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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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CONTRASTE

Aus CONTRASTE Nr. 246 (März 2005)

ERWERBSARBEIT UND ANDERE TÄTIGKEITEN BEI ALLA HOPP BREMEN

Mindestens 4 Konfliktachsen...

Ursprünglich, d.h. irgendwann in den 1990er Jahren, malten wir uns unsere damalige Zukunft folgendermaßen aus: Wir kaufen ein Haus, ziehen ein, nehmen unmittelbar die notwendigen Umbaumaßnahmen in Angriff und beginnen parallel mit der Entwicklung bzw. Gründung von Erwerbsarbeitsbereichen. Allein, es sollte anders kommen: Trotz intensiver Suche gelang es uns damals nicht, ein passendes Gebäude für unsere Platzbedürfnisse zu finden. Wir mussten deshalb in über 4-jähriger Bauzeit unsere viel zu kleine Bonbonfabrik auf kommunetaugliches Format hochpäppeln. Das aber hatte zur Folge, dass an die Gründung von Arbeitsbereichen überhaupt nicht zu denken war. Wenn überhaupt, wurden bereits bestehende Ideen für Erwerbsarbeitsbereiche neu überdacht und zum Teil auch abgewickelt. Das hat insbesondere die von uns sehr lange und sehr intensiv verfolgte Idee eines alternativen Bestattungsladens betroffen.

Kommune Alla Hopp, Bremen - Mit anderen Worten: Am Ende unserer Bauzeit hatten wir zwar ein großes Haus, nicht aber Erwerbsarbeitsbereiche für unser tägliches Einkommen. Hieraus entstand die Notwendigkeit, sich erst mal anderweitig umzugucken: Etwa 2/3 aller erwachsenen Alla Hopp-KommunardInnen begab sich auf Arbeitssuche (so denn sie nicht ohnehin schon untergekommen waren). Einige heuerten an in klassischen Aushilfsjobs wie BauhelferIn oder FahrradkurierIn, die meisten jedoch kamen unter in qualifizierten, teilweise auch befristeten 20-Stunden-Stellen: als PädagogIn bzw. LehrerIn, als Wissenschaftler, als Bewegungs- und PsychotherapeutIn, als Gleichstellungsbeauftragte an der Uni, als Verwaltungskraft im Mädchenhaus, als Medizinerin, als Chemisch-Technische Assistentin, als Physiker, als NGO-Aktivistin, etc. Hand in Hand damit ging die Entscheidung mehrerer KommunardInnen, (Zusatz-)Ausbildungen zu beginnen, insbesondere in Shiatsu, Kräuterheilkunde, antisexistische Jungen- und Mädchenarbeit sowie Gestalttherapie.

Keine Frage, dieser aktuelle Alla Hopp-Trend in Sachen Erwerbsarbeit ist bemerkenswert, jedenfalls im Lichte vieler unserer früheren Verlautbarungen bzw. Absichten: Nicht wenige unserer ehemals gehegten Erwerbsarbeitspläne schlossen nämlich nicht oder allenfalls indirekt an unsere an der Uni oder anderswo erworbenen Qualifikationen an. Erinnerst sei nur an X's "Abbruchunternehmen". Demgegenüber steht heute Professionalität bei vielen ungleich höher im Kurs - wir werden noch darauf zurückkommen. Ebenfalls anders als geplant ist der Umstand, dass unsere Erwerbsarbeit derzeit keine kollektive Struktur aufweist: Die KommunardInnen, die erwerbsarbeiten, tun das an unterschiedlichen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten und für unterschiedliche Arbeitgeber. Auch das haben wir so nie gewollt, zumindest mehrheitlich - auch dazu gleich noch mehr.

