Monatszeitung für Selbstorganisation
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Werkstattausrüstung für die Dritte WeltInterviewpartner war Gerd Müssener von der Firma Souvignier in Aachen, gleichzeitig Mitglied des Arbeitskreises 3. Welt e.V. (südliches Afrika). Das Interview führte Jan Konwinski, Mitarbeiter vom Netzwerk und dem Dritte-Welt-Laden in Aachen. Jan: Ihr habt vor einiger Zeit als drei gleichberechtigte Teilhaber einen metallverarbeitenden Betrieb übernommen. Bis jetzt macht ihr Reparaturarbeiten, Neuanfertigungen von Maschinenteilen und Kleinserien von Metallprodukten für andere Firmen im Aachener Raum. Aber nun wollt ihr auch Werkstattausrüstungen für die Dritte Welt anbieten. Kannst Du vielleicht am Beispiel des Partnerprojekts in Zimbabwe, das der AK 3. Welt e.V. betreut, den Bedarf für solche Ausrüstungen erläutern. Gerd: Auf Anfrage von einem Lehrer des Schulfarmprojekts in Zimbabwe haben wir die Grundausrüstung für 2 Metallwerkstätten besorgt. D.h. Säulenbohrmaschinen und mechanische Metallsägen samt komplettem Zubehör. Das ganze sind Sachen, die zur Zeit in Zimbabwe nicht zu bekommen sind. Jan: Also mal ganz platt gesagt; es gibt in der Solidaritätsbewegung wirklich einen Haufen aktiver Leute die in politischer Solidarität mit der 3. Welt, persönlicher Weiterbildung und dem Versuch von Gegeninformation für die Öffentlichkeit kompetent sind. Aber wenn es dann um die fachliche Projektbeurteilung gerade im technischen Bereich geht, ist tote Hose. Selbstüberschätzung kann dann fatale Folgen haben. Kannst Du ein Beispiel dafür geben wie wichtig die Fähigkeit zur Beurteilung einer Anfrage sein kann? Gerd: Zum Beispiel jetzt diese Anfrage aus Zimbabwe. Der dortige Lehrer hatte einen Prospekt von einer Metallkreissäge vorliegen und wir sollten ihm die beschaffen. Diese Säge hat aber den Nachteil, das die Sägeblätter sehr teuer sind und schnell kaputtgehen, für eine Lehrwerkstatt also überhaupt nicht geeignet sind. Und außerdem müssen die Blätter sehr häufig geschärft werden, wozu man eine extra Maschine braucht und besonders ausgebildet sein muß. Viel sinnvoller ist dagegen eine mechanische Bügelsäge, die wir dann nach Rücksprache mit dem Entsprechenden auch besorgt haben. Jan: Welche Teilbereiche umfaßt Euer Angebot an Dienstleistungen? Gerd: Wir bieten grundsätzlich erst mal die schon erwähnte Beratung über Ausstattung von Werkstätten an. Wir können neue Maschinen und Werkzeuge über den Großhandel beschaffen, alte Maschinen kaufen und instandsetzen. Jan: Wie sieht dabei die Zusammenarbeit mit der Holzcoop aus? Gerd: Ja, die Holzcoop, bzw. die Ausbildungswerkstatt, hat Räume zum Lagern der Maschinen zur Verfügung gestellt und hat sich auch bereiterklärt, für den Holzbereich eine beratende Funktion zu übernehmen. Sie selbst unterstützen personell und ideell ein Projekt in Nicaragua (Aufbau eines Sägewerks in San Miguelito innerhalb des Medico-Projekts am Rio San Juan). Jan: Zurück zu Eurer Firma. Mit dem neuen Aufgabenfeld kann eine Menge Mehrarbeit auf Euch zurollen. Mal ganz abgesehen von der Leistbarkeit denke ich, für so eine Sache braucht man eine gefestigte Gruppe. Wie sieht das heute bei Euch aus? Gerd: Im Prinzip ist die Werkstattausrüstung ein normaler Geschäftsbereich von uns. Wir können das auch nur machen, wenn wir nichts dazuschießen. Wir müssen unseren normalen Tarif für diesen Aufwand berechnen. Die Kosten sind aber niedriger als im üblichen Handel. Jan: Wir haben jetzt viel über Einzelheiten geredet und dabei vielleicht den theoretischen Überbau vernachlässigt. Ich möchte Dich zum Schluß mit einigen Sätzen von Johan Galtung konfrontieren. Der sagt, wir (die Industriestaaten) übertreiben unsere Bedeutung als Kausalfaktor. Die Entwicklungsländer müssen für sich selbst produzieren und untereinander Handel treiben aber nicht mit uns Industriestaaten. Originalton Galtung: "Wenn das für uns problematisch ist, dann ist es unser Problem. Wir müssen dafür eine Lösung finden, und die beste Lösung ist im allgemeinen eine grüne Wirtschaftspolitik bei uns." Unsere Aufgabe ist es nur, nicht im Wege zu stehen. Soweit. Wenn ich das auf Euren Transfer von Werkstattausrüstung übertrage heißt das doch: Zimbabwe sollte sich die Werkstattausrüstung besser bei seinen Nachbarn besorgen, aber auf keinen Fall im fernen Deutschland. Also kein Transfer von der Aachener Firma Souvignier, völlig übertrieben, baut nur neue Abhängigkeiten auf. Was sagst Du dazu? Gerd: Für Zimbabwe hieße das, Werkzeugmaschinen aus Korea oder Brasilien zu beziehen; weil das halt Länder sind, die schon soweit industrialisiert sind, daß sie solche Maschinen überhaupt produzieren können. Im Prinzip sind wir der gleichen Meinung wie Galtung. Doch in der Realität müssen unter den Ländern der 3. Welt erst mal Handelswege aufgebaut werden, die nicht von heute auf morgen entstehen können. Die Leute in Zimbabwe brauchen aber im Moment Maschinen zur Grundbearbeitung von Metallen und können nicht warten, bis neue Verkehrswege aufgebaut sind. Im vorhandenen Fall haben wir uns auch erst zur Lieferung entschlossen, als wir hörten, daß die angeforderten Maschinen in Zimbabwe selbst sogar mit Devisen nicht zu bekommen waren. Grundsätzlich wollen wir den Werkzeug- und Maschinenexport als normale Geschäftstätigkeit sehen. Unsere politische Überzeugung versuchen wir hierbei uns zu realisieren, indem wir selber ein Kollektiv gegründet haben. |
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