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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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ASH-Lernwerkstatt

Die ASH-Lernwerkstatt

Erfahrungen mit selbstverwalteter Berufsausbildung

Von Karl Bergmann, Red. Frankfurt/Main - Die Lernwerkstatt ist berühmt, ohne Zweifel. Kaum eine Zeitung, kein Fernsehsender ohne mindestens einen Beitrag zur ASH-Lernwerkstatt.

Klappern, sagt man, gehöre zum Handwerk. Und schließlich sind es Handwerker, die hier ausgebildet werden, Mechaniker, 14 Köpfe, darunter - ist es schon selbstverständlich? - 7 Frauen.

Bezuschußt vom Land Hessen (Sonderprogramm zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze, 2.000 geförderte Ausbildungsplätze pro Jahr. In 4 Jahren darunter ganze 96 "alternative", Kopfprämie vor 2 Jahren 14.500 DM pro Jahr und Azubi - heute: 17.500.-, Bedingung: es müssen "schwer vermittelbare" Azubis sein) und in derselben Höhe von der EG schien es nicht allzu schwierig, mal wirklich modellhaft zu zeigen, was ne Harke ist, wie Ausbildung laufen könnte.

Das ließ sich nicht schlecht an, am Anfang.

Nach etlichen gescheiterten Versuchen, Jugendliche in den Krebsmühlen-Zusammenhang zu integrieren - Versuche, die nicht gelingen konnten, weil die jeweils einzelnen Jugendlichen ihre weitergehenden Lebensinteressen im Projekt nicht realisieren konnten - schien dies die Lösung: die Gruppe von Jugendlichen würde dieses Defizit miteinander aufheben.

Wie wohltuend im Angesicht der sog. "Null-Bock-Generation", Angehörige eben dieser Generation zu erleben, in deren Werteskala Disco und Konsum weit hinten rangierten, wo verbreitete Durchhänger-Mentalität und alten Erziehungs-Zöpfen offensiv der Kampf angesagt wurde.

Lernen ausschließlich über Motivation, aus der Lust an sauberer Arbeit, am Beherrschen der Maschinen und Techniken. Lernwerkstatt: gegen Hierarchie die Gleichberechtigung von Lehrenden und Lernenden. Voneinander lernen – wer mehr weiß als andere, vermittelt dieses Wissen, wenn dies gefragt wird, und gibt praktische Tipps. Lernen nicht im Ghetto, an nur im Rahmen von Ausbildung "sinnvollen" Produkten, die hinterher in den Müll wandern. "Wir produzieren keinen Edelschrott!"

Gegen individuelles Eigentum: alle verdienen alles, bedienen sich nach Bedarf und Bedürfnis aus der gemeinsamen Kasse für alle.

Die Perspektive ist klar: man/frau wird lernen, wird in dieser Zeit marktfähige, sinnvolle Produkte zur Serienreife entwickeln, wird nach der Ausbildung einen gemeinsamen Produktionsbetrieb gründen.

Ein Leben in Selbstverwaltung also, und wenn sie nicht gestorben sind, dann basteln sie noch heute? Keine Sorge: wir haben unsere sattsam bekannte Realität, die schnell und zuverlässig Luftballons zum Platzen bringt.

Vielleicht war es auch zuviel. Die Situation der Krebsmühle in dieser Zeit, mitten im Übergang von der ,,Kommune" zum ,,Arbeitnehmerbetrieb", forderte alle Kräfte und hat sich manchem als undurchschaubares und unentwirrbares Chaos präsentiert.

Dazu die permanent angespannte finanzielle Situation (bis heute nicht abschließend bereinigt und täglich prekär) und eben die Außenwelt, die sehr unvermittelt draufschlagen kann, wenn's opportun erscheint.

Erster Konflikt: die Berufsschule

Staatsknete für Ausbildung ist Zuschuß im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes, und dessen Grenzen sind zwar dehnbar, bleiben aber eng.