Brüche und Zäsuren rund um den Bau

Es wird Euch nicht erstaunen, alles das ist mit erheblichen Konflikten einhergegangen: Waren wir während des Baus meist den ganzen Tag zusammen (und taten oftmals dasselbe), so sah die Lage mittlerweile ganz anders aus: das Haus schien jetzt oft wie ein Geisterhaus, vor allem die Gemeinschaftsflächen waren tagsüber immer wieder verwaist, es gab kein selbstverständliches Gravitationszentrum mehr, die Gesamtgruppe traf sich vor allem während des gemeinsamen Abendessens. Das sorgte allerorten für Frust. Vor allem die KommunardInnen, deren zeitlicher Schwerpunkt weiterhin das Kommunegelände war, fühlten sich "irgendwie" im Stich gelassen, es taten sich Unsicherheiten darüber auf, ob die zu Hause geleisteten Reproduktions-, Verwaltungs- und Bautätigkeiten hinreichend gesehen und gewürdigt würden. Umgekehrt sahen sich auch manche AussenarbeiterInnen nicht hinreichend geschätzt (schliesslich sei den meisten noch nicht mal der Arbeitsort der jeweils anderen KommunardInnen bekannt geschweige denn der Inhalt der jeweiligen Erwerbsarbeit), und auch hatten einige AußenarbeiterInnen das Gefühl, in ihrem individuellen Tun politisch-moralisch hinterfragt zu werden, und zwar von einer Warte aus, die Kollektivität zum repressiven Zwangskorsett macht.

Mit anderen Worten: ausgehend vom Thema Erwerbsarbeit haben sich verschiedenste, eng miteinander verflochtene Konfliktachsen aufgemacht, unter anderem zwischen folgenden Polen: Innen- und Außenarbeit, Erwerbsarbeit und Reproduktionsarbeit, professionelle und nicht-professionelle Arbeit sowie entgeltliche und nicht-entgeltliche Arbeit. Hinzu kamen weitere Spannungsfelder wie z.B. Freundschaften und Liebesbeziehungen mit Nicht-KommunardInnen vs. dem Bedürfnis, auch mit KommunardInnen enge und persönliche Kontakte leben zu wollen.

Ende 2003 spitzte sich diese Gemengelage zu: Mehrere KommunardInnen fragten sich, ob sie sich innerhalb von Alla Hopp überhaupt noch wohl und gehalten fühlten, wie viel Gruppe sie überhaupt vertrügen, welche Bedeutung sie Erwerbs- oder andere Tätigkeiten in ihrem Leben einräumen wollten, ob das mit der allgemeinen Alla Hopp-Philosophie zusammenpasste, etc. Generelle Ernüchterung war mit Händen spürbar. Wir machten uns auf, in einer Reihe von Treffen die entstandenen Knoten aufzulösen. Vorläufiger Höhepunkt dieses Prozesses war ein sogenanntes Klausurwochenende im April 2004 mit zwei SupervisorInnen aus der Kommune Niederkaufungen. Inzwischen sind viele der zwischenzeitlich sehr existentiell aufgeladenen Gefühls- und Konfliktlagen wieder "runtergekocht".

Wie es tatsächlich weitergeht, muss der konkrete Prozess zeigen. Klar ist lediglich, im Moment haben eine ganze Reihe KommunardInnen Lust auf gehaltvolle und qualifizierte Erwerbsarbeit. Demgegenüber genießt der Aufbau von gemeinsamen Arbeitsbereichen derzeit keine Priorität, wobei es durchaus einige KommunardInnen gibt, die langfristig in kollektiv verwalteten Alla Hopp-Arbeitsbereichen Geld verdienen möchten. Zur Lust auf gehaltvolle Erwerbsarbeit sei noch zweierlei angemerkt: Erstens, diese Lust ist nicht vom Himmel gefallen: die meisten von uns haben ja zwei bis vier Jahre auf unserer Baustelle gearbeitet, in aller Regel im Status der Bauhelferin. Was es bedeutet, auf diese Weise zu arbeiten, ist also allen ein vergleichsweise eindrücklicher Begriff. Insofern kann die diesbezügliche Veränderung auch als produktiver Lernprozess verstanden werden. Zweitens, unser Anliegen ist es ja - und im Grossen und Ganzen klappt das auch - nicht mehr als 20 Stunden/Woche erwerbszuarbeiten, und es außerdem auch zu ermöglichen, dass nicht alle KommunardInnen ständig erwerbsarbeiten müssen. Um dies überhaupt realisieren zu können, sind wir auf solche Stundenlöhne angewiesen, die gemeinhin nur mit qualifizierter Arbeit erzielt werden können. Diese Dimension ist eine, die in unseren aktuellen Überlegungen ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.

