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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Projektmesse Nord

Eine Diskussion hat begonnen

Projektmesse Nord

Inzwischen hat das zweite Vorbereitungstreffen für den 2. Versuch einer regionalen Messe stattgefunden. Alle wurden gerufen, viele kamen. Das Interesse an der Auseinandersetzung und Zusammenarbeit war und ist groß. Nur, ob nun wirklich eine nächste Messe Nord stattfinden wird, ist nach wie vor nicht klar. Kontrovers war vor allem, ob bei der momentan kaum vorhandenen alltäglichen Kommunikation unter den Projekten, ein derartiges Meeting wirklich angesagt sein kann. Demgegenüber wurde ein solches Treffen auch als Möglichkeit zum Aufbau von neuen Formen der Zusammenarbeit begriffen. Zunächst also mal wieder abwarten?? Keineswegs!!

Ohnehin steht fest:

- die Projekte im Raum Göttingen fanden ihr Treffen beim letzten Mal so gut, daß ein zweites schon konkret ins Auge gefaßt wurde.

- in Hannover hat die AG Gegen-Hannovermesse sich nun doch entschieden, mehrere Veranstaltungen als Alternativangebot zur traditionellen Wirtschaftsmesse durchzuführen. Ob's auch den Charakter einer eigenen Messe annehmen wird oder das Ganze mehr auf Diskussions- und Vortragsveranstaltungen begrenzt bleibt, ist noch offen. Schwerpunkt wird jedenfalls die Auseinandersetzung mit 3. Welt-Themen und dem deutsch-türkischen Verhältnis sein. Entsprechend der Herkunft der Initiatoren wird's dabei vorwiegend um Technologiefragen gehen.

- aufgrund der bisherigen Initiativen im Raum Bremen und Hamburg, hat jetzt auch der Werkhof in Hamburg sein Interesse an der Mitgestaltung und Durchführung einer Messe Nord bekundet. Ob da auch das Netzwerk mitzieht, wird noch verhandelt.

- Die AG selbstverwalteter Betriebe in Bremen hat bisher breite Solidarität für ein zweites Treffen bekundet, sieht sich aber aktuell überfordert, hier stärker mitzumischen.

Insgesamt ist festzustellen, daß sich all diese Einzelinitiativen bisher kaum untereinander vermittelt haben. Es gibt keine gemeinsame Idee und keine gemeinsame Handlungsorientierung. Dies soll nun beim nächsten Treffen aller Interessierten im Januar auf den Punkt gebracht werden.

Termin: 12.-13.1.85 Ort: Tagungshaus Drübberholz


Liebe und Emotionalität

Eine Idee, die beim nächsten Treffen sicher breiten Raum einnehmen wird, ist die Vorstellung, unter unmittelbarer Sonnenwärme, draußen auf einer großen Wiese, mit Zelten, mitten im Sommer, "das Leben" toben zu lassen. Nicht der Verkauf von Produkten ist dabei wichtig, nicht die Außendarstellung, sondern das Erleben des Anderen und von einem selbst, bei einer großen sommerlichen, kulturellen Alternative. Mensch muß sich einfach näher kommen:

- um Vertrauen zu gewinnen, um zu wissen, wie das gesagte Wort auch gelebt wird,

- um unmittelbar, wenn auch kurz, zu erfahren, wie kollektives Leben auch in größeren Zusammenhängen, unter Beteiligung der vorhandenen vielfältigen Praxisfelder, aussehen kann. Ja, wieder mehr Emotionalität und Liebe soll Platz haben, nicht nur coole Debatten um die leidige Kohle, um die Strukturen, um die ideologische Basis.

Und die ökonomische Basis??

