ALTERNATIVEN ZUR NEOLIBERALEN SOZIALPOLITIK
Zur Zukunft des Sozialen
Es wird wieder Grundsätzliches
diskutiert: Entwürfe für ein besseres und gerechteres soziales System sind gefragt, denn
die neoliberale Sozialpolitik drängt immer mehr Menschen an den Rand dieser Gesellschaft.
Zur Diskussion um die Zukunft des Sozialen und um Ideen von unten vom Ehrenamt bis zur
solidarischen Ökonomie bietet das Sozialpolitische Forum vom 22. bis 24. Oktober in Nürnberg
ausreichend Gelegenheit. Unser Schwerpunktthema auf den Seiten 7 bis 9.
Peter Streiff, Redaktion Stuttgart - "Arbeit und soziale Gerechtigkeit" hatten
die Gewerkschaften noch im Bundestagswahlkampf vor einem Jahr gefordert und damit die neue
Regierung wohl mit ins Amt gehoben. Von Aufbruchstimmung war damals die Rede und wer an
Veränderungen durch Wahlen glaubte, hoffte auf einen Wandel hin zu einer Entlastung der
Armen in dieser Gesellschaft. Nun ist die Stimmung einer kollektiven Frustration gewichen,
die von ZeitungskommentatorInnen nach den letzten Landtagswahlen bereits als resignierende
Abstinenz bezeichnet wurde.
Das erhoffte Signal für arme, erwerbslose
und sozialhilfebeziehende Menschen blieb aus - im Gegenteil: Die soziale Ausgrenzung geht
unvermindert weiter, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft
der Sozialhilfeinitiativen feststellt:
"Die Ökosteuer belastet Armenhaushalte mehr als energieintensive Unternehmen,
Steuerentlastungen und Kindergelderhöhungen gehen komplett an uns vorbei, im Bündnis für
Arbeit wird über unsere Köpfe hinweg verhandelt und aus dem Finanzministerium wird schon
wieder altbekannt mit dem Säbel gerasselt." Als "notwendige Einsparungen im
Sozialhaushalt" würde beispielsweise die geplante Pauschalierung der Leistungen in
der Sozialhilfe von der Regierung angepriesen. Diese Pläne verurteilen die betroffenen
Initiativen in ihrer Stellungnahme, die wir auszugsweise abdrucken, als "Experiment
mit neoliberaler Eigenverantwortungsideologie" und belegen dies mit Zahlen aus der
Praxis.
Diese Ideologie sei bei Erwerbslosen bereits
weitgehend verbreitet, wie unser zweiter Autor feststellt. Als Einzelkämpfertum
bezeichnet er die Haltung vieler erwerbsloser Menschen, die zudem unterstützt werde durch
ein Beratungssystem, das dem "Glauben individueller Machbarkeit" verpflichtet
sei und sich nur mit den einzelnen Personen beschäftige, statt Erwerbslosigkeit als
gesellschaftliches Problem anzugehen. Er stellt fest, dass dadurch die Spaltung und
Polarisierung in gesellschaftliche GewinnerInnen und VerliererInnen immer deutlicher wird,
und fordert "eine gerechte Verteilung der vorhandenen Arbeit".
Im zentralen Beitrag unseres
Schwerpunktthemas, der die Krise des bundesdeutschen Sozialstaats ausführlich untersucht,
wird diese Forderung ebenso von Gisela
Notz aufgestellt. Statt ehrenamtlicher
Arbeit, die meist in ungesicherten und und damit unsicheren Arbeitsplaetzen verrichtet
werden muss und zudem mit dem ideologischen Mäntelchen menschlicher Wärme zugedeckt
wird, weil sie meist von Frauen ausgeführt wird, müsse der Kernpunkt einer reformierten
Sozialpolitik eine andere Arbeitsmarktpolitik sein. Eine Lösung für die Zukunft gebe es
nur, "wenn es gelingt, die begrenzt vorhandene, existenzsichernd bezahlte Arbeit und
die im Überfluss vorhandene, unbezahlte Arbeit auf mehr Menschen und auf die Menschen
beiderlei Geschlechts zu verteilen."
Das Thema Sozialpolitik beschränkt sich
diesmal nicht nur auf die Schwerpunktseiten: Die seit einiger Zeit geführte Debatte um
verschiedene Formen eines Existenzgeldes für alle wird von Dieter Koschek fortgeführt, indem er auf die Kritik in der letzten CONTRASTE
detailliert eingeht. Außerdem untersucht Helmut Creutz den
Zusammenhang zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik und vergleicht unsere
heutige Situation mit der vor siebzig Jahren.
Diskussionsstoff genug - das
Sozialpolitische Forum in Nürnberg verspricht vielfältig und spannend zu werden. Details
zum Programm und Anmeldeinformationen auf Seite 2.