Zurück zu den ruhigeren Gewässern, in die wir mittlerweile wieder eingebogen sind: Eine weitere wichtige Erkenntnis lautete, dass wir uns bemühen müssen, mit der gegenwärtigen Situation so bewusst und sorgfältig umzugehen wie irgend möglich. Wenn es nun mal so ist, dass wir individuell erwerbsarbeiten, dann gilt es, die Effekte davon (z.B. häufige Abwesenheiten Einzelner) besser im Auge zu behalten, nicht zuletzt mittels Kommunikation und Transparenz. Das klappt inzwischen sehr viel besser als ehedem.

Last but not least

So kompliziert einige der von uns gedrehten Schleifen gewesen sind, um unsere gemeinsame Kasse bzw. Geld ist es eigentlich nie gegangen. Oder in anderen Worten: dass wir unser Geld zusammenschmeißen und jede bzw. jeder soviel kriegt, wie sie bzw. er braucht, dieses grundlegende Prinzip ist im Zuge der Debatten um individuelle Erwerbsarbeit zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt worden. Wenn überhaupt, so gibt es die Diskussion darum, wie wir mit unserer insgesamt eher klammen Alla Hopp-Haushaltslage umgehen sollten: Während die einen lieber etwas mehr Geld verdienen möchten, sagen andere, dass die kollektive Erwerbsarbeitszeit auf keinen Fall erhöht werden dürfe, sie plädieren stattdessen für Sparen - z.B. Trampen statt Zugfahren. Letztlich ist das ein nicht auflösbares Spannungsfeld. Denn weder werden KommunardInnen zum Verzicht von irgendetwas gezwungen noch zur Erwerbsarbeit verdonnert. Hier ist es uns vielmehr wichtig, die Fragen immer wieder neu, d.h. im Prozess zu klären. Gegebenenfalls schließt das Konflikte über unterschiedliche Verantwortlichkeiten oder Bedürfnisse mit ein. Denn auf andere Weise, etwa mit strikten Regeln, geht es nicht, zumindest darüber herrscht völliges Einverständnis.

Spätestens nun gilt es mit einem (möglichen) Missverständnis aufzuräumen: Die Tatsache, dass wir uns in Sachen Erwerbsarbeit eher wenig begegnen, heißt natürlich nicht, dass wir auch im sonstigen Alltag wenig oder nichts miteinander zu tun hätten. Schließlich erwerbsarbeiten beileibe nicht alle, und die, die erwerbsarbeiten, tun das ja auch "nur" auf halber Zeit-Flamme - womit wir endlich bei einem neuen Thema angelangt wären: Politik & Widerstand...

Auszüge aus dem noch nicht veralteten Alla Hopp-Rundbrief 20

Uns ist es nicht genug, nur für uns selbst ein gleichberechtigteres und "besseres" Leben zu verwirklichen. Vielmehr setzen wir auch grundsätzlich kapitalistischen, patriarchalen und rassistischen Strukturen Widerstand entgegen, sind also in den unterschiedlichsten politischen Teilbereichen aktiv.

Alla Hopp

Aus CONTRASTE Nr. 241 (Oktober 2004)

BREMEN:

Mottofant oder:
Wie wir bei Alla Hopp auf den Hund gekommen sind

Seit einem Jahr leben wir in der Stadtkommune
Alla Hopp mit Motte zusammen - nach langen
Jahren ohne irgendwelche Haustiere oder auch nur
einer Diskussion darum, ob wir mit selbigen unser
Leben teilen möchten. Und das - so viel sei schon
mal verraten - auf eine angenehme und im großen
und ganzen sehr entspannte Weise. Bevor es so weit
war, haben wir allerdings sehr viele Wenns und
Abers hin- und hergewälzt.


