Monatszeitung für Selbstorganisation
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ARGENTINIENNobelhotel in SelbstverwaltungIn letzter Zeit wurden die sozialen von chika y ralpho indymedia-argentinien - Avenida Corrientes, Buenos Aires. Eine Strasse, berühmt für ihre Geschäfte, Buchläden und ihr Nachtleben, beliebt bei Touristen und Mittelschicht - eine gute Möglichkeit Geld loszuwerden. Mittendrin steht das 24-stöckige Nobelhotel BAUEN, das mit seinem Glanz und Glamour über Jahre hinweg wichtige Persönlichkeiten anlockte. Trotz der finanziellen Unterstützung der Regierung schloss das Hotel am 22. Dezember 2001 seine Pforten. Wie in so vielen Fällen hatten die Besitzer die Möglichkeit genutzt sich eine goldene Nase zu verdienen und das Geld im Ausland sicher zu deponieren. Das Hotel ging Pleite - 250 Angestellte standen perspektivlos auf der Straße. Resignation und AufbruchNach ihrer Entlassung hatte keineR der ehemaligen Angestellten wieder einen festen Arbeitsplatz gefunden. Als sogenannte "Arbeitslose" sahen sie sich in einer auswegslosen Situation. Wie auch in Deutschland und allen anderen Staaten werden Menschen, die nicht im kapitalistischen Sinne beschäftigt sind als "arbeitslos" und damit nutzlos abgestempelt. Hier und überall folgen daraus Resignation und ein Gefühl der Ohnmacht. Dies wird als persönliches Problem abgetan und der gesellschaftliche Zusammenhang ausgeblendet - viele Menschen ziehen sich in sich zurück und vereinsamen. Die Initiative eines Ex-Angestellten des Hotels BAUEN durchbrach diese Logik. Er startete eine Telefonkette, worauf sich 20 der ehemaligen Angestellten des Hotels zusammensetzten, um über die Möglichkeiten einer Besetzung und Wiederinstandsetzung zu beraten. Informationen wurden eingeholt, eine Kooperative gegründet und schließlich die Besetzung beschlossen. "Wir klauen niemandem etwas", erklärt ein Mitglied der Kooperative, "wir fordern nur ein, was unseres ist." Nach 1 1/2 Jahren Leerstand ist nun wieder Leben ins Hotel zurückgekehrt. Vor der Tür stehen den ganzen Tag über Leute, die Informationen an die vorbeieilenden Passanten verteilen und Unterschriften sammeln. Momentan ist die Besetzung vorübergehend geduldet. Um so mehr Unterschriften zusammenkommen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Enteignung des Hotels gerichtlich beschlossen wird. Im Inneren des Hotels wird bereits gearbeitet und die ersten Reparaturen durchgeführt, im Foyer sitzen Leute um einen Tisch und werten die tägliche Presse aus - der Andrang der Medien seit der Besetzung ist groß und ungewohnt für die ehemaligen Angestellten.
Die Gründung der Kooperative und das Projekt der Wiederinstandsetzung bedeutet eine grundlegende Veränderung im Leben der Beteiligten. Plötzlich eröffnen sich Perspektiven, es gibt einen Weg, der selbstbestimmt beschritten werden soll. Zwar ist der Weg an sich noch unklar, es gibt viele Fragen und Diskussionen, die noch geführt werden müssen. Doch der Wille und die Kraft sich gemeinsam auf den Weg zu machen, ist gewiss. Unser Gesprächspartner sprüht vor Energie, wenn er von den Ideen und Möglichkeiten erzählt, die verwirklicht werden wollen. Mit der kapitalistischen Logik brechenKlar ist, dass es einen würdigen Lohn für alle, die im Hotel arbeiten, geben wird - über die genaue Lohnverteilung wird momentan noch diskutiert. Auf jeden Fall soll das Hotel nicht wieder zu dem kapitalistischen Betrieb werden, das es früher war. Die Kooperative, die mittlerweile aus 35 Leuten besteht, will die kapitalistische Logik durchbrechen und neue Akzente setzen. Ihre Mitglieder wollen alle wieder auf ihre ehemaligen Arbeitsplätze zurück, es soll keine Chefs geben - stattdessen werden Entscheidungen in Versammlungen getroffen. Das Projekt soll nicht der Betrieb eines "normalen" Hotels sein, sondern darüber hinausgehen. Die Kooperative ist noch mitten im Diskussionsprozess darüber wie das verwirklicht werden soll. Plötzlich stehen Nachbarschaftsversammlungen vor der Tür und bringen Essen vorbei. Kommissionen aus besetzten Fabriken kommen, um von ihren Erfahrungen zu erzählen und Beiträge zu den Diskussionen der Kooperative zu leisten. Auch aus den Universitäten kommt Unterstützung. Mit ihrem Fachwissen helfen StudentInnen bei den anstehenden Reparaturarbeiten - alle wollen bei diesem neu entstehenden Projekt dabei sein. Das überrascht die ehemaligen Angestellten, denn bisher hatte keineR von ihnen Kontakt zu den sozialen Bewegungen Argentiniens. Diese Erfahrung der Solidarität und gegenseitigen Unterstützung eröffnet neue Welten. Träume einer anderen WeltDie Mitglieder der Kooperative lassen sich von den Erfahrungen der Asambleas
und der besetzten Fabriken inspirieren und beginnen zu träumen. Wichtig ist
ihnen die Zusammenarbeit mit den mehr als 300 besetzten Fabriken. Als Betrieb im
Dienstleistungssektor sind sie auf viele Produkte angewiesen, die sie nun von
diesen beziehen wollen. Davon profitieren auch die Fabriken, für die es nicht
leicht ist, einen Absatzmarkt zu finden. Gleichzeitig will die Kooperative auch
in der Provinz unterstützen, wo die Repression heftiger ist. So wurde bereits
beschlossen, gemeinsam mit den ArbeiterInnen der Fabrik ZANON gegen deren
bevorstehende Räumung anzukämpfen. Dann gibt es da noch die Idee, die großen
Räume des Hotels für die Bewegungen zu nutzen, z.B. für einen Kongress der
besetzten Betriebe. Auch kulturelles Leben soll im Hotel stattfinden, deshalb
ist angedacht, das Theater und den großen Ballsaal für Veranstaltungen zur
Verfügung zu Den Mitgliedern der Kooperative ist bewusst, dass es entscheidend ist, was mit ihrem Hotel passiert. Wegen seiner Lage im Zentrum von Buenos Aires ist es ein sehr sichtbares Beispiel eines Betriebes unter ArbeiterInnenselbstverwaltung. Der große Name des Hotels garantiert eine breite Öffentlichkeit. Die BesetzerInnen wollen ihre Sache gut machen und zeigen, was es bedeutet, wenn alle für alle arbeiten und dass sie als ArbeiterInnen den Betrieb voranbringen, während die Besitzer ihn zerstört haben. Sie hoffen so die PolitikerInnen unter Druck zu setzen und sie zu einem politischen Richtungswechsel zwingen zu können, durch den ArbeiterInnenselbstverwaltung gefördert wird. Das Hotel BAUEN soll ein Beispiel für die ganze Welt werden, welches auch andere "arbeitslose" Menschen motiviert sich zusammenzuschließen, um die Initiative zu ergreifen, selbstverwaltet Neues entstehen zu lassen - als Teil von Bewegungen und gegen die Logik des Kapitalismus. Homepage: |
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