Vermarktung wohin?
Zuviel Roggen, zu wenig Weizen, zu viel Rote
Beete und Verbraucher, die nicht wissen, wie und wo sie Bio-Gemüse kaufen
können... Vermarktung - das ist ein Bündel offener Fragen und vieler Probleme,
das sind oftmals unterschiedliche Interessen, Erfahrungen und Anlässe hitziger
Debatten. Allen deutlich ist eines: Die Entwicklung darf nicht den Weg gehen,
den die jetzige Landwirtschaft und der Handel gegangen sind, wollen wir
Erzeugung und Verteilung der Bio-Produkte in eigenen Händen und Verantwortung
behalten. Modelle solidarischen Verhaltens müssen daher entwickelt werden. In
dieser Ausgabe wollen wir die Diskussion um Vermarktungsmodelle eröffnen. In
den regionalen Bauerntreffen soll die Diskussion weitergeführt werden.
Zunächst stellen wir die „Projektskizze Öko-Netz-Norddeutschland" vor.
Es folgt Alf Baumhöfers Bericht auf dieser Seite über Alltagsprobleme bei der Vermarktung von
Naturkost.
ÖKONETZ Norddeutschland - Eine Projektskizze
„Die Situation des ökologischen Landbaus in Niedersachsen ist ermutigend,
weil das Interesse daran ständig wächst, sie ist frustrierend, weil wir dem
Interesse nicht entsprechen können", schreibt Conrad Thimm im März 1984.
Er fordert, in der Entwicklung auf Regionalisierung und Professionalisierung zu
setzen. Dies betrifft sowohl den Dienstleistungsbereich und damit die
Informationen und Hilfen des Ökorings wie auch den Vermarktungsbereich, den
funktionierenden Handel.
Die Systemstudie „Ökoland" von F. Vester
Im Mai 84 kamen zu einem Seminar „Strategien für den ökologischen Landbau
in Niedersachsen" Fachleute verschiedener Arbeitsbereiche aus allen
Regionen Niedersachsens zusammen, um ausgehend von der Systemstudie „Ökoland"
von Frederic Vester (Arbeitsbericht 01/83 der Bundeswehrhochschule München) ein
nnöglicherweise ähnlich strukturiertes Modell für Niedersachsen zu
entwickeln.
Die Studie selbst entwirft das Modell einer zentralen
Ökonetz-Dienstleistungsgesellschaft und regionalen Ökohandelsunternehmen.
Basis beider Unternehmen sind die Ökolandgemeinschaften, in denen regional
Bauern, Gärtner, Verbraucher, Händler und Berater zusammengeschlossen sind.
„Für diese Gemeinschaften stellt die Ökoland-Dienstleistungsgesellschaft
ihr gesamtes Know-how und ihre Dienstleistungen zur Verfügung. Nur wenn es
gelingt, für diese Gemeinschaften ein ausgewogenes Konzept zu erarbeiten, das
den Bedarf der Konsumenten in der jeweiligen Region mit dem Angebot der
Landwirte und der notwendigen Vertriebsorganisation in Einklang bringt, wird ein
solches Modell Erfolg haben.
Für den Erfolg ist die Bereitschaft der Konsumenten erforderlich, ihrer
Ökoland-Gemeinschaft langfristig das benötigte Kapital zur Verfügung zu
stellen. Durch die große Zahl der Konsumenten in den Ökoland-Gemeinschaften
wird klar, daß finanziell gesehen die Konsumenten auch die tragenden Säulen
der neuen Organisation sein müssen." (Vester, S. 59).
Verschiedene Teilnehmer des Strategieseminars haben mit Vorarbeiten für das
Modell begonnen.
Das Modell Ökonetz-Norddeutschland
Ziel ist eine gemeinsame Entwicklung des ökologischen Landbaus in Erzeugung,
Beratung, Handel und unter Einbezug der Verbraucher. Dazu sollen eine zentrale
Ökonetz- Dienstleistungsgesellschaft und regionale Ökohandelsunternehmen in
Niedersachsen aufgebaut werden, mit deren Hilfe die Bedürfnisse aller
Beteiligten unter einen Hut gebracht werden können:
| die der Erzeuger (Erfahrungsaustausch, qualifizierte Beratung, gesicherter
Absatz, gerechte Preise); |
| die der Berater (überschaubares Arbeitsgebiet, gesicherter Arbeitsplatz,
gerechte Entlohnung); |
| die des Handels und der Verarbeitung (Investitionskapital, vielfältiges
Angebot, kalkulierbarer Absatz); |
| der der Verbraucher (vielfältiges und kontinuierliches Angebot zu
erschwinglichen Preisen und in erreichbarer Nähe, Aufklärung und
Markttransparenz). |
An der Entwicklung des Ökonetz Norddeutschland mit den jeweiligen regionalen
Modifikationen sollen möglichst alle interessierten Organisationen und
Menschen
| des Ökolandbaus |
| des Naturkosthandels |
| des Naturschutzes |
| der Verbraucherberatung |
| der Erwachsenenbildung |
beteiligt werden.
