| |
Die politische Aufgabenstellung des Ökobankvereins
Der Ökobankverein tritt in
eine neue Phase. Diesen Schluß läßt der Verlauf der Delegiertenkonferenz zu,
die am 16.11. in Nürnberg zum erstenmal zusammentrat. Die Delegierten zeigten
sich in der Lage, die durchaus berechtigten finanziellen Forderungen ihrer
Regionen vor dem Hintergrund der schwierigen finanziellen Situation des Vereins
so zu diskutieren und zu relativieren, dass am Ende ein Ergebnis stand, das
beiden, den regionalen wie den zentralen Arbeitsbereichen die ihnen zukommende
Bedeutung zuerkennt. Einzige Ausnahme der Landesverband Schleswig Holstein,
dessen Vorsitzender (wieder einmal) nicht in der Lage war, über Landesgrenzen
hinauszublicken. Es hat den Anschein, daß die Diskussionen und
Auseinandersetzungen um Organisations- und Entscheidungsstrukturen in einem
regionalisierten Verband erst einmal zu einer Plattform geführt haben, auf der
jetzt die inhaltliche und politische Definition der Vereinsaufgaben beginnen
kann.
Mit den folgenden Aufsätzen
soll ein Einstieg in diese Thematik versucht werden. In der Zuschrift des
Aachener Architekten Helmut Creutz wird noch einmal deutlich, wie gering die
rein wirtschaftliche Bedeutung der zukünftigen Ökobank sein wird und um wie
viel bedeutungsvoller die politische Aufgabenstellung des Vereins also sein muß,
um der Bank die Bedeutung zu geben, für die sie vorgesehen ist. Der Bericht van
Torsten Martin auf Seite 8 über das Brüsseler Treffen van CECOP unterstützt
diese Einschätzung und macht die Notwendigkeit internationaler Diskussions- und
Arbeitszusammenhänge deutlich.
Liebe Ökobankfreunde,
als Mitunterstützer und alter Kooperativler freue ich mich
über Euren zähen Einsatz und das Gedeihen Eures Projektes, wenngleich mich
das langsame Anwachsen der 6 Mio. Eigenkapitalmittel etwas enttäuscht, vor
allem wenn ich daran denke, daß hinterher noch rund 100 Mio. Einlagen
erforderlich sind, wenn die Sache richtig ins Laufen kommen soll.
Als jemand, der sich seit nun sieben Jahren mit den
geldordnungsbedingten Größen und Entwicklungen sowie den Auswirkungen der
Währung auf Wirtschaft und Wachstum beschäftigt, hoffe ich, daß Ihr über
Eure Aktivitäten die größenbezogenen Realitäten nicht aus dem Auge
verliert, z.B.:
| daß die rund 100 Mio. an möglichen Krediten gerade ein
Zwanzigtausendstel (bzw. 0,00005%!) des derzeitigen gesamten
Bankkreditvolumens ausmachen; |
| daß Einlagen in Höhe von 20 Mrd. (= 1.200 Mio!) erforderlich wären,
wenn man wenigstens 1% des gesamten Bankkreditvolumens erreichen wollte, was
immer noch viel zu wenig sein würde, um das Geschehen in der Wirtschaft
merklich zu beeinflussen; |
|
daß die Geldvermögen in der Bundesrepublik jedes Jahr
um rund 200 Mrd. (= 200.000 Mio.) zunehmen und nur 14 Mrd. zusammenkommen,
wenn sämtliche Arbeitnehmer nach dem 624-Mark-Gesetz
,,vermögenswirksam" sparen würden. |
Noch erschreckender werden die Zustände, wenn wir die
Gesamtverschuldung unserer Volkswirtschaft nach deren Folgen einmal unter die
Lupe nehmen, z.B.:
|
daß die Gesamtverschuldung von Unternehmen, Staat und
Privathaushalten seit 1950 fast dreimal schneller angestiegen ist als die
volkswirtschaftliche Leistung und in wenigen Jahren das Doppelte des
Bruttosozialprodukts erreicht; |
| daß die öffentlichen Haushalte an jedem Arbeitstag rund 220 Mio.
