Gegenbilder aufzeigen
Wir leben im Jahr ... eigentlich egal, es kommt
ständig
vor: Wieder mal Wahlen. Wieder mal nachdenken, wer
uns regiert - und vergessen, ob wir überhaupt regiert
werden wollen. Diesmal noch, um das und das zu
erreichen oder zu verhindern. Danach können wir
ja andere Sachen machen ... so schleppt es sich hin.
Demokratie hält uns davon ab, die Verhältnisse zum
Tanzen zu bringen. Und häufig sind gerade "linke"
Menschen diejenigen, die zu den eifrigsten RetterInnen
der Demokratie mutieren und keinen Gedanken mehr
daran verschwenden, was jenseits dessen liegen
könnte. Dabei ist ein Kreuz auf der Castorstrecke schon
so viel geiler als auf dem Wahlzettel - "es kommt
drauf an, wo Sie Ihr Kreuz machen" ... mal anders
gedacht. Und wie viel schöner ist es eigentlich, sich die
Welt anzueignen für ein Leben ohne Herrschaft und
Verwertung? Zuerst Quadratmeterweise - Häuser,
Reclaim The Streets, Plätze, Züge, Fabriken (aneignen
statt um mehr Geld betteln!!!). Und dann ganze
Stadtteile, Orte. Staatsfreie Zonen, von denen bunte
Widerständigkeit ausgeht. Ach ja ... es wäre wirklich
schön.
Espi, Jörg, Marc und weitere Menschen, die sich aktuell in
Anti-Wahl-Initiativen engagieren - Ein Schwerpunkt
zum Thema Wahlen? Aber das ist doch das einzige an
Mitbestimmung, was in der Demokratie bleibt ...
Eben! Weil die Demokratie ein System ist, in dem es
keine tatsächliche Mitbestimmung gibt, sondern nur
das Wählen derer, die einen beherrschen, lehnen wir
auch die Wahl ab. Es ist Akzeptanzbeschaffung,
nichts mehr. Zudem stehen nur ziemlich ähnliche
"Alternativen" zur Wahl. Eben Parteien, die demokratisch
regieren wollen, die demokratisch Kriege führen
und Menschen in Folterstaaten abschieben lassen.
Das ist kein Zufall, sondern System. Darum ist auch
da Besserung gar nicht möglich. Aus diesem Grunde
tut eine Demokratiekritik aus emanzipatorischer Perspektive
not.
Wir träumen von einer ganz anderen, befreiten
Welt, in der Menschen bestimmen, was abgeht -
nicht eine imaginäre Mehrheit. Einer Welt, in der Freiheit
nicht die Abgabe des Stimmzettels alle vier Jahre
meint, sondern die maximale Selbstbestimmung der
Menschen in allen Lebensbereichen und Verhältnissen, die
maximal kooperativ organisiert sind. Wahlen sind die Chance,
das öffentlich zu benennen, Diskussionen anzuzetteln,
Gegenmodelle aufzubauen
und die Herrschaftssysteme anzugreifen. Denn vor
der Stimmabgabe dreht sich in den Medien, Reden
der PolitikerInnen und Gesprächen der Menschen natürlich fast
alles darum, wer wie und warum gewählt
werden soll. Das sind Diskurse, in die wir eingreifen können! Notwendig dazu sind Menschen und Gruppen, die an der
Stelle, wo sie sind, ihre Gegenpositionen zu demokratisch
organisierter Herrschaft einbringen und sich mit vielfältigen
Aktionen sowie einer eigenen Öffentlichkeitsarbeit Gehör
verschaffen!
Und es sieht danach aus, als wären wir nicht allein
mit dieser Hoffnung. In verschiedenen sozialen Bewegungen
regt sich ein wenig Widerstand, wenn auch
auf unterschiedliche Weisen: Menschen aus
Anti-Atom-Zusammenhängen organisieren die Keine-Wahl-Kampagne
("Wählt Niemand!"), die Graswurzelrevolution plant ein
Sonderheft zu Wahlboykott,
Studis sind sich noch sicher, was zu tun ist und wieder
andere zerbrechen sich den Kopf über kreative
Anti-Wahl-Aktionen. Natürlich dürfen es gerne noch mehr
werden. Und noch schöner wäre all das, wenn diese
Initiativen sich gegenseitig austauschen und unterstützen
würden!
Davon handelt der Schwerpunkt dieser Ausgabe.
Ihr findet hier Argumente gegen Herrschaft, Demokratie und
Wahlen, Aktionsideen und Überblicke über bestehende Kampagnen, damit ihr selbst entscheiden
könnt, wo ihr "andocken" wollt. Daneben
geht es auch immer um Alternativen - Netzwerke, die
an einer "Gesellschaft von unten" werkeln. Und nun ... loslegen. Lasst uns Wahlen zu Festen gegen Herrschaft und
für eine bunte Welt der Selbstbestimmung
machen!
Schwerpunktthema Seite 7 bis 9