 Mio. DM Zinsen und läppische TDM 100 an Dividenden aus. Wenn ich richtig rechne, ist das ein Verhältnis von eins zu vierzig.

Daß Graf Brokdorf 70% des Gewinns einer Bank einsackt, ist für viele Menschen in unserem Lande auch nicht der wahre Jakob, weshalb es auch Bänker geben soll, die ihren Sparern, besser gesagt ihren Spezies überhöhte Sparzinsen vergüten, um der ärgerlichen Notwendigkeit, Gewinn ausweisen zu müssen und den größten Batzen für Steuern draufgehen zu lassen, aus dem Wege zu gehen. Antiquierte Wirtschaftswissenschaftler nennen das "versteckte Gewinnausschüttung". Du siehst, lieber Karl, die schönste Satzung ist kein Schutz vor der schmutzigen Praxis. Zum Sauberbleiben und zur Vermeidung der ärgerlichen Notwendigkeit der Finanzierung der Rüstungssteuern könnte man aber auch den umgekehrten Weg gehen und statt die Sparzinsen zu erhöhen, die Kreditzinsen senken. So eine Bank soll es tatsächlich geben und vielleicht gibt es demnächst zwei von dieser Sorte.

Karl möchte aber nicht nur die Gewinnausschüttung per Satzung ausgeschlossen wissen, sondern auch festschreiben, daß evtl. Gewinne neben Zinsverbilligungen für selbstverwaltete Betriebe für Zuschüsse an soziale und kulturelle Projekte verwendet werden. Dazu kann ich nur sagen: Gemach. Zunächst mal ein banales formaljuristisches Problem, das ich hier erwähnen muß, weil es dabei bisher ständig Mißverständnisse gab: der Öko-Bank-Verein kann darüber zwar einen "Beschluß" fassen, dieser hat aber nur Empfehlungscharakter, denn die Öko-Bank ist eine selbstständige juristische Person, die sich nicht einmal vom Herrgott ins Handwerk pfuschen läßt - ich erwähne dies deshalb, weil es offensichtlich immer Leute gibt, die meinen, wenn sie den Öko-Bank-Verein regionalisiert haben, dann wäre auch die Öko-Bank regionalisiert; nein, Leute, das sind zwei Paar Stiefel, von der Sache her wie von der Formaljuristerei.

Zur Festschreibung der Gewinnverwendung in Richtung auf soziale und kulturelle Zwecke kann ich nur warnend mit dem Finger drohen (mehr Drohpotential habe ich nicht). Die Öko-Bank sollte sich auf einen einzigen Zweck, die Zinsverbilligung für selbstverwaltete Betriebe und ökologische Produktion beschränken. Durch Verzettelung wird die Chose unkontrollierbar: den Bänkern wüchse eine Macht zu, der sie nicht gewachsen wären, wenn sie zwischen zwanzig konkurrierenden Verwendungszielen zu entscheiden hätten. Dies sollte man politischen Gremien überlassen. Ein gemeinnütziger Verein, dem zu diesem Zweck Beiträge von den zinsbegünstigten Betrieben zufließen, wäre der originäre Ort für die Unterstützung sozialer und kultureller Projekte.

Rein rechnerisch ist es ohnehin einerlei, ob die Öko-Bank Gewinne (vor Steuern) macht und sie sozialen Zwecken zuführt, oder ob sie die Gewinne durch niedrige Zinsen zu den kreditnehmenden Betrieben transferiert, damit diese den Fördertopf reichlich bedienen. Hauptsache, der große Klare aus dem Norden kriegt keine Steuern.

(Außerdem habe ich was dagegen, wenn wir unserem Staat unsere Steuern anvertrauen, von diesem aber nicht verlangen, daß er unsere sozialen und kulturellen Projekte finanziert). Das heißt nicht, daß die Öko-Bank nicht auch reichlich Spenden hergeben kann, denn das macht die Sparkasse mit dem Bienenkorb in ihrem Emblem auch, aber die Öko-Bankiers werden in den Anfangsjahren genug damit zu tun haben, ihr Schiff in ruhigem Fahrwasser zu halten und für evtl. Risiken ein entsprechendes kleines Polster zu schaffen.