Schuldenzinsen aufzubringen haben und dass alleine die des Bundes
(inzwischen drittgrößter Haushaltsposten!) größer sind als alle Ausgaben
für BAFÖG, Kinder-, Wohn- und Mutterschaftsgeld zusammengenommen; |
|
daß jeder bundesdeutsche Durchschnittshaushalt schon
1982 etwa 16.000 DM ges. Zinslasten zu tragen hatte, davon ca. 800 DM direkt
(für Konsumentenkredite) und mehr als 15.000 DM versteckt in Preisen,
Steuern und Gebühren; |
|
daß mindestens jede dritte ausgegebene Mark eine
Zinsmark ist, für die wir keine Gegenleistung erhalten und daß jeder
Beschäftigte schon 1982 etwa 12 Wochen im Jahr nur für die Schuldenzinsen
arbeiten mußte (ca. DM 9.500), während es 1970 noch 7 und 1950 noch 3
Wochen waren. |
Die bedrohliche Entwicklung der Verschuldung und der
Schuldenzinsen (also ohne die Zinsen für das unverschuldete Dachkapital!) wird
besonders deutlich, wenn man diese Größen mit denjenigen der
Haushaltseinkommen vergleicht, wie in der Graphik:
In welchem Maße die Probleme gerade in den letzten Jahren
angestiegen sind, zeigt die angeführte Tabelle (alte Ausgangszahlen:
Bundesbank):
In einem gesunden und stabilen Organismus können alle Teile
problemlos mit dem Ganzen wachsen. Maßstab für dieses Wachstum ist in einer
Wirtschaft die Leistung. Wie die prozentualen Wachstumsraten zeigen, ist der
Anstieg der Nettolöhne gegenüber dem BSP um ein Drittel und derjenige der
Steuereinnahmen um ein Sechstel zurückgefallen. Die Gesamtverschuldung (der ein
entsprechender Anstieg der Geldvermögen gegenübersteht) ist dagegen fast
doppelt so stark wie die Leistung angestiegen. Die Bankzinserträge (als
herangezogene Schlüsselgröße für die Schuldenlasten) sind sogar fast dreimal
stärker als die Leistung angestiegen. Dabei ist noch zu beachten, daß die
überproportional gestiegenen Schuldenzinsen weitgehend aus den
unterproportional angestiegenen Nettolöhnen bezahlt werden müssen!
Verlängert man die Zahlen in der Tabelle oder in der Grafik
in die Zukunft, dann kann es nur eine Frage der Zeit sein, bis alle
Arbeitseinkommen für die Schuldenzinsen beansprucht werden, was natürlich
schon lange vorher zu unhaltbaren Sozialproblemen und wirtschaftlichen
Zusammenbrüchen führen muß. Daß auch die Probleme unserer Tage mit diesem
Auseinanderdriften der volkswirtschaftlichen Einzelgrößen zu tun haben
(einschl. Wachstumsdruck), bedarf sicher keiner Erklärung. Ebenso der
Tatbestand, daß man die hier aufgezeigte Problematik auch mit einer noch so
erfolgreichen Ökobank nicht abbauen kann, so wünschenswert und notwendig eine
solche alternative Bank auch ist.
Nachhaltig kann man alle Probleme immer nur bei ihren
auslösenden Ursachen bekämpfen, nicht durch Behandlung der Symptome. Dies gilt
für die wirtschaftsbezogenen Probleme ebenso wie für die umweltbezogenen.
Gerade weil uns die Erfahrung gezeigt hat, daß – trotz
aller Aktivitäten und Massendemonstrationen - die Miseren immer größer
werden, im Umwelt-, Friedens- und Sozialbereich wie in der Dritten Welt, müssen
wir wohl auf der Ursachenleiter noch einige Stufen tiefer steigen, wenn wir
Erfolg haben wollen.
In diesem Sinne gute Wünsche
Helmut Creutz
Wer sich dafür interessiert: Für DM 1,50 in Briefmarken
kann von mir eine ausführliche Schrift über die Gesamtverschuldung in der BRD
mit mehreren Grafiken bestellt werden, einschl. Liste weiterer leicht
verständlicher Schriften über Währungs-, Wachstums- und Wirtschaftsfragen:
Helmut Creutz, Monheimsallee 99, 5100 Aachen, Tel: 0241/34286.
|