Monatszeitung für Selbstorganisation
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Staatsknete für die "Alternativen" auch in Niedersachsen?Einmalig in diesem Bundesland haben die GRÜNEN selbst die Initiative ergriffen. Im Oktober 83 wurde ein Antrag in Höhe von 60 Mio DM zur Förderung von Arbeit und Ausbildung in niedersächsischen Alternativprojekten beim Landtag eingereicht. In dem Antrag heißt es: "Gefördert werden Träger, die in der Lage sind, geschlossene Konzepte für eine projektorientierte Ausbildung im gewerblichen, kaufmännischen, landwirtschaftlichen und sozialen Bereich vorzulegen... Viele Betriebe und Projekte brauchen dringend Unterstützung durch Arbeitskräfte, die sie jedoch selbst nicht finanzieren können. ..." begründet wurde dieser Antrag mit der absolut katastrophalen Arbeits- und Ausbildungsplatzsituation und dem in den Projekten vorhandenen Innovationspotential für sinnvolle und dauerhafte Arbeit. Die Reaktion insbesondere der CDU Mehrheitsfraktion ließ nicht lange auf sich warten. "...es ist ein gefährlicher Weg für die alternative Idee, durch massive Staatssubventionen zum institutionalisierten Denkmal ihrer selbst zu werden". Die Sinnhaftigkeit der Arbeit einzelner Projekte wurde dabei aber nicht angezweifelt und dafür auch Förderung in Aussicht gestellt. Eine spezielle Breitenförderung, wie sie von den GRÜNEN gefordert wurde, ist dabei aber nach Meinung der CDU völlig ausgeschlossen. Diese von der CDU aufgeworfene These führt z.Zt. auch in der Alternativszene selbst zu vielen konkurrierenden Debatten. Ist doch die Angst vor Vereinnahmung durch Staatsknete berechtigt riesengroß! Mag sein, daß der Antrag der GRÜNEN zu früh eingebracht wurde. Als Initiative zur Eröffnung einer breiten Diskussion über das Für und Wider einer speziellen staatlichen Förderung für Alternativprojekte in Niedersachsen war und ist er eine Hilfestellung. Seit nunmehr einem Jahr gibt es eine AG Projektförderung, einen Zusammenschluß von mittlerweile 60 Gruppen und Projekten. In Anlehnung an die Bremer Staatskneten- arbeit und aus der Erfahrung der Berliner und Hessen lernend, wurde ein Antrag von zunächst 6,5 und jetzt 9,5 Mio DM für das Haushaltsjahr 85 eingereicht. Dieser Finanzbedarf wurde durch direkte Befragung der in dieser AG zusammengeschlossenen Projekte festgestellt. Es stellte sich heraus, daß Geld vorwiegend benötigt wird, um Personal und Ausstattungsinvestitionen zu finanzieren. Ca 800 Arbeitsplätze im Bereich Selbsthilfe könnten durch dieses Geld besser abgesichert und neue geschaffen werden. In dem Antrag heißt es: Alternativprojekte haben nicht nur einkommensbezogene Interessen, sondern streben nach Selbstverwirklichung, Selbstentfaltung und Selbstbestimmung. Bedürfnisse sollen nicht nur passiv, sondern aktiv befriedigt werden. Hieraus ergeben sich mehrere Qualitätsmerkmale dieses neuen Wirtschaftstyps: - Die Bewertung der Arbeit wird von der sozialen Effizienz her beurteilt. Das soziale Netz ist schon im Kollektiv eng und bietet Schutz und Entwicklungsmöglichkeiten ohne permanente sozialstaatliche Abhängigkeit. - Technische und betriebswirtschaftliche Effizienzkriterien finden insbesondere ihre Anwendung unter dem Gesichtspunkt der Ökologischen Produktivität. D.h. Anpassung technologischer Entwicklungen an den Bedürfnissen des Menschen und nicht vorrangig an denen der Wirtschaftlichkeit. Das heißt auch, Versuch ständiger Beteiligung und aktiver Kommunikation