TAUSCHRINGE: GEGENSEITIGE HILFEN ODER GEGENSEITIG AUFRECHNEN?
Möglichkeiten und Grenzen
Nun gibt es sie schon einige Jahre. Sie haben
oftmals
auch gut funktioniert, das heißt, viele erfolgreiche
Austauschakte ermöglicht und Kontakte unter den
Beteiligten befördert. Aber die "Phase der Verliebtheit"
ist vorbei. Manche Tauschringe dümpeln mit einer
geringen Tauschhäufigkeit vor sich hin. Andere sind
eingeschlafen. Andererseits kommen ständig noch neue
Gruppen hinzu. Es gibt in Deutschland ca.
300 Tauschringe. Wir fanden es in der
CONTRASTE-Redaktion an der Zeit, einmal einen
solidarisch-kritischen Rückblick und Ausblick zu
probieren.
Hilmar Kunath, Redaktion Hamburg - WIE ein
Tauschring funktioniert, wissen inzwischen viele: Jede bietet ihre Fähigkeiten
an oder genießt die Fähigkeiten der anderen... Es wird verrechnet in
Zeiteinheiten, die lose an den Euro angelehnt sind. Ziel dieses Wirtschaftens
ist es, viele Tauschaktivitäten zu ermöglichen. Dabei soll ein etwa
ausgeglichenes Konto angestrebt werden.
Ein Tauschring hat für die aktiv Tauschenden einige offensichtliche
Vorteile: Es kann jedeR das anbieten, was den eigenen Neigungen entspricht. Es
muss allerdings auf diesem Markt auch gebraucht werden. Jeder kann die Häufigkeit
der Aktionen selbst regulieren. Es können menschliche Kontakte entstehen, die
deutlich über das formale Tauschen hinausgehen. "Organisierter Hilfetausch
schafft ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Gebenden und
Nehmenden." (Zeit-Tauschring Frankfurt Nordwest) Wirtschaften kann ein Stück
weit in die eigenen Hände genommen werden, wird übersichtlich und direkter
erfahrbar, während es sonst über Supermärkte, große Privatfirmen, Behörden
usw. die Menschen eher zu Teilen eines Apparates macht.
Aber sehen wir näher, auf welche Grenzen die Tauschring-Aktionen inzwischen
gestoßen sind. (Dazu sollen auch die abgedruckten Berichte beitragen.
Herzlichen Dank an alle! Wir bleiben, wenn möglich in Kontakt!)
Ein Tauschring sollte nach den Erfahrungen einiger Aktiver schon über 100
Mitglieder haben, um ein relativ attraktives Angebot mit einer gewissen Tauschhäufigkeit
zu verbinden. Auf dem Lande, oder wenn ein hoher Bekanntheitsgrad unter den
Tauschenden mitgebracht wird, reichen wohl auch weniger Mitglieder. Schaffen es
die Tauschringe wirklich, längerfristig eine verhältnismäßig hohe
"Tauschdichte" und ein ausgeglichenes Verhältnis von Geben und Nehmen
zu ermöglichen? Voraussetzung dafür ist wohl auch ein Prozess des
Kennenlernens am Ort und im Stadtteil, eine bewusste Beschränkung auf einen übersichtlichen
Kreis von Menschen. Manchmal fehlen attraktive Angebote, die eigentlich benötigt
würden, z.B. bestimmte Handwerker-Arbeiten. Trotzdem hat es nach den Berichten
ein Teil der Tauschringe geschafft. Diese wollen erklärtermaßen meist nicht
weiter wachsen und verbinden bewusst keine weitergehenden Wünsche
demokratischen Wirtschaftens damit.
Ein anderer Teil der Tauschringe will den Austausch intensivieren und durch
die Ausgabe von Regionalgeld ergänzen. Da gehen die Tauschringe einen Schritt über
ihre unmittelbaren Erfahrungen hinaus.
Ziel: Geldreform?
Geld, speziell die Funktion des Zinses, wird als die Ursache fast allen
wirtschaftlichen Übels angesehen. Deshalb probieren diese Menschen eine
Geldreform. Sie bringen unter sich ein Geld in Umlauf, dass dem Zinsverbot
unterliegt. Hinzu kommt ein kleiner, verabredeter Wertverfall, als Anreiz, das
Regionalgeld nicht zu horten, sondern wieder in Umlauf zu bringen. Die private
Warenwirtschaft, auch die übliche Kapitalbildung werden ansonsten als
unproblematisch empfunden. Es kommt eine bestimmte Einschätzung der Rolle des
Geldes hinzu. Geld erscheint allen Geldbenutzern als praktisches
Austauschmittel. Die Waren erscheinen gar nicht als Träger von abstraktem Wert,
sondern nur als nützliche Dinge, Güter oder Dienstleistungen. Ihr zusätzlicher
Wertcharakter fällt ihnen an den Dingen als Waren nicht auf. Er springt ihnen
dagegen in der Allgemeingestalt des Wertes, im Geld, ins Auge.
An der Einschätzung der Rolle des Geldes hängt auch die Frage, ob die
Tauschringe eher eine (Arbeits-)Marktlücke füllen sollen oder als ein Ansatz Für
eine neue, demokratischere Wirtschaftsweise verstanden werden. Die Geldreformer
betonen den Vorteil einer direkteren Aktivität der Beteiligten als Austauscher
gegenüber dem herkömmlichen Markt. Sie wollen das Marktgeschehen selbst
demokratisieren. Die Kritiker sehen eher die Neueinübung des dieser
Gesellschaft ohnehin zu Grunde liegenden Tauschprinzips ("Ich gebe dir,
wenn du mir Gleichwertiges gemäss dem Marktwert für Waren und Arbeitskraft
gibst") Andere Gruppen demokratischen Wirtschaftens kritisieren das
Tauschprinzip auch praktisch. Sie bringen in Umsonstläden,
Projektgemeinschaften, Nutzergemeinschaften und Gratisringen Geben und Nehmen in
ein loseres Verhältnis als im Tauschring.
Die Debatte zwischen Geldreformern und Kritikern von Waren und Geld soll hier
in der CONTRASTE weiter in solidarische Weise ausgetragen werden - zum Nutzen
aller.
Schwerpunktthema auf den Seiten 7 bis 10