Also Berufsschulpflicht. Und da hatten sie auf die unseren gerade gewartet. Schulvater Jahn, Leiter und oberster Tugendwächter dieser Einrichtung, bemängelte so schreckliche Dinge wie Zuspätkommen, Parken auf dem Lehrerparkplatz, Erscheinen in Arbeitskleidung, Zigarettenrauchen an Stellen, an denen es lt. Schulordnung gerade nicht erlaubt war und überhaupt renitentes Verhalten. Den Erfolg der Ausbildung sähe er nicht gewährleistet, Steuergelder würden verschwendet - so klang es von Jahn schon nach drei Wochen (d.h. 3 Berufsschultagen) und tönt es seither in mehr oder minder großen parlamentarischen Anfragen von CDU und FDP im Landtag.

Angesichts solcher Borniertheit gab es Krebsmühle-intern keine Probleme bei der Beurteilung und Bearbeitung der Situation: ein Ausnahmeartikel im Berufsbildungsgesetz gibt der Landesregierung die Möglichkeit, einer Ausbildungsstätte einen eigenen Berufsschullehrer zuzuweisen - und in unserem Fall hat die Landesregierung von diesem Recht Gebrauch gemacht, sicher nicht zuletzt deswegen, weil die Berufsschule selbst den Konflikt als unlösbar bezeichnet und diesen Ausweg vorgeschlagen hatte.

Probleme gab es in Weiterungen. Klar war geworden, daß es eine Ausbildung im geschützten Raum nicht geben wird und daß der Träger der Ausbildung - gleichzeitig Träger der ASH – letztendlich auch finanziell für die Erfüllung der mit der Geldvergabe verbundenen Bedingungen wird gerade stehen müssen. Der Konflikt war damit programmiert: ist die Lernwerkstatt bereit, sich jenseits aller radikalen Ansätze solidarisch verantwortlich zu denen zu verhalten, die offiziell die Ausbildungsmaßnahme tragen und dafür gerade stehen müssen oder begreift sie den Druck, der damit auf der Krebsmühle lastet und an die Lernwerkstatt weitergegeben wird als Druck der Krebsmühle?

In der Diskussion um diese Punkte (...ist es politisch nicht eher wirkungsvoller, die geforderten Prüfungen "nebenher" abzulegen und gerade dadurch zu zeigen, wie viel mehr Ausbildung in Selbstverwaltung leisten kann im Vergleich zur "normalen"? ("muß man nicht auch die Situation der anderen, z.T. geplanten Ausbildungswerkstätten in Selbstverwaltung berücksichtigen, und die Konsequenzen, die unser Verhalten auf die Realisierungschancen dieser Projekte haben kann?") zeigen sich Unterschiede und Versäumnisse.

Wir haben zu wenig diskutiert - unkritisch, positiv voreingenommen. Zu viele Anfangslorbeeren, zu viele Projektionen eigener Wünsche und Ideen.

Platzende Luftballons

- man sei nicht angewiesen (abhängig) von staatlicher Kohle, könne die Ausbildung, da die ja an verwertbaren Produkten läuft, auch ohne diese Kohle durchführen... hieß es - und ganz schnell mußte man lernen, daß trotz dieser Zuschüsse das Geld hinten und vorne nicht reicht.

- man werde den Krebsmühle-Fuhrpark seitens der Lernwerkstatt-Autoschlosser in Ordnung halten, werde überhaupt die vorhandenen und zu entwickelnden Fähigkeiten, soweit es sich um Schlosser- oder Schmiedearbeiten handelt, in den Ausbau der Krebsmühle mit einbringen... hieß es - und ganz schnell begannen solche Hilfeleistungen Geld zu kosten, und da Geld knapp ist bei uns und man also eventuell mal warten muß, ist die Motivation zur Übernahme solcher Arbeiten heute so gut wie nicht mehr vorhanden.

