Neues aus der Tauschringszene
Tauschen statt kaufen
Letzten Herbst wurde in Berlin, Prenzlauer Berg vom "Fuggbüro",
den "Glücklichen Arbeitslosen", dem "Institut für Vollbeschäftigung und
der Erforschung des Unbemerkten", der "Hochstaplerakademie" und einigen Künstlern
eine Messe zur Geldbeschaffung - die GBM Geldbeschaffungsmaßnahme organisiert. Eingeladen
war auch der Kaufhaus Erpresser, Arno Funke alias "Dagobert", um ein Seminar zur
Herstellung von "Geldübergabegeräten" zu halten. "Dagobert" konnte
leider nicht kommen...
Ricarda Buch, Redaktion Berlin - Dennoch erfuhren die Besucher der Messe allerlei
Neues darüber, wie sie sich das knappe Gut "Geld" verschaffen können. So
wurden Prenzlauer Bergwerks Aktien emittiert, ein Lehrfilm über Taschendiebstahl wurde
gezeigt, in einer Werkstatt kontemplativ das Knacken von Schlössern geübt und ein
Wettlauf von (un)glücklichen Arbeitslosen veranstaltet. Mit Tafeln auf denen geschrieben
stand, "Spende und du wirst ewig leben", "Spende und du wirst deiner großen
Liebe begegnen", "Spende und du wirst so gut wie Kapielski" (einem Berliner
Underground-Künstler) wurde das Publikum aufgefordert, seine Taschen zugunsten der Kultur
zu leeren. Leider mehr oder weniger erfolglos, denn die Subkultur war abgesehen von
professionell neugierigen Medienvertretern unter sich. In der Abschlussdiskussion zeigte
sich der Existenzdruck, in den Künstler und Künstlerinnen in der Krise geraten. Denn bei
einem Staatsdefizit von 1,5 Billionen DM bleibt zur Subventionierung von Kunst und Kultur
jenseits des Gewohnten nichts übrig. Aber nicht nur die Armut nimmt in der Kulturszene
zu, sondern auch die Kritik am herrschenden Geld- und Verteilungssystem: So wurden auf der
Messe u.a. auch Geldscheine verbrannt.
In dieser Ausgabe von CONTRASTE geht es aber
nicht vorrangig um die Kritik am bestehenden Geldsystem, sondern wieder einmal um die
Auswege - um tauschen statt kaufen. Der Unternehmensberater und Autor Helmut Saiger meint
in einem Interview mit Radio Ruhr, das uns Volker Windisch vom Tauschring Essen besorgt
hat, dass laut einer EU-Studie durch E-Commerce und Internet weitere 3 bis 7 Millionen
Arbeitsplätze vernichtet werden. Er macht sich Gedanken zur Zukunft der Arbeit, die er im
Ausbau der Eigenarbeit mit neuen Formen des Do-It-Yourself der Familienarbeit sieht, er
fordert aber auch eine Weiterentwicklung der "Tauscharbeit" und eine andere
Entlohnung von Gemeinsinnarbeit (vom Ehrenamt) oder der Bildungsarbeit, die über
Gutscheine entlohnt werden könnten. Voraussetzung dafür ist, dass Kommunen und Betriebe
Bürgergeld oder Tauschgeld akzeptieren. Wie so etwas umgesetzt werden könnte, dazu hat
der Verein Neues Lernen e.V. ein Projekt entwickelt und beantragt, das bei Bewilligung zunächst
in den Berliner Bezirken Marzahn und Schöneberg neue Zielgruppen und freie Träger in
Tauschringe integrieren will. Vor dem Hintergrund eines fortschreitenden Verdrängungsprozesses
von Frauen aus dem Erwerbsleben geht es in dieser Ausgabe auch um Tauschringe als Modell
zum Entgelt sonst unbezahlter Familienarbeit. Schließlich sei noch zum Thema Tauschringe
auf eine Rezension des neuen Buches von Bernard Lietär - Das Geld der Zukunft - Über die
destruktive Wirkung des existierenden Geldsystems und die Entwicklung von Komplementärwährungen
hingewiesen.
Schwerpunktthema Seite 6 bis 9