Franzis, Alla Hopp - Im folgenden möchte ich anhand einiger Beiträge von unserer Diskussions-Wäscheleine im Treppenhaus die zentralen Fragestellungen aufzeigen, um die sich die Auseinandersetzung gerankt hat. Und dann möchte ich erzählen, wie sich das Leben mit Motte jetzt gestaltet. Auf die Idee, hierüber in der Kommuja* zu schreiben, bin ich zum einen gekommen, weil mir unser Prozess in seiner Ernsthaftigkeit und Zugewandtheit gefallen hat, zum anderen, weil ich Motte sehr in mein Herz geschlossen habe und das Zusammenleben mit ihr als Bereicherung empfinde.

Zu Beginn war es nur eine von uns - ich werde sie in diesem Text Anna nennen -, die einen Hund wollte (nachdem klar war, dass eine Katze wegen Katzenallergie nicht möglich ist). Ohne diesen starken Wunsch wären wir als Gruppe nicht auf den Hund gekommen. Aber da war er nun, dieser lange Zeit unterdrückte Herzenswunsch, und eine der vielen Facetten des Zusammenlebens, die ich bei Alla Hopp sehr schätze und mag, ist, dass Herzenswünsche und Bedürfnisse sehr ernst genommen werden und auch dann Raum bekommen, wenn sie (vermeintliche) Gruppen-Gewissheiten in Frage stellen. Da war er nun, der Herzenswunsch nach einem Hund, und da waren wir anderen mit den Gefühlen, die die Vorstellung "Hund bei Alla Hopp" in uns auslöste. Wir haben uns mit der Entscheidung Zeit gelassen und sie auf vielen verschiedenen Ebenen hin- und hergewälzt. Es gab Großgruppentreffen; es gab eine Kleingruppe zu dem Thema, an der neben Anna auch der größte "Hunde-Gegner" beteiligt war und die das Thema betreut und für die Treffen aufgearbeitet hat; es gab besagte meinungsbildende Wäscheleine, verschiedene Einzelgespräche, und es war ganz klar, dass auch die Entscheidung für bzw. gegen einen Hund bei Alla Hopp nach dem Konsensprinzip zustande kommen würde.

Nun zur Wäscheleine:

"Ein Hund ist ein sehr soziales Wesen und nimmt Atmosphäre
und Stimmung sehr sensibel wahr. Wir wären
sein Rudel. Er will sich in seiner Umgebung bewegen können
und dabei sein. Um hier gut mit einem Hund zu leben, muss
meiner Meinung nach gewährleistet sein, dass

er sich in der Regel unter uns aufhalten darf, dabei
sein darf. Also nicht zu oft wegorganisiert oder weggesperrt
wird. Wegsperren/Aussperren aus Gesellschaft würde ihn
wahrscheinlich orientierungslos und aggressiv
machen. (...)
sich alle mit ihm bekannt machen und zu ihm verhalten, z.B.
in "Erziehungs-Fragen" alle die gleiche Linie
fahren und den Hund in seine Grenzen weisen. Gerade
auch um zu vermeiden, dass der Hund nur auf mich hört.
(...)
alle sich darüber klar sind, dass so ein anderes Lebewesen
hier den ALLTAG AUF DEM GELÄNDE VERÄNDERT:
in vielen kleinen Bereichen und Situationen - FÜR ALLE.

Könnten wir den Hund auch wieder weggeben? Dabei geht es mir so: Ich habe mich entschieden, in Kommune zu leben und nicht (alleine) mit Tieren (auf dem Land). Deshalb ergibt sich für mich die Priorität: erst die Menschen und das Gruppenklima, dann der Hund. (...)

Falls der Prozess sich doch ungünstig entwickeln würde: KommunardInnen haben dauerhaft Angst, zu viel Stress und Nerv, zu viele Einschränkungen für Menschen und das Tier - dann muss es nach Durchlaufen vieler anderer Versuche und Lösungssuchen möglich sein, für den Hund ein anderes  Zuhause zu suchen. (...)"