Das Problem, die horrenden Gewinne der Öko-Bank irgendwie verschwinden zu lassen, hat noch eine weitere Dimension: das der Risikovorsorge. Man liest zwar immer, daß sich die Großbanken derzeit eine goldene Nase verdienen, der Laie übersieht dabei aber möglicherweise den dezenten Hinweis der Bänker, daß der Gewinn meistens voll zur Deckung des Abschreibungsbedarfs für notleidende Kredite verwendet wird. Zwar sind die Bankiers immer dazu geneigt, etwas mehr vom Gewinn anzuzwacken als nötig, weil auch sie im Grunde Anarchisten sind und dem Staat die Steuern nicht gönnen, aber in der augenblicklichen chaotischen Situation auf dem Weltmarkt, vergleichbar nur mit der Situation auf dem Frankfurter Flohmarkt, haben die Herren Bankiers schon etwas Mühe, alle Risiken abzudecken.

Das Diktat der Risikovorsorge, das die Öko-Bankiers zwingt, Gewinne zu machen, die sie den Rücklagen zuführen muß, wäre, so meine Spekulation, auf andere Weise anzugehen, indem man nämlich die Betriebe, die von der Öko-Bank profitieren, an einem evtl. Verlustausgleich beteiligt. So, glaube ich, macht es eine Bank, die von ihren begünstigten Betrieben und Projekten zum Ausgleich ihrer Bilanz eine entsprechende "Kostenumlage" verlangt. Wenn uns etwas ähnliches in fernerer Zukunft gelänge, was ich bezweifele, dann hätten wir endlich die vielbesungene Solidargemeinschaft der selbstverwalteten Betriebe. Die Betriebe müßten es sich allerdings dann gefallen lassen, daß sie von ihrem alternativen Prüfungsverband geprüft werden, ob sie evtl. mit ihren exorbitanten Gewinnen, die ihnen die zinsgünstigen Kredite der Öko-Bank ermöglicht, einen Tripper-Jumbo gechartert haben, um den alternativen Sex-Tourismus, den es neuerdings in Thailand geben soll, zu genießen.

Rudi Ratlos. Dez. 1984


Alles hopp!

Aufruf: Ökobank alles hopp!

Dezentralisierung war angesagt; gefordert von den Kritikern der Öko-Bank aus der Szene. Daß es kein BfG werde, daß keine zentralistischen Machtstrukturen entstehen, daß genügend Kontrolle durch die Basis, daß verhindert werde, daß doch Rüstung indirekt finanziert werde, daß, daß, daß...

Recht hatten/haben sie, die Kritiker und es muß viel getan, viel diskutiert werden, aber das nicht nur bei dem Vorstandsgremium des Bankvereins. Von diesem wurde auf die Kassandrarufe eingegangen und auf der Mitgliederversammlung beschlossen, daß Regionalvereine (was immer auch Region ist) gegründet werden sollen, die weitreichende Befugnisse haben. Die Diskussion hierzu ist noch nicht abgeschlossen und könnte von jedem neu hinzukommenden Mitglied beeinflußt werden.

Da wir nun diese Entwicklung mitgestalten wollen, rufen wir die Aktivisten dieser Region auf, bei der Gründung eines Landesverbandes Rheinland-Pfalz oder, auch bescheidener, Hunsrück-Mosel-Nahe Region mitzumachen. Es werden z.B. 50 Mitglieder und 100.000 DM Treugelder benötigt, um 3 Delegierte zu stellen, die mit den anderen Delegierten die Delegiertenversammlung bilden. Diese wiederum entsteht, wenn sich 7 arbeitsfähige (im Sinne der Satzung) Verbände gegründet haben.

Am 13. Januar 1985 um 14 Uhr findet daher eine erste Versammlung auf der Dörrwiese in Morbach-Merscheid statt. Sie hat das Ziel, anstehende Fragen der Teilnehmer zu erörtern und wenn möglich, zu beantworten und schließlich einen Verein der Freunde und Förderer der Öko-Bank Rheinland-Pfalz oder eben Hunsrück-Mosel-Nahe zu gründen.

Auf Wiedersehen im Dhrontal

Gerhard Kern

Einige Überlegungen

zur Gründung der Öko-Bank

Kapital, das Medium, mit dem Banken umgehen, ist nach noch geltender Auffassung als sog. sekundärer Produktionsfaktor produziertes Produktionsmittel. Seinem Wesen nach ist jede Kapitalhergabe eine Kreditierung, das ist die zeitweilige entgeltliche Überlassung von Verfügungsmacht über Kapital im Vertrauen auf dessen Rückzahlung. Nach politischem, wirtschaftlichem und sozialem Verständnis der Grünen müssen die in dieser dürren Aussage enthaltenen Praktiken, die hinter den Begriffen "Kapital", "entgeltliche Überlassung" und "Verfügungsmacht" stecken, kritisiert, neu gefaßt und in zeitgemäße Anwendungsformen gegossen werden; die Absicht zur Gründung einer Öko-Bank ist dafür der gegebene Zeitpunkt.