von Erzeugern und Verbrauchern mit dem Effekt einer starken Bürger- nähe. - das hohe Innovationspotential der Alternativprojekte, bedingt durch die o.g. Faktoren, sowohl was menschliche, soziale Entfaltung und Entwicklung angeht, als auch was darauf abgestimmte technische und kulturelle Erneuerung und Entfaltung betrifft, bedeutet für die traditionellen staatlichen Strukturen eine erhebliche Entlastung des Sozialhaushaltes und eine humanere Fortentwicklungsmöglichkeit der Technik." Wir wollen:- soziale und umweltfreundliche Produkte; - humane und ökologische Produktionsweisen; - neue Formen des gemeinsamen Lebens und Arbeitens lernen; - die Umsetzung politischen, sozialen und ökologischen Engagements in konkrete Handlungs-, Konsum- und Produktionsalternativen. Die Frage, ob der Staat auf diese Forderungen eingeht, ist m.E. nicht sehr fraglich. Schon längst haben auch die etablierten Altparteien – und Organisationen erkannt, mit wie wenig Mitteln hier kritisches Potential befriedigt werden kann. Natürlich ist auch die reale Entlastung des Sozialhaushaltes durch die Projekte ein weiteres überzeugendes Argument. Viel entscheidender scheint die Frage zu sein, in welcher Art und Weise die Förderung erfolgt. Hier wiederum zeigen die Erfahrungen aus Bremen und Berlin, daß mit dem Zeitpunkt der staatlichen Förderung auch sofort ein „Hauen und Stechen" unter den Projekt losgeht. Die Spaltung in soziale, kulturelle und produktionsorientierte Betriebe ist usus. Die repressiven Förderungsbedingungen und Kriterien sind nur für diejenigen noch akzeptabel, denen ohnehin schon die "Scheiße" bis zum Halse steht und denen der ganze ideologische "Kram" gleich ist. Die programmatischen und existentiellen Grundsätze zur Erhaltung oder zum Ausbau einer neuen Qualität von Arbeit gehen dabei nicht selten "über Bord". (Und insofern hat dann ja auch der CDU- Kultusminister Oschatz mit seiner o.g. These auch recht. -- welch weiser Mann --). Innerhalb der AG wird deshalb auch immer wieder die Frage nach stabilen Gegenstrukturen gestellt, die einer derartigen Entwicklung vorbeugen könnten. Eine dieser Gegenstruktur sind die von den Projekten selbst noch zu entwickelnden Förderungsbedingungen. D.h., wann und wie das möglicherweise zur Verfügung stehende Geld überhaupt genommen wird. Natürlich ist die Durchsetzung dieser Forderung dann auch wieder abhängig von der real vorhandenen Breite des Bündnisses. Neben der AG Projektförderung, die auch ihre Verankerung in den 6 Netzwerken des Großraums hat, soll auch eine Zusammenarbeit mit dem LAK der autonomen Frauenhäuser, dem LAK der Arbeitslosenprojekte, dem Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen und den vorhandenen Branchenzusammenschlüssen stattfinden. Während der Treffen der AG im Jahre 85 sollen diese notwendigen inhaltlichen Festlegungen und die Mobilisierung zur Durchsetzung des Antrages besprochen werden. Wer noch Anträge stellen will oder überhaupt mitmachen möchte, wende sich an: AG Projektförderung, Frank Puin, Im Moore 19, 3000 Hannover oder Die nächste Sitzung der AG findet statt: am 25. und 26.1.85 in Bornsdorf. Themen werden sein: - Das Verhältnis der "GRÜNEN" Niedersachsen zur Selbsthilfeszene in Niedersachsen. Gegenseitige Erwartungen; - Förderungsbedingungen bzw. -voraussetzungen von Seiten der Projekte; - CONSULT eine neue Beraterorganisation stellt sich vor u.v.m.. Jürgen |
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