Besonders die Einbeziehung bestehender Initiativen sollte ein Grundprinzip
des Ökonetzes sein.
Eberhard Röhrig
Einige Grundgedanken des Ökonetzes
Norddeutschland wurden von Conrad Thimm formuliert:
1. Erscheinungsbild
Ziel des Ökonetzes ist der Auf- und Ausbau eines Netzes von schönen
Ökoläden und Verkaufswagen, die ein breites Angebot an allen Lebensmitteln aus
ökologischem Anbau führen. Damit wird einer schnell wachsenden Zahl von Bauern
der Absatz gesichert und dafür nötige Versuchs- und Beratungsarbeit
finanziert.
2. Geistiges Konzept
Die Unternehmen sollen zeigen, wie wirtschaftliches Handeln nach natur- und
menschengemäßen Prinzipien möglich ist. Die Aus- und Fortbildung aller
Beteiligten im Hinblick auf ökologische, soziale und persönliche Entwicklung
ist daher von zentraler Bedeutung.
Die Zusammenarbeit auf geistigem Gebiet mit den genannten Initiativen sollte
die ganze Entwicklung begleiten. Insbesondere sollten alle hauptamtlichen
Mitarbeiter der Modelle regelmäßig in fachlicher Hinsicht und in den geistigen
Grundlagen weiter gebildet werden.
Eine besondere Bedeutung in Forschungs- und Beratungsfragen kommt dem
Versuchs- und Beratungsring Ökologischer Landbau Niedersachsen e.V. zu. Die
Gründung einer eigenen Akademie mit praxisnahen Versuchs- und
Anschauungsmöglichkeiten sollte langfristig ins Auge gefaßt werden.
3. Wirtschaftliches Konzept
Das Kapital für die Unternehmen muß von den beteiligten Menschen und
Gruppen kommen. Die laufenden Sach- und angemessene Personalkosten müssen
erwirtschaftet werden. Der Versuchs- und Beratungsring sollte finanziell unter-
stützt werden, damit er jedem Unternehmen einen Berater zuordnen kann.
Die Dienstleistungsgesellschaft wird durch Anteile der beteiligten
Unternehmen mit Kapital versorgt und in den laufenden Kosten durch monatliche
Beiträge und die Gebühren für die Dienstleistungen finanziert.
4. Rechtliches Konzept
Die Ökonetzdienstleistungsgesellschaft und die regionalen
Ökohandelsunternehmen werden als KGs, GmbH & Co. KGs oder Genossenschaften
parallel zum Versuchs- und Beratungsring Ökologischer Landbau Niedersachsen
e.V. aufgebaut. Dabei wird forschende und beratende Tätigkeit möglichst dem
Versuchs- und Beratungsring zugeschoben, da er durch die „wissenschaftliche"
(große) Gemeinnützigkeit hierfür besser geeignet ist. Alle wirtschaftlichen
Tätigkeiten (auch Veröffentlichungen etc.) werden der
Ökonetzdienstleistungsgesellschaft übertragen.
5. Personelles Konzept
Auf allen Ebenen des Modells soll möglichst viel Selbstverantwortung
getragen werden. Das setzt voraus, daß die Beteiligten in fachlicher Hinsicht
qualifiziert und in geistiger Hinsicht zumindest motiviert sind. Dies kann ein
entscheidender Schutz gegen die Verselbständigung der Organisation sein.
Wir brauchen viel professionelles Know-how, mit der Folge, daß Laien die
Hauptamtlichen nicht immer genügend fachlich kontrollieren können. Damit dies
nicht zu einem Machtmißbrauch führt, müssen die hauptamtlichen Mitarbeiter
kontinuierlich an ihrer eigenen persönlichen Entwicklung arbeiten. Ihre
Einstellung kann nur im Einvernehmen mit der regionalen Basis und der Zentrale
geschehen.
Conrad Thimm
Versuchs- und Beratungsring ökologischer
Landbau Niedersachsen e.V., Walsroder Str. 12 a, |