Monatszeitung für Selbstorganisation
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20 JAHRE BUNDESVERBAND FREIE ALTERNATIVSCHULENLernen geht (auch) anders
Derzeit gibt es in Deutschland 85 Alternativschulen und 15 Initiativen mit über 4.000 Schülerinnen und Schülern. Tendenz steigend. Das Gleiche gilt für Waldorf- und Montessorischulen. Sieben Jahre nach den erschütternden PISA-Ergebnissen sind viele Eltern in Sorge um die Bildung im Land der Dichter und Denker. Sie engagieren sich deshalb für eine Schule, die ihre Kinder die größtmögliche Individualität zugestehen kann, gleichzeitig ihnen aber auch alles Notwenige vermitteln kann, was sie später brauchen werden. Von Christiane Texdorf - Eine Alternativschule hat im Gegensatz zur staatlichen Regelschule ein auf individuelles, selbstständiges Lernen bezogenes pädagogisches Konzept. Lernen soll anders organisiert werden, als es gemeinhin üblich ist: Pädagogische Prinzipien leiten sich aus der Vielfalt reformpädagogischer Ansätze aus dem In- und Ausland ab und prägen nachhaltig die Lernatmosphäre der jeweiligen Schule. Freie Schulen arbeiten in freier - also nicht staatlicher - Trägerschaft. Waldorf- und Montessori-Schulen haben eine eigene Erziehungsphilosophie inklusive methodisch-didaktisch verbindlicher Leitlinien und sind oftmals in eigenen Verbänden organisiert. Alternativschulen finanzieren und verwalten sich selbst. Sie sind insofern nicht an pädagogische Methoden- Standards gebunden und können dadurch andere Bildungsschwerpunkte setzen. Sie müssen sich an die Vorgaben des staatlichen Lehrplans halten - die Vermittlung der Lerninhalte können diese Schulen allerdings autonom gestalten. Im Konzept von Alternativschulen wird Kindheit als eigenständige Lebensphase mit dem Recht auf Selbstbestimmung, Glück und Zufriedenheit verstanden und dementsprechend als pädagogische Grundlage für das Lernen gefordert: Schule als Raum für freie Entfaltung kindlicher Bedürfnisse nach lebensnahem Lernen im Sinne von Eigeninitiative, Selbstverantwortung und Mitbestimmung. Regeln werden von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichberechtigt ausgehandelt. Es wird auf Leistungsdruck und Konkurrenzdenken zugunsten von Kreativität und Selbstorganisation verzichtet: Es gibt keine Zensuren, keine Prüfungen und kein Abfragen von abstraktem, standardisiertem Wissen. Die Lerninhalte werden von Kindern und Lehrern gemeinsam festgelegt. Projekte entstehen aus aktuellen Fragen und auf Wunsch der Kinder. Alternativschulen bemühen sich um vielfältige und flexible Erfahrungsräume und Lernformen. Das soziale Lernen hat einen besonderen Stellenwert: Schule wird als enge Gemeinschaft verstanden und durch vielfältige gemeinsame Entscheidungs- und Teamprozesse für alle eine Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung auch im Umgang mit Konflikten. Initiative ergreifen in allen Lebensbereichen ist eines der tragenden Lernziele an Freien Alternativschulen. "Lernen lernen", "Leben lernen" und "Ganzheitliches Lernen in Sinnzusammenhängen" - sind Slogans auf Homepages und Flyern von Freien Alternativschulen. Die Teilnahme am Unterricht - da, wo es ihn gibt - ist weitestgehend freiwillig, "Sitzenbleiben" gibt es nicht. Die Lerngruppen sind altersgemischt und werden von mehreren pädagogischen Fachkräften betreut. Individuelles Lernen und die innere Motivation der Kinder stehen im Zentrum so genannter "offener Unterrichtsformen". Die Zusammenarbeit zwischen Schülern, Eltern und Pädagogen ist eng und demokratisch. Eltern müssen zusätzlich zum Schulgeld im Alltag der Schule mitwirken, z.B. für die Reinigung und Renovierung der Räume sorgen, Lernmaterialien herstellen oder kochen. Der BFAS wurde 1988 zur finanziellen und juristischen Unterstützung von Initiativen zur Gründung einer Freien Alternativschule gegründet. Der Verband organisiert Lehrerfortbildungen und bietet eine Plattform zum pädagogischen Austausch von Erfahrungen an Freien Alternativschulen. Außerdem bemüht sich der BFAS um die Einflussnahme auf Gesetzgebungsverfahren zugunsten reformpädagogischer Standards in bildungspolitischen Fragen und verfolgt von daher eine rege Öffentlichkeitsarbeit gegen eine meist misstrauische Presse. Kritiker äußern, dass an Alternativschulen am modernen Leben vorbei unterrichtet bzw. gar nicht unterrichtet werde. Diese Schulen bereiten ihrer Meinung nach nicht auf das Leben vor, sondern gaukeln Schülern und Schülerinnen eine heile Welt ohne Druck und Verteilungskampf vor. Wenn sie die Schule verlassen, seien diese jungen Menschen nicht wettbewerbsfähig und hätten es schwer, sich in der Gesellschaft zurecht zu finden. Demgegenüber steht die Auffassung vom ganzheitlichen Lernen als optimale Vorbereitung auf das, was es im Leben wirklich braucht, gerade auch in der sich verändernden Lebens- und Arbeitswelt. Schwerpunktthema Seite 7 bis 10 AUTORINChristiane Texdorf ist Kunstpädagogin in der freien Schule Lindau, Grundschule seit 2005. www.freieschulelindau.de |
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