- Gemeinsamkeit bis zur Ausgrenzung, eigener Küche und Distanz zur Krebsmühle war angesagt, Gleichberechtigung, "Lohn"entnahme nach Bedürfnissen, Verzicht auf privates Eigentum ... so ging's los. Aber schon bald waren die privaten Autos und Motorräder bis hin zu Zweitautos die Regel. Lohn gibt es schon lange nicht mehr nach Bedürfnissen, sondern nach Tarif. Und die gemeinsame Perspektive hat sich in Wohlgefallen aufgelöst: innerhalb der Lernwerkstatt verwalten drei Arbeitsgruppen je eigene Kassen, und ich glaube nicht, daß es irgendeine Form von Gewinn- und Lohnausgleich zwischen diesen Gruppen gibt. Zu tief sitzt das gegenseitige Mißtrauen, die individuellen Perspektiven betreffend.

Der Streit um die Einhaltung der äußeren Bedingungen scheint inzwischen entschieden. Die überwiegende Mehrheit hat längst begriffen, daß ohne die staatliche Förderung eine angemessene Ausbildung nicht zu gewährleisten ist, und (hier sage ich leider und meine unsere Fehler und Überforderungen) kaum eine(r) stellt sich sein Leben "danach" als selbstverwaltetes Leben vor - bestenfalls ist das überschaubare Kleinunternehmer-Kollektiv noch eine Perspektive, jenes, wo man einander in Ruhe läßt, solange die Kohle halbwegs stimmt.

Die Prüfung wird also abgelegt werden, sicher nicht mit den schlechtesten Ergebnissen - der Bestand der Krebsmühle scheint also zunächst sicher vor unberechenbaren Individualtrips.

Und mein Gefühl von Scheitern, mit dem ich das traurige Spiel beschreibe, soll die Qualität der geleisteten Ausbildung nicht in Frage stellen. Die ist hoch. Ich habe bewußt nicht von fachlichen Dingen gesprochen, weil ich nicht glaube, daß unter entsprechenden Bedingungen eine fachlich qualifizierte Ausbildung zu machen wäre.

Auch ,,Scheitern" ist relativ, beschreibt mein Unverständnis.

Wie kann ich mir erklären, daß nach einer recht geschickt gestarteten und im Ganzen erfolgreichen Kampagne gegen die herrschenden Ausbildungsverhältnisse in dem Moment, wo die objektiven Bedingungen - für alle sichtbar: notgedrungen - ein Einlenken nötig machen, die Situation total umkippt, der bisher vehement vertretene politische Anspruch nicht mehr existiert?

Ich spreche vom bis dato letzten großen Konflikt:

Die Zwischenprüfung

 

Wieder Berufsbildungsgesetz: nach gut einem Jahr müssen alle Azubis eine einheitliche Zwischenprüfung vor Prüfern der Kammer ablegen. Diese Prüfung wird nicht benotet, nur "bepunktet": die Lehrlinge erhalten einen Computerbogen, aus dem für jedes Arbeitsgebiet hervorgeht, wie viele von 100 möglichen Punkten in der Prüfung erreicht wurden.

Wie dem auch sei: unsere Lernwerkstatt argumentierte sehr logisch, daß es wohl ein Unding sei, auf der Grundlage des bei uns gefahrenen (stillschweigend gebilligten, wenn auch nicht offiziell gutgeheißenen) explizit anderen Ausbildungsansatzes eine Prüfung ablegen zu sollen, die sich nach dem Motto "quadratisch-praktisch-gut" an den Produktionsbedürfnissen für ,,Edelschrott' orientiert.

Die Lernwerkstatt sei jederzeit auch Prüfern zugänglich – man möge prüfen, ob das, was hier geleistet wird, den Prüfungsanforderungen vom Schwierigkeitsgrad her gleichkommt.

Ein entsprechender Antrag an die Kammer wurde abgelehnt mit Hinweis auf das Gesetz, nach dem alle gleich zu behandeln sind (ein wenig hilfreicher Grundsatz eigentlich, wenn man bedenkt, wie erfreulich unterschiedlich Menschen sein können).

