PEAK OIL & CO.
Das Ende des Wachstums
Foto: AP/Mathias Rietschel
Steigende Preise für Lebensmittel
vergrößern den Hunger, es entwickelt sich eine globale Rezession und
gleichzeitig wird Energie immer teurer. Innerhalb weniger Jahre hat sich das
Terrain für linke Bewegungen dramatisch verändert. Da fällt eine Orientierung
nicht gerade leicht. Die besondere Schwierigkeit liegt darin, den Zusammenhang
zwischen den verschiedenen Krisenebenen zu erkennen.
Von Andreas Exner, Klagenfurt # Nehmen wir das
Beispiel der Ernährungskrise. Zwischen 2007 und 2008 wurden global gesehen
Nahrungsmittel um 52 Prozent teurer. Laut FAO vergrößerten 2007 deshalb 75
Millionen Menschen das Heer der Hungernden. Weltweit sind damit schätzungsweise
923 Millionen Menschen mangelhaft ernährt. Die Ursachen scheinen auf den ersten
Blick recht unterschiedlich. Ungünstige Wetterverhältnisse verringerten die
Ernten der globalen Hauptproduktionsgebiete. Zugleich verdoppelten sich im
letzten Jahr die Düngerpreise. Und auch die Preise der fossilen Treibstoffe
erreichten ungeahnte Höhen. Parallel dazu wuchs die Nachfrage nach
Agrotreibstoff, der gegenwärtig 2 Prozent des weltweiten Treibstoffbedarfs des
Transports abdeckt. Spekulation verstärkte den Aufwärtstrend der
Nahrungsmittelpreise noch.
So unterschiedlich diese Krisenursachen auch erscheinen mögen. Tatsächlich
bringen sie ein grundlegendes Phänomen zum Ausdruck: die Auswirkungen des
Kapitalismus verletzen immer brutaler die Grenzen des Erträglichen. So sind die
schlechten Ernten der letzten Jahre wahrscheinlich bereits als eine Folge des
vom Kapitalismus verursachten Klimawandels zu begreifen. Der Anstieg bei den
Treibstoffpreisen wiederum kündigt den Peak Oil, das Fördermaximum beim Erdöl
an, das bereits erreicht oder bald zu erwarten ist – Folge des enormen Hungers
nach fossilen Stoffen, dem das Kapital alles opfert. Agrosprit soll nun beide
Probleme lösen: erstens den Klimawandel bremsen, zweitens die
Erdölabhängigkeit verringern. Wie sich jetzt allerdings mit Gewissheit zeigt,
verdrängt der Umstieg auf Sprit aus Biomasse den Anbau von Nahrungsmitteln. Und
NGOs wie Biofuelwatch argumentieren, dass der Biomasseanbau für Agrosprit den
Klimawandel sogar verstärkt. Der Preisanstieg beim Stickstoffdünger
schließlich spiegelt nicht zuletzt die Teuerung bei Erdgas, das man bei dessen
Produktion benötigt.
Seit Jahresmitte sind die Preise bei Mais, Weizen und Reis um 60 bis 40
Prozent gefallen. Doch die weltweite Hungerkrise droht sich erneut zu
verschärfen, warnen UNO und FAO. Diesmal auf noch höherem Niveau. Denn die
Finanzkrise hat inzwischen den Agrarmarkt erreicht. Bauern und Agrounternehmen
steht weniger Kredit zur Verfügung, um Düngemittel zu finanzieren. Bei
fallenden Preisen für Agrarprodukte sinkt zudem der kapitalistische
Produktionsanreiz. Umso mehr, als hohe Treibstoff- und Düngerpreise die
Profitabilität der Agrarproduktion zusätzlich reduzieren. Wird weniger
gepflanzt, so fällt die Ernte geringer aus. Ziehen die Agrarpreise wieder an,
so trifft das Länder, die Nahrungsmittel importieren müssen, nun mit doppelter
Gewalt. Sie können auf den krisengeschüttelten Finanzmärkten nur schwer Geld
dafür locker machen.
Nicht nur Nahrungsmittel, Energie und Düngemittel verteuerten sich. Auch
Metalle legten preislich kräftig zu. Schon vor der Finanzkrise übten steigende
Rohstoff- und Energiepreise spürbar Druck auf die Profitrate aus. Sie hätten
das kapitalistische Wachstum selbst ohne den Zusammenbruch der weltweiten
Immobilienblase stark geschwächt. Der Kapitalismus stößt also Schritt für
Schritt auch an seine materiellen Schranken. Indem er seine Basisstoffe
erschöpft, entzieht er sich selbst immer mehr die natürliche
Produktionsgrundlage. Ökologische und geldökonomische Grenzen werden zusehends
deckungsgleich.
Die aktuelle Hungerkrise freilich zeigt in grellem Licht, was es bedeutet,
wenn eine Alternative ausbleibt. So geht der globale Norden buchstäblich über
Leichen, indem er sich an den Fetisch Auto klammert, den Klimaschutz zur
Polit-Show deklariert und Kriege um Ressourcen führt. Das ist aber nur die
zerstörerische Seite. Jenseits von Ignoranz und Unbewusstheit steht ein
wachsendes Bedürfnis nach Befreiung. Darin leuchtet ein klarer Gedanke auf, der
inzwischen eine Vielzahl von Ansätzen reflektiert: Wir müssen eine
grundsätzlich neue Art der Produktion entwickeln. Es gehtumeine solidarische
Ökonomie, die Verkaufsbeziehung und Profitorientierung abschafft und konkrete
Versorgungsziele an ihre Stelle setzt.
Andreas Exner ist beim Social Innovation Network aktiv
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10
Kasten:
SCHWERPUNKTTHEMA
Das Füllhorn versiegt
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Seite 7
FAQ – peak-oil-Problematik
Seite 8
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Christian Lauk
Seite 9
Globale Dörfer und Mutterstädte
Gespräch mit Franz Nahrada
Seite 9
Fülle und Verzicht Franz Schandl
Seite 10