"Ich habe keine Angst vor Hunden, habe relativ genaue Vorstellungen darüber, sie nerven mich  einfach. Folge: ich will möglichst wenig mit dem Hund zu tun haben. Nix Gassi gehen, kein Ansprechpartner. Der Hund kann hier sein, aber wenn ich im selben Raum bin, entscheide ich darüber, ob mir das passt. Wenn nicht, lasse ich den Hund einfach aus dem Zimmer - mit der einzigen Einschränkung, dass ich mir überlege, wo die Kinder sind."

"... wenn er überfahren wird, das finde ich nicht gut ... der Hund darf nicht die Sofas zerkratzen, und die Haare und der Schmutz, also beim Anbau (Gemeinschaftsraum) müssen wir schon ein bisschen aufpassen ... und wir dürfen das dem nicht so übel nehmen sondern halt einfach aufpassen und den nicht so fies behandeln. Der hat auch schließlich ein Leben, dass das nicht so ernst ist. So manche Leute schreien ihre Hund total an, das finde ich blöd. Der hat auch ein Gefühl."

"Am meisten Bedenken habe ich, dass sich am Ende  zu wenig um den Hund kümmern. (...) Vielleicht ist dies der größte Punkt, der bei mir noch herum liegt - abgesehen davon, dass wir sehr verbindliche Regeln für die Erziehung brauchen."

"Ich befürchte, dass die Stimmung bei vielen eher so ist, ja gut dann hat Anna halt einen Hund, aber möglichst nicht in meiner Nähe.(...)

Ja, und dann zur Frage: wenn Mensch immer klar vor Hund geht (was ich ja auch sage), wann genau kommt dann der Hund oder leiten sich seine Interessen im Konfliktfall einzig aus der Tatsache ab, dass niemand Anna einfach so ihren Hund wegnehmen will. (...)

Wenn es dann in den Gemeinschaftsbereichen vor allem darum geht, darf der Hund jetzt hier sein, obwohl x doch gesagt hat, er/sie ist so und so und was ist wenn z gleich aufsteht, ständige komplizierte Hundabsprachen etc.. Das fände ich jedenfalls ganz schön nervig und unter'm Strich  hundeunnett. (...)

Na ja, wahrscheinlich wird sich aber ja auch noch was zum positiven wenden, wenn der Hund mal da ist und sich auch selbst seine Sympathiepunkte schaffen kann."

"Was mich schreckt ist das Präsent-Sein-Müssen bzw. Konsequent-Sein-Müssen und überhaupt `Verbots'instanz zu sein. Davon habe ich mit x (eigenes Kind) genug. Meine Vorstellung ist, dass ich dem Hund gegenüber nicht allzu oft in dieser Position sein werde und es von daher tragbar für mich sein müsste, wenn für andere viel für einen Hund spricht."

"Also ich schreibe direkt an Dich, Hund: Ich habe ja immer so ein bisschen Angst und ich ekel mich ein wenig, vor allem, wenn Deine Riesenzunge mich abschlecken würde. Aber Kea sagt, dass muss nicht sein. Ich würde versuchen bzw. hätte sogar Lust darauf mit Dir, du Hund, meiner doch ganz schön distanzierten ängstlichen Haltung langsam zu verändern. Im Moment würde ich Dich aus der Ferne betrachten."

"Also, ich für mich alleine würde mir keinen Hund zulegen. Ich hätte allerdings so manche andere Dinge und Menschen auch nicht in meiner Nähe würde ich für mich alleine entscheiden, z.B. Kinder. Ich selbst möchte keine eigenen Kinder, finde es aber sehr schön und bereichernd, hier mit Kindern zu leben. Mit einigen von Euch würde ich wohl auch nicht in einer kleinen WG leben, genieße aber das gemeinsame Zusammenleben hier. Übertragen auf den Hund bedeutet dies: Ich kann es mir schön vorstellen, wenn hier ein Hund ist, ich glaube, dass das in mir Seiten anspricht, die ansonsten nicht angesprochen sind bzw. Seiten, die gerade am Rauskommen sind in mir, und die das Sein mit einem Hund mit unterstützen könnte."