1. Kapital entsteht - nach meiner Auffassung - als Überschuß gesellschaftlicher Produktions- und Dienstleistungsprozesse, wobei der individuelle Anteil der an diesen Prozessen Beteiligten objektiv nicht auszumachen ist. Die herrschende Auffassung unterstellt, daß Kapital als erwirtschafteter Gewinn den Aktionären, Anteilseignern zustehe, jeweils also der oder den Personen, die das sog. Eigenkapital des Unternehmens aufgebracht haben. Diese Auffassung übersieht folgendes:

Jedes Unternehmen finanziert im Gefolge seiner Gründung z.B. mit dem eingezahlten Aktienkapital etwas, das der langfristigen Bindung des Eigenkapitals entspricht, also etwa langfristige Anlagen wie Produktions- und Verwaltungsgebäude. Diese entwerten sich im Laufe des Produktionsprozesses, dem wird durch die Abschreibung buchhalterisch Rechnung getragen. Nach einem überschaubaren Zeitraum ist die Anlage abgeschrieben und muß neu erstellt und finanziert werden. Jetzt wäre auch der Augenblick gekommen, in dem Finanzierungsmittel Eigenkapital freigesetzt hat, sprich zurückgezahlt werden müßte. Dies geschieht aber nicht: während die Anlage tot ist, hat die Aktie das ewige Leben. Kapital, das eigentlich mit der Anlage vernichtet ist, wird weiter über die Dividende verzinst. Der „Kredit" Aktienkapital wird nie fällig, er kann höchstens an der Börse ge- oder verkauft werden. Es liegt auf der Hand, daß hier ein organischer Bruch in einem ansonsten lebendigen Geschehen gegeben ist, der zwangsläufig Verwerfungen und Schäden in der gesamten Geldwirtschaft herbeiführen muß.

Diese Überlegung veranlaßt mich dazu, die auf der Öko-Bank einzuzahlenden Genossenschaftsanteile nach einer tilgungsfreien Zeit von vielleicht 10 Jahren zumindest fakultativ mit einer ebenfalls 10-jährigen Rückzahlungsmöglichkeit auszustatten. Das hat nebenbei den Vorteil, daß das kapitalgebende Publikum fluktuiert.

2. Entgeltliche Überlassung: gemeint ist die Verzinsung des Kapitals, die entscheidend mit dem Konsumverzicht des Kapitalgebers begründet wird. Diese Begründung mag in der Entstehungsphase der modernen Volkswirtschaften ihre historische Bedeutung und Berechtigung gehabt haben, heute ist sie absurd und paradox: Sehen wir von dem Kleinsparer, der sich monatlich tatsächlich 50 oder 100 DM abzwacken mag und aufs Sparbuch trägt, ab, ist die Masse der mittleren und großen privaten wie institutionellen Kapitalanleger, auf die es hier allein ankommt, nicht nur nicht von Konsumverzicht, sondern von Habgier nach arbeitslosen Einkünften motiviert, um noch mehr konsumieren bzw. verdienen zu können. Damit wird der Zins zwangsläufig zum Wachstumsfaktor ersten Ranges, der in unserer kapitalintensiven Produktionsweise steigende Zinskosten verursacht, die de facto wieder im wesentlichen von der Masse derer erarbeitet werden müssen, die nichts als ihre meist unterdurchschnittlichen Arbeitseinkünfte haben - auch das ist eine nur selten gesehene Umverteilung der Lasten von oben nach unten.

Ich führe dies nicht aus, weil ich mir einbilde, über Nacht den Zins abschaffen zu können, sondern um entschlossen für folgendes zu plädieren: Wer die Ziele des Vereins und der zu gründenden Bank, nämlich Geschäfte im Bereich der alternativen und ökologisch orientierten Ökonomie zu betreiben, anerkennt und unterstützt, kann nicht die Prämissen, die dahin führen, verwerfen. Daher ist, wiederum auf fakultativer Basis, dem ökobankgeneigten Publikum die Zeichnung von Eigenkapital und die Hereingabe von Ein- lagen grundsätzlich auch zum Nullzins anzubieten. Die Vergütung marktüblicher Zinsen ist aus den dargelegten Gründen abzulehnen. Eine Zinsstaffelung könnte neben dem Nullzins einen Zins etwa in Höhe der amtlich festgestellten Inflationsrate und einen Maximalzins von 5 % pro anno für langjährige Einlagen und Anteile vorsehen. Dieser Vorschlag wird nicht allenthalben auf Begeisterung stoßen. Ich halte es aber für geboten, die Zinsverzichtsbereitschaft unseres speziellen Publikums a priori zu testen und auszuschöpfen, auch deshalb, weil unsere Debitoren sehr zinsempfindlich sein werden, da sie überwiegend nicht in Wachstumsbranchen herkömmlicher Art tätig sein werden und sollen.