Darauf Diskussion im Plenum der Krebsmühle: was tun?

In der Spannung zwischen dem Bedürfnis der Lernwerkstatt, sich nicht zu unterwerfen und dem mittlerweile gewachsenen Mißtrauen von Vielen bei uns gegenüber der Lernwerkstatt, sich nicht an Absprachen zu halten, wuchs der Kompromiß: nicht reaktiv - offensiv mit der Situation umgehen!

Klar ist, worauf es denen ankommt: die Prüfung des Einzelnen. Da läßt sich auf die Schnelle nicht dran kratzen. Man muß aber ja auch nicht unbedingt nur nein sagen. Eine Menge ist geleistet worden, Fähigkeiten entwickelt, die z.T. erst bei der Gesellenprüfung verlangt werden \ warum nicht solche Gegenstände und Teile davon mit Zeichnungen als Prüfgegenstand zur Prüfung vorlegen: "so, jetzt überprüft konkret, ob wir das innerhalb der festgelegten Zeit sauber fertigen können. Und dann vergleicht das Geleistete mit den "normalen" Anforderungen der Zwischenprüfung".

Die Lernwerkstatt war einverstanden, so zu verfahren und hatte unter dieser Voraussetzung die Zustimmung des Plenums, die "normale" Zwischenprüfung zu verweigern. Dann geschah aber nur das eine \ und das andere wurde unterlassen, weil mit Arbeit verbunden, jener unangenehmen an Schreibtisch und -maschine.

Die Folgen

1. eine Flut von Zeitungsartikeln, PR, die nach hinten losging, weil kaum einer der Presseleute begriff, was mit der Verweigerung der Zwischenprüfung eigentlich gewollt war (ich denke trotzdem, daß das Problem verquerer überholter Ausbildungsgänge bis dahin kaum jemals öffentlichkeitswirksamer in Frage gestellt worden ist).

2. die Wiederauflage des CDU/FDP-Vorwurfs des Subventionsbetrugs und der Verschwendung von Steuermitteln.

3. das kopfschüttelnde Sich-Abwenden von Sympathisanten innerhalb der Gewerkschaften und der SPD, die meinten, hier solle generell die Pflicht in Frage gestellt werden, sich einer Prüfung zu unterziehen - ein Gesetz, das SPD und Gewerkschaften gegen Unternehmerwillkür und Ausbeutung von Lehrlingen durchgesetzt haben und zu Recht als sozialen Erfolg verstehen.

4. das Schulterklopfen zuweilen recht merkwürdiger neuer Freunde vor allem aus Handwerkerkreisen.

5. das umkippen einer gemeinsamen Sitzung von Vertretern des südhessischen Verbandes selbstverwalteter Betriebe und solchen des Arbeitskreises "Wirtschaft und Technik" der SPD-Fraktion in eine Fragestunde zur Situation der Lernwerkstatt mit der Ankündigung, ein Brief des Wirtschaftsministeriums sei unterwegs an die Krebsmühle, mit dem die bisher gezahlten 300.000 DM Ausbildungsbeihilfen zurückgefordert würden.

Das Ende also für die Krebsmühle? Wir leben noch - dank der Eigeninteressen der Lernlinge -, aber so ziemlich das Ende der Beziehung zwischen Krebsmühle und Lernwerkstatt.

Es gab recht harte Diskussionen nach jener Sitzung. Ein erneuter Termin für die Zwischenprüfung wurde ausgehandelt, die Prüfung abgelegt.

Und es gab ein Gespräch zwischen SPDlern und der Lernwerkstatt, in dem diese ihre Bereitschaft bekundete, in gemeinsamen Diskussionen mit Gewerkschaftsvertretern ein Modell für die Abschlußprüfung auszuhandeln, in dem nicht der/die einzelne Lernling, sondern die Gesamtheit der Lernlinge als Team geprüft werden könnte.

