Monatszeitung für Selbstorganisation
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PROZESS GEGEN FRIEDENSAKTIVISTEN WEGEN VERTEILUNG EINES FLUGBLATTS / MAHNWACHE HINTER GITTERNZwei Monate StrafhaftEin Strafmaß von zwei Monaten Haft lässt eine schwerwiegende Straftat vermuten. Das Amtsgericht Cochem verurteilte am 23.11.2004 jedoch vier gewaltfreie Atomwaffengegner. Elke Steven, Roland Blach (Red. Heidelberg) - Sie waren weder in ein Gelände eingedrungen, noch hatten sie einen Zaun zerschnitten. Vor dem Fliegerhorst Büchel hatten sie lediglich Flugblätter verteilt, in denen sie gemeinsam mit anderen UnterzeichnerInnen die Soldaten aufrufen, rechtswidrige Befehle zu verweigern (siehe CONTRASTE Nr. 242, Seite 2). Im Flugblatt und ausführlicher vor Gericht begründeten sie ihre Meinung, dass die in Büchel stationierten Atombomben völker- und grundgesetzwidrig sind. Sie beriefen sich auf Menschenrechte, auf das Grundgesetz, auf humanitäres Völkerrecht, auf den Nichtverbreitungsvertrag über Atomwaffen, der auch eine mittelbare Teilhabe für Deutschland verbietet und zu wirksamen Maßnahmen zur Abrüstung verpflichtet. Sie verwiesen darauf, dass sie Soldaten vor drohenden Straftaten warnen wollten. Sie forderten, dass das Gericht bei einer Verurteilung zumindest prüfen müsse, ob denn die nukleare Teilhabe rechtmäßig sei. Und zu all dem stellten sie Beweisanträge. Sie erinnerten an den Freispruch des Kammergerichts Berlin nach einer Serie von Prozessen wegen des Aufrufs zu Fahnenflucht und Befehlsverweigerung während des Nato-Krieges gegen Jugoslawien. Auch das Kammergericht ließ damals die Frage, ob der Krieg völkerrechtswidrig war, unbeantwortet. Es stellte jedoch fest, dass dies - wäre es für die Gerichtsentscheidung relevant - das Bundesverfassungsgericht entscheiden müsste. Die Gehorsamsverweigerung bei unverbindlichen Befehlen sei jedoch nicht rechtswidrig. Vor allem sei die in dem damaligen Aufruf zum Ausdruck kommende zugespitzte Meinung durch Art. 5 GG (Meinungsfreiheit) gedeckt. Ein borniertes Gericht, das schon die Anklageschrift nicht hätte zulassen dürfen, liess alle Argumente an einer dicken Panzerwand abprallen, lehnte alle Beweisanträge ab und verurteilte zu hohen Strafen. Fest verwurzelt in einer preußisch-militaristischen Tradition, stand für Richter und Staatsanwältin wohl fest, dass Soldaten blind zu gehorchen und nicht selbst nachzudenken haben. Der Richter verurteilte zu 45 (CONTRASTE-Autor Hermann Theisen, Heidelberg) und zu 40 Tagessätzen (Martin Hans Otto, Wetzlar), zu einem (Johanna Jaskolski, Erftstadt) und zu zwei Monaten (Wolfgang Sternstein, Stuttgart) Haft. Die Haftstrafen erhielten die beiden, die schon in der Vergangenheit wegen Aktionen Zivilen Ungehorsams zu Haft verurteilt worden waren - nicht zuletzt vom selben Amtsgericht. Alle Angeklagten legten Rechtsmittel ein. Mahnwache hinter GitternAm 26.11.2004 hat Martin Otto aus Wetzlar, Mitglied der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA), eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA Gießen angetreten, die er als "Mahnwache hinter Gittern für eine atomwaffenfreie Welt" versteht. Er ist zu einer Geldstrafe von 200 Euro verurteilt worden, weil er sich am 23.5.2003 an einer Zivilen Inspektion im Atomwaffenstützpunkt Büchel/Südeifel beteiligt hat. Mit mehreren anderen Aktiven hatte er den Militärzaun aufgeschnitten und unerlaubt das Gelände betreten, um gegen die Lagerung von Atombomben der USA in Büchel zu protestieren. Martin Otto verweigert die Zahlung der Geldstrafe in die Kasse des deutschen Staates, der die NATO-Politik der nuklearen Abschreckung mitträgt. Daher soll er ersatzweise 15 Tage ins Gefängnis. Vorher sind schon acht Mal Aktive der GAAA wegen solcher Aktionen im Gefängnis gewesen. Mit dem Gefängnisaufenthalt verbindet die GAAA eine Solidaritätsaktion, bei der Gleichgesinnte einen Offenen Brief an Bundesregierung, US-Botschaft, Justizorgane und Presse mit unterzeichnen und für die sofortige Abschaffung aller Atomwaffen eintreten können. Die "Mahnwache hinter Gittern" soll acht Tage dauern. Die GAAA wird bei einer Solidaritätsaktion Geld sammeln, um Martin Otto nach acht Tagen Haft aus dem Gefängnis freizukaufen. Kontakt: GAAA, Haussmannstr. 6, D-70188 Stuttgart Tel. (07 11) 215 51 12, Fax
215 52 14 |
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