Folgt man diesem Vorschlag - ungeachtet seiner Realisierungschancen - nicht, wage ich zu prophezeien, daß die Öko-Bank aus Überlebensgründen sich auf Geschäfte einlassen wird, die mit ihrer heute beabsichtigten Geschäftspolitik wenig zu tun haben werden. Sie verkommt dann zu dem, dem wir eine Alternative entgegensetzen wollen.

3. Verfügungsmacht: mit der Einzahlung von Kapital bei einer Bank gibt der Einleger gegen das Versprechen der Zahlung des vereinbarten Zinses die wirtschaftliche Verfügungsmacht über seine Anlage aus den Händen. Der weitere Weg seines Geldes wäre auch beim besten Willen nicht - übrigens auch bei der Öko-Bank nicht! - zuende zu verfolgen. Man hat sich seitens des Gesetzgebers zwar tausend Gedanken darüber gemacht, wie man unseren Einleger vor Verlusten schützen kann, aber nicht einen daran verschwendet, ob und - falls ja - wie Einlagen bei Banken einen gesellschaftlich wünschenswerten Gang nehmen. Vielleicht könnte unser Einleger nicht mehr schlafen wenn er wüßte, daß u.a. mit seinem Geld ein Eros-Center gebaut wird das seinen Betreibern unter Umständen eine 20%ige Rendite bringt oder daß seine Einlage eines der vielen Löcher im amerikanischen Haushalt stopft, was ihm dann auch die Aufstellung von Pershings beschert, oder daß sie zur Mitfinanzierung eines Luxusautos dient, dessen künftiger Besitzer ihn in 4 Wochen zum Krüppel fahren wird. All dies war bisher nicht gefragt, bzw. es scheint pauschal über die zu vereinbarende Zinshöhe geregelt worden zu sein. Der Zins wird es schon richten und dafür sorgen, daß das Kapital in die rentabelsten Anlagen fließt, und das sind selbstredend die gesellschaftlich wünschenswerten. Daß diese Vorstellung nicht mehr durchgängig geteilt wird, beweist die Absicht zur Gründung einer Öko-Bank mit ihrer ökonomisch-ökologischen Zielsetzung. Von dieser kann der Einleger die Gewißheit haben, daß sein Kapital, wenn schon nicht einem von ihm favorisierten Betrieb, so doch einer Branche kreditiert wird, die ihm aus weltanschaulich/ politisch/ wirtschaftlich/ sozialen Erfordernissen geeignet erscheint. Insoweit kann der Einleger, der Kunde der Öko-Bank wird, ein Stück Verfügungsmacht über sein Kapital einbehalten, sozusagen einen ideell aber ausmacht. Obwohl ich den Aufruf des Vereins, was die wirtschaftspolitische Motivation angeht, für den stärksten Part seiner mir bisher bekannt gewordenen Intentionen halte, vermisse ich die unter 1. und 2. und auch zuletzt dargelegten Gedanken und die daraus zu ziehenden Konsequenzen - auch werbewirksamer Art -. Es ist aber noch nicht zu spät, solche Überlegungen umzusetzen. Zusammenfassend ist festzustellen, daß

die Zielvorstellungen über die Tätigkeit einer Öko-Bank im Prinzip richtig erkannt und formuliert wurden
die Frage der Hingabe der Verfügungsmacht über das Geld des Einlegers mit der richtigen Zielsetzung der Geschäftstätigkeit zwar formal gelöst, aber nicht problematisiert wurde
die Fragen eines erneuerungsbedürftigen Kapital- und Zinsverständnisses gar nicht gestellt wurden, obwohl erst ihre zufriedenstellende Beantwortung prämissenhaft auf die gefundene Zielsetzung der Geschäftstätigkeit der Bank hinführt und daß schließlich
fehlende Konsequenzen aus einem erneuerungsbedürftigen Kapital- und Zinsverständnis zwangsläufig die Zielsetzungen verwässern, wahrscheinlich pervertieren werden.

Hellmut Zimmermann

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 13. November 2009