Alle brauchen Geld, nur keiner redet gern drüber. Es muß einfach da sein. Nun haben sich gerade in den betroffenen 3 Regionen 3 AG's gebildet, die sich neben eigener, interner Kohleschieberei auch direkt an den Staat gewandt haben, um da speziell auf Selbsthilfegruppen zugeschnittene Förderungsprogramme aufzutun. In Bremen läuft die Verteilung der 1,2 Mio für 84 und 85 außerordentlich konfliktreich. Die aus ca. 25 Gruppen bestehende AG Staatsknete streitet sich z.Zt., wer denn die Verhandlungen um den alten Topf fortführen soll und wie die "Bewegung" mit dem neuen geforderten Topf in Höhe von 11,5 Mio für 85/86 denn umgehen soll - (wenn er denn kommt). In HH hat die AG Senatsknete auch noch nicht den durchschlagenden Erfolg verbuchen können. Und in Niedersachsen sind die 60 Gruppen der AG Projektförderung mittlerweile auf einen Bedarf von 9,5 Mio DM für 85/86 gekommen, ohne sich selbst schon jetzt über die genauen Bedingungen der Zuwendungsform einig zu sein. Neben allen pragmatischen und Strategiefragen wurde und wird überall immer wieder auch über den Sinn und Zweck, der die Gefahren der Vereinnahmung und Möglichkeiten der finanziellen und damit auch politischen Stärkung der Kollektive nachgedacht. Die Forderung nach Staatskohle allein macht aber wirklich nicht glücklich, wenn nicht eindeutig gesagt und auch öffentlich dargestellt wird , was die Selbsthilfebewegung denn mehr will, als nur Geld. Es muß gelingen, den Sinnzusammenhang und die politischen und wirtschaftlichen Perspektiven klar zu machen. Das aktuelle Gefühl, die jeweils individuelle Geschichte und die sich daraus ergebenden Vorstellungen für ein Leben und Arbeiten im "Morgen", müssen in Diskussionen um Fragen der ökonomischen Absicherung dieser "anderen" Lebensvorstellung miteingebracht werden. Die sich im Augenblick abzeichnende Trennung zwischen pragmatischem Kohlebeschaffen und ideologieüberhöhten „Phantasien" muß zugunsten einer gemeinsamen, wenn auch vielleicht schwierigeren Diskussion und Entscheidung wieder aufgehoben werden. Ein Treffen, oder eben auch eine Messe, an dem sich möglichst alle "Schattierungen" einer ökologischen und kollektiven Selbsthilfebewegung beteiligen und wo genau alle Themen auch diesen Zusammenhang herstellen bzw. beinhalten, kann eine Weiterentwicklung, des sich abzeichnenden Bruchs verhindern.

Und noch eins ... zum Reise- und Treffenfieber ...

Schon 1984 wars sehr chaotisch mit den ganzen Terminen für regionale und überregionale Selbsthelfertreffen. Nach dem Motto jeder der was auf sich hält oder glaubt etwas sagen zu müssen, macht ein Treffen und lädt alle dazu ein, gabs oft, jeweils durchaus wichtige, aber sich auch überschneidende oder in zu kurzer Abfolge stattfindende Treffen. In dem Gefühl, immer auf dem Laufenden sein zu wollen oder aber, weils für die Projektarbeit auch einen Fortschritt bedeuten könnte, gingen viele auf die Reise.

Die Erfahrung, daß "weniger manchmal auch mehr sein kann", wurde und wird auch im Selbsthilfebereich deutlich. So manche Tagung diente der Beweihräucherung der Veranstalter oder einzelner politischer Strömungen und nicht der offensiven politischen Auseinandersetzung. Die Berliner Selbsthilfetagung war hier wohl das abschreckendste Beispiel. Sowohl was Branchen- und Bereichstreffen, als auch was übergeordnete Thementreffen wie Staatsknete, Ökobank oder Projektmesse angeht, sollte eine sinnvolle Absprache und Koordination auf das gesamte Jahr bezogen erfolgen. Ein Vorschlag dazu: Die Netzwerke sollten sich hier auf einen zentralen Halbjahresterminkalender verständigen. Das Wandelsblatt könnte derartige Kalender halbjährlich veröffentlichen.

Neben dem o.g. Termin für die Fortsetzung der regionalen Diskussion, wäre sicher auch in Berlin bei den Wintertagen einmal Zeit einzuplanen, sich über die Koordination und Absprache der vielen Aktivitäten in 85 überhaupt zu unterhalten. Dabei könnten Überschneidungen festgestellt und Terminstreichungen vorgenommen werden.

Jürgen

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 12. November 2009