Rechte Hassmusik und Mainstream
Männer, Mythen, Moden
Phantasievoll und entschlossen gegen Rechte: Pink
& Silver-Block bei der Demo gegen einen Nazi-Aufmarsch am 27.10.2001 in
Heidelberg
Foto: Dieter Poschen
Auf der PopKomm 2002 knallten die Sektkorken.
"Die Politik soll den Pop retten" titelte der Spiegel den
Hilferuf der Musikgewaltigen und alle, einfach alle
waren gekommen, um ihr Scherflein
wahlkampfwirksam beizutragen. Ob
Aufführungsquotierung für "deutschen Pop" oder neue
Strategien gegen Raubkopien, kein Thema entging der
demonstrativen kulturpolitischen Kompetenz unserer
Politiker.
Von Kurt Regenauer aus Dresden - Nun war die
1989
vom Rockbüro NRW ins Leben gerufene und mittlerweile weltweit
größte Messe dieser Art schon immer
eine Art Lobbyveranstaltung der Musikkunst gegenüber Politik
und Öffentlichkeit gewesen. Aber selten
zuvor war der Katzenjammer so groß wie dieses Mal
und das Musikgeschäft so im Eimer.
Es hat sich gewaltig viel geändert in der Musiklandschaft
nicht nur in Deutschland. Früher war Musik
der kleinste gemeinsame Nenner im Lebensgefühl
des Protestes gegen Krieg, imperiale Mächte und Unterdrückung
sowie für ein selbstbestimmtes, anderes
Leben. Heute jedoch regieren Politiker, die, wenn sie
nicht schon mal selbst Rockstars waren, zumindest
wie solche vermarktet werden. Es ist eine verrückte
Zeit, in der gewaltige Verlagskonzerne wie Bertelsmann auch
gewaltig ins Schlingern kommen können, wenn sie sich in so
etwas Einfachem wie Musiktauschbörsen versuchen wollen.
Im Zentrum steht immer mehr der Sender. Der
transportierte ganz früher noch brav seine Hitler-Reden in
die Volksempfänger und dann kochte die nationale Seele. In
der modernen Medienwelt ist jeder Sender auch immer mehr
Empfänger mit ganz erheblichen Auswirkungen auf das
Marktgeschehen: Kultur
wird dann immer mehr als KULT buchstabiert, Stefan
Raab geht in die nächste Blödelrunde mit dem Kanzler, der
Dieter Thomas Heck am Bug voran auf der
"neuen" Neuen Deutschen Welle surft. In der Massenkultur der
Mediendemokratie steht der Event im Vordergrund. Das wissen
unsere Nazis auch und genauso
klug wie damals Hitler den Volksempfänger nutzen
sie auch die neuen Medien der Spaßgesellschaft. Und
wenn Hitlers verantwortliche Männer damals Eislers
Marschmusik zu nationalsozialistischem Realismus
in ihren Nazi-Hymnen mutierten, dann versuchen es
ihre Enkel eben auch gerne mit Klängen der "Scherben",
"Hosen", "Prinzen" und wie sie auch heißen
mögen in ihren jeweiligen Genres.
Das Traurige ist jedoch, dass es gerade mal 120 Nazibands mit
einer "grottenschlechten Musik" (so
Klaus Farin, Leiter des Archivs der Jugendkulturen
- auf S. 7 im Interview mit uns) trotzdem gelingt,
Schlagzeilen zu machen und den "Kick" des Besonderen,
Verbotenen zu erhalten. Wenn dann noch herauskommt, dass
V-Leute des Bundesamtes für Verfassungsschutz da tatkräftig
mitmischen, wird einem
vollends schlecht. Die neue Bundesregierung steht
jetzt vor der Frage, ob sie die Opferberatungsstellen
für Opfer rechter Gewalt und ihre Gegenkultur
(www.tolerantes-sachsen.de etc.) in den neuen Ländern auch
ohne Frau Bergmann weiterfinanziert. Außerdem sollte sie
natürlich die direkte Förderung
rechtsradikaler Strukturen und Musikvertriebe wie in
Thüringen, Sachsen und Brandenburg (wo V-Leute
des VS verantwortlich aktiv waren) unbedingt einstellen.
Nazis sind ohnehin Pop und wenn sie es nicht
sind, dann eben Kitsch. So urteilt zumindest Burkhard
Schröder, einschlägig thematisch-versierter Autor in Sachen
Nazis, Internet, Kultur, Jugend und Musik, der auch ein Buch
mit dem gleichnamigen Titel
"Nazis sind Pop" veröffentlicht hat. Seinen und meinen
ehemaligen Parteigenossen Horst Mahler sieht er
da nur noch in der Rolle des Pausenclowns (in unserem
Gespräch auf S. 10), wo es wesentlich poppig-intelligentere
Ansätze gibt, die die deutsche Jugendseele
ansprechen sollen.
Wie soll sich die aber überhaupt noch äußern,
wenn jede auch nur erdenkliche Provokation umgehend
vermarktet, mit einem Mythos ausgestattet und
folgerichtig zur neuen Mode wird? Am Anfang stellen
mehr oder weniger junge Männer das dar, von dem
sie wissen, dass es ein Maximum an Widerwillen erregt. Das
Ernste an dieser "spaßigen" Art Protestkultur 2000 ist, dass
die Mühlen der gigantischen Medienmaschinen sie prompt als
Trendsetter vermarkten. So wird das Hakenkreuz plötzlich
peppig und poppig.
Rechte Hassmusik kommt in vielerlei Gewande daher - die
vielfältigsten Stilrichtungen werden instrumentalisiert. Am
Bekanntesten ist der Skin, weil viele
Skingruppen mit Nazikreisen in Verbindung stehen.
"Wir sind die Skins und wer seid Ihr!", tönte es mir
vor Jahresfrist bei Besuch von Freunden in Plauen in
der alten Kaffeerösterei entgegen. Wer wir sind, weiß
ich, aber was Loikaemie (so hieß die Skinband) in
den Saal röhrte, verwunderte mich. "Wir" waren Leute von
einem ehemals besetzten Haus und wichtigen
Antifaprojekt der Stadt. "Die" hatten noch vor etlichen
Jahren das Haus angegriffen - später jedoch als
Abwendung vom Naziskin beim Aufbau des Hauses geholfen.
Trotzdem: "The Skin is not allright!" mahnt Martin Büsser in
seinem unlängst erschienenem Buch
"So klingt die Neue Mitte". Auch das wollten wir
Euch nicht vorenthalten (auf S. 8 und 9).
Schwerpunktthema auf den Seiten 7 bis 10