Wie schon geschrieben, konnten wir uns einigen. Die von allen grundsätzlich geteilte Devise "Mensch kommt vor Tier" hat es möglich gemacht, uns als Gesamtgruppe für einen Hund zu entscheiden. Mit dem Wissen im Hintergrund, dass es der Hund ist, der gehen muss, falls das Zusammenleben nicht klappt, konnten sich die KritikerInnen und SkeptikerInnen darauf einlassen, diesen Herzenswunsch zu erfüllen und "ja" zum Hund zu sagen.

Irgendwann war Motte, zunächst als Welpe, da, und mit ihr eine sehr genaue Anleitung darüber, wie wir uns ihr gegenüber verhalten sollten, auf dass das Zusammenleben möglichst gut klappen würde. An diese Regeln wurde sich im großen und ganzen (genau) gehalten. Neben Anna gibt es andere feste Bezugs- und Kümmerpersonen, an die sich die anderen mit ihren Bedürfnissen und Sorgen zum Thema Hund wenden können. Mit der Zeit ist Motte von uns allen angenommen worden, auch von denen, die zu Anfang arge Bedenken hatten. Manche von ihnen sind gar ihre Fans geworden, während andere, die vorher dachten, sie hätten viel mit dem Hund zu tun, kaum Kontakt mit ihr haben. Mittlerweile haben sich auch alle Kinder mit ihr angenähert und freuen sich an ihrer Gesellschaft. Der Stellenwert, den Motte in ihrem Leben teilweise einnimmt, hat sicherlich auch damit zu tun, dass sie als Stadtkinder ansonsten wenig Kontakt zu (größeren) Tieren haben. Motte betrachtet den Hof als ihr Zuhause, aber nicht als ihr Revier, d.h. sie bellt BesucherInnen nicht an (was uns sehr wichtig war).

Selbstverständlich würde ich nicht so weit gehen, Motte als Kommunardin zu bezeichnen. Aber sie gehört irgendwie dazu, mit ihren Eigenarten und Liebenswürdigkeiten. Und eines steht fest: Wenn sich durch Motte etwas in bezug auf unseren Umgang untereinander verändert hat, dann im positiven Sinne: Zum Teil haben wir neue Seiten aneinander kennen gelernt; einige von uns sind verspielter geworden und die geteilte Begeisterung für Motte hat unter uns neue Verbindungen entstehen oder alte wieder aufleben lassen. Und nicht zu vergessen ist die Erfahrung dieses gemeinsamen Entscheidungsprozesses, ehe wir dann wirklich auf den Hund gekommen sind, der mit viel Leidenschaft, Ernsthaftigkeit und Lust geführt worden ist.

* Aus: Kommuja, Rundbrief der politischen Kommunen

ALLA HOPP

1992 wurde das Kommuneprojekt Alla Hopp gegründet. Dort leben z.Zt. elf FrauenLesben und acht Männer mit fünf Kindern und einem Hund in einer umgebauten und renovierten Bonbonfabrik. Sie betreiben eine gemeinsame Kasse und verstehen sich als links-politische Aktivisten, die überwiegend aus feministisch-autonomen, autonomen, antipatriarchalen, ökosozialistischen sowie Graswurzelzusammenhängen kommen. Die Frage von praktischem Abbau von Herrschaftsverhältnissen und Hierarchien ist für sie ein zentraler Inhalt des Kommunelebens. Da die Gruppe Privateigentum an Immobilien ablehnt, gehört das Gebäude der selbst gegründeten Wohngenossenschaft WiSe e.G.

Stadtkommune Alla Hopp, Hardenbergstrasse
52-54, D-28201 Bremen; Tel/Fax: 0421/5577382

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Stand: 07. August 2008