Monatszeitung für Selbstorganisation
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Hat die alternative Ökonomie eine Zukunft?Einleitung des im Februar d.J. erscheinenden Buches von Bischoff/Damm: Arbeitsplätze selber schaffen, finanzieren und behalten (Biedenstein Verlag). Im I. Kapitel dieses Buches werden 10 selbstorganisierte Projekte dargestellt; das II. Kapitel bietet einen umfassenden Überblick über das gesamte Spektrum der Geldbeschaffungsmöglichkeiten und -strategien für selbstorganisierte Initiativen. Sozialstaat in der KriseDer Sozialstaat BRD hat sich zu einem solch komplexen Gebilde entwickelt, daß viele Menschen ihm eher hilflos gegenüberstehen. Er ist ihnen rätselhaft, und seine Reaktionen scheinen ihnen unverständlich. Auf der anderen Seite hat er Überlebenschancen und Existenzmöglichkeiten geschaffen. In seinen "Nischen" und "Ecken" finden Jahr für Jahr Zehntausende nicht nur Zuflucht und Herberge, sondern auch Existenzgrundlagen und neue Hoffnungen auf eine lebenswerte Zukunft. Dieses Verständnis auf der einen und das Wahrnehmen von Chancen auf der anderen Seite spiegelt die Krisensituation wider, in der sich der Sozialstaat Bundesrepublik heute befindet. Was hat die Selbsthilfebewegung mit dieser Krise zu tun? Das Schlagwort heißt: "alternativ". Dabei ist die Frage, was nun "alternativ" ganz genau sei und was nicht, unwesentlich. Denn das Etikett "alternativ" wird weniger von denjenigen benutzt, die in der Szene und mit der Szene leben, als vielmehr von denjenigen, die über diese Szene reflektieren. Im Falle der "Alternativen" ist sicher ein historischer und realgeschichtlicher Sinn vorhanden: Auch viele Politiker "merken", daß es mit dieser bestehenden Wirtschaftsform, mit diesem Typ von Arbeitsgesellschaft nicht mehr ohne Probleme weitergehen wird. Vielmehr sind weitere Krisen und strukturelle Arbeitslosigkeit programmiert. Also werden Menschen gebraucht, die neue Modelle entwerfen, die bereit sind, nach anderen Formen des Lebens und des Arbeitens zu suchen. Dies können zumindest die traditionellen Parteien nicht offiziell propagieren, ohne größere Legitimationskrisen in Kauf zu nehmen. Denn trotz steigender Arbeitslosigkeit, der täglich gemeldeten kleinen und großen Umweltkatastrophen, größer werdender Protestpotentiale, Zunahme der Armut, immer deutlicher werdender Versorgungs- und Verteilungsprobleme wird die gegenwärtige gesellschaftliche Ordnung immer noch vom "durchschnittlichen" Arbeitnehmer getragen, der seine soziale Zukunft auf lebenslanger Vollzeitarbeit , arbeits- und sozialrechtlicher Absicherung, quantitativem Wachstum und internationaler Friedenssicherung aufbaut. Dieser "durchschnittliche" Arbeitnehmer glaubt nach wie vor an die insbesondere seit den sechziger und siebziger Jahren produzierte Ideologie der Zukunftssicherung durch Bildung und der Arbeitsplatzsicherung durch Höherqualifizierung. Klappte dies in der Vergangenheit zumindest in gewissem Ausmaß, so stimmt heute die Gleichung höhere Bildung gleich sicherer Arbeitsplatz nicht mehr, wie etwa die hohe Lehrer- oder Facharbeiterarbeitslosigkeit zeigt. Dies läßt manche klassische Aufstiegsorientierung und -hoffnung ins Wanken geraten. Dabei hat die Bildungsexpansion der beiden letzten Jahrzehnte einen neuen Mittelstand geschaffen, der zum Teil im Bündnis mit den alten Mittelschichten und den traditionellen Eliten die klassischen materiellen Werte und Normen der Arbeits- und Wachstumsgesellschaft weiter trägt. Fortsetzung auf Seite 6/7 |
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