Das wäre ja die halbe Miete oder mehr

Die Lernwerkstatt aber sitzt im Schmollwinkel. Nichts passiert in solche Richtung. Sondern: Perspektive flöten, jeder für sich, getrennte Kassen mit entsprechenden Konkurrenzen s.o. ... 

Seit der Zwischenprüfung heißt die Parole: machen, was unbedingt gemacht werden muß, ansonsten - Arschlecken.

Wie schön einfach, sich äußere Feinde zu zaubern, wo noch gar keine sind: man muß sich jedenfalls nicht mit den wirklichen Problemen, denen der Gruppe, denen eigener Veränderungsnotwendigkeiten beschäftigen.

Und unsere Konsequenz?

Tja, leicht gefragt. Das Unbehagen wächst, und es sieht ganz so aus, als käme es über kurz zu größeren Veränderungen. In einer Plenumsdiskussion wurde die Frage aktualisiert, ob Ausbildung in der Art, wie wir sie kennen, nicht schon im Ansatz verfehlt ist.

Weiß ein(e) 15/16-jährige(r) schon, was er/sie will – zumal die "freie Wahl" schon lange nicht mehr existiert?

Wäre es nicht sinnvoller, Erziehung, Ausbildung insgesamt anders anzulegen?

Uns schwebt in solchen Diskussionen ein Bildungsweg vor, der nach den ersten Jahren in der Gruppe in der freien Schule beginnt, deren Ausbildungsberechtigung auch die sog. Sekundärstufe I umfassen müßte. Im Rahmen der Schule wären - in Zusammenarbeit mit den selbstverwalteten Betrieben der Region - handwerkliche Grundkenntnisse zu vermitteln, Wissen genug, im benachbarten Ausland bei befreundeten Gruppen nach der Schule ein paar Jahre lang den eigenen Horizont und die eigene Persönlichkeit entwickeln zu können, ohne schmarotzen zu müssen. Erst dann wäre vom Einzelnen zu entscheiden: Uni oder Handwerk, Schmied oder Biologe (wobei ich denke, daß die Frage sich so alternativ nicht mehr stellen würde).

Wünschenswert wäre, daß endlich erkannt wird, in welch hohem Umfang in selbstverwalteten Betrieben jenseits aller offiziösen Maßnahmen Ausbildung funktioniert. Ausbildung nicht losgelöst vom Produktionsprozeß, sondern als Teil davon. Ich meine den beständigen Lernprozeß, der aus dem Anspruch "jeder soll alles machen dürfen" und "es ist gut, wenn alle alles können" resultiert. Dieser überaus nützliche (und deshalb langlebige) Anspruch treibt voran, macht den Tresenverwalter im selbstverwalteten Cafe gleichzeitig zum Experten der Buchhaltung und den Schreiner von heute zum Drucker von morgen. 

Learning by doing - Berufsbildung statt Ausbildung

Wünschenswert wäre, daß diese Art Ausbildung ähnlich subventioniert würde, wie die nach Berufsbildungsgesetz und mit staatlichem Abschluß. Wünschenswert wäre, diesem Bildungsprozeß die notwendige Zeit in Ruhe widmen zu können, ein Stück weit entlastet vom beständigen Druck der Produktions- und Finanznotwendigkeiten.

Das ist aber absehbar nicht zu erwarten.

Sollten wir uns trotz unserer derzeitigen negativen Erfahrungen jemals wieder zur Durchführung einer Ausbildungsmaßnahme entschließen, wird die eines mit Sicherheit nicht bieten: die Art Autonomie, die in naiver Überschätzung der realen Bedingungen und Möglichkeiten der Lernwerkstatt zugestanden worden ist.

Allgemeine Gleichheit und damit Gleichberechtigung einfach zu unterstellen – was für ein Blödsinn! Zur gleichen Berechtigung gehört auch die freiwillige Übernahme eines adäquaten Teils der Verantwortung - und diese Einsicht will erst mal erlernt sein.

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 05. April 2010