ENERGIEGENOSSENSCHAFTEN
Strom - Hauptsache grün?
Kann eine Energiewirtschaft ökologisch sein,
wenn die
Eigentums- und Entscheidungsstrukturen
undemokratisch sind? Ist Strom aus regenerativen
Energieträgern uneingeschränkt zu befürworten,
gleichgültig, wer seine Herstellung veranlasst? Soll von
den sozialen Strukturen der Stromwirtschaft abstrahiert
werden, Hauptsache eine schnelle Ökologisierung wird
erreicht? Diese Fragen scheinen nur wenige zu
interessieren, die sich für regenerative
Energieerzeugung einsetzen. Genossenschaftliche
Strukturen sind aber die strukturelle Ergänzung zur
Ökologie. Mit deren Hilfe lässt sich Ökologie
organisatorisch auf fundierte Beine stellen. Insofern
stehen die wenigen genossenschaftlichen Beispiele
beim Öko-Strom im Mittelpunkt dieses Schwerpunkts.
Burghard Flieger, Red. Genossenschaften - Das
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) mit dem Ziel einer
nachhaltigen Energieversorgung spiegelt den Zeitgeist wider. Öko ist weiterhin
"in". Das Gesetz, dessen Neufassung der Bundestag im April beschlossen
hat, regelt die Förderung der Stromerzeugung aus alternativen Energiequellen
wie Wind, Erdwärme, Sonne, Wasserkraft oder Biomasse. Bis zum Jahr 2020 soll
der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion von heute 8 Prozent auf
20 Prozent steigen. Die Strukturen, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll,
sind nicht Gegenstand des EEG.
Im Gegenteil, die freiwillige Selbstverantwortung erfährt durch das Gesetz
nicht unbedingt eine Stärkung. Finanziert wird der Ökostrom von allen
Stromverbrauchern durch einen Aufschlag auf die Stromrechnung von 0,44 Cent pro
Kilowattstunde. Einen durchschnittlichen Privathaushalt kostet das rund einen
Euro im Monat. Auch die Industrie muss zahlen. Für Unternehmen, die in der
Produktion besonders viel Strom verbrauchen, gibt es eine Härtefallregelung.
Sie zahlen nur 0,05 Cent pro Kilowattstunde.
Verantwortung der Nutzer
Bei der Vermarktung von Ökostrom wird in der Regel damit geworben, dass die
Kunden einen Beitrag für eine umweltfreundlichere Stromversorgung leisten. Gibt
es aber tatsächlich dadurch positive ökologische Effekte? Jochen Markard und
Bernhard Truffer gehen dieser Frage nach. Ihr Resümee: Im Zusammenspiel mit
staatlichen Förderinstrumenten wie Einspeisevergütungen, Quotenregelungen oder
Energiesteuern kann grüner Strom Lernprozesse anstoßen. Die Kunden werden als
neue, zentrale Akteure im Elektrizitätsmarkt in die Entscheidungen mit
einbezogen.
Wie eine entsprechende Sensibilisierung erreicht werden kann, veranschaulicht
der Geschäftsführer des Bundes der Energieverbraucher Aribert Peters. In
seinem Artikel stellt er die verschiedenen "Ökostrom"-Anbieter
vergleichend gegenüber. Testsieger sind die EWS Schönau und Greenpeace energy.
Als Vergleichskriterien verwendet werden Preisgünstigkeit,
Atom-Verflechtungs-Index, Umweltnutzen, Einsatz der Erträge für die zusätzliche
Förderung erneuerbarer Energien sowie die Kundenzufriedenheit.
Genossenschaftliche Vermarktung
Erfreulich ist, dass Greenpeace energy eG als erste bundesweite
Genossenschaft in der Strombranche hier positiv abgeschnitten hat. Mit über
20.000 Privat- und Geschäftskunden behauptet sie sich als bundesweiter
Stromversorger seit fast fünf Jahren erfolgreich im Markt. Laut den Ausführungen
von Silke Henzel und Silke Lipphardt sichert das Genossenschaftsmodell eine
solide Eigenkapitalbasis und damit die Unabhängigkeit von Banken und Großanteilseignern.
Die Stromvermarktung spielt bei der der ADEV Energiegenossenschaft, die 1985
in Liestal in der Schweiz gegründet wurde, eine eher untergeordnete Rolle. Die
Genossenschaft übernimmt zunehmend die Rolle einer Holding. Ihr Hauptziel
Elektrizitätsversorgung ohne Atomstrom setzt sie vorrangig durch den Bau von
Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung um. Bernd Steyer beschreibt die ADEV
als eine auf ökologieorientierte Energie-Investments spezialisierte
Firmengruppe. Für das laufende Jahr sind zumindest im Solarbereich auch größere
Wachstumsschritte in Deutschland geplant.
Mutmachende Beispiele
Für das Prinzip "Tradition und Fortschritt" steht der
Zusammenschluss zur TEN (Teutoburger Energie Netzwerk) eG. Indem vier Elektrizitäts-Genossenschaften
aus den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fusionierten, reagieren sie
auf die Öffnung der Energiemärkte und den damit verbundenen Wettbewerb. Als
TEN eG strebt der Zusammenschluss eine umweltfreundliche, zukunftssichere und
sozialverträgliche Energieversorgung an. Sie steht mittlerweile auch für
Mitgliedsbeitritte außerhalb des eigentlichen Versorgungsgebietes offen.
Zum Abschluss wird eine kleine Utopie thematisiert: Bürger aus Jühnde
(Kreis Göttingen) versuchen, ihr bundesweit einzigartiges Projekt "Biönergiedorf"
umzusetzen. Es ist als Genossenschaft geplant. Jühnde soll das erste Dorf in
Deutschland werden, das sich komplett selbst mit Energie aus nachwachsenden
Rohstoffen versorgt. Heidi Niemann macht allerdings deutlich: Noch müssen die
Akteure um ihr Bioenergiedorf bangen, denn bisher fehlt noch ein letzter
Baustein für die Finanzierung. Vielleicht lässt sich ja in einer der nächsten
CONTRASTE-Ausgaben dazu eine spannende Erfolgsgeschichte präsentieren?
Schwerpunktthema